Ein innovativer mittelständischer Betrieb im Nachbarort Kirchen, unter Kunstkennern und Museumsleuten in aller Welt ein Begriff. Hier wurde das System eines Magnetrahmens als Bildträger erfunden und Urkunden von renommierten Design-Preisen zieren die Unternehmenszentrale zuhauf.
Und trotzdem galt es eine neue Herausforderung zu bestehen. Angefragt hatte der 4FACHWERK-Museums Verein aus Freudenberg. Die Aktiven des ehrenamtlich geführten Hauses bereiten derzeit eine geschichtliche Ausstellung vor. Es geht um den Stadtbrand von 1666, der die Siegerländer Stadt fast vollständig zerstörte. Aus dem Wiederaufbau ist eine der bekanntesten Fachwerk-Silhouetten, der „Alte Flecken“, entstanden, ein Baudenkmal von internationaler Bedeutung.
Die Feuersbrunst vor nun genau 350 Jahren vernichtete nicht nur die Bauwerke, sondern für diese Stadt auch bedeutende Schriftstücke, wie etwa die Flecken-Privilegien.
Die Flecker baten also ihren Landesherren nach dem Wiederaufbau, die ihnen zustehenden Rechte erneut zu bestätigen. Diesen Wunsch erfüllte Fürst Wilhelm Moritz zu Nassau-Siegen (18. 01. 1649 – 23. 01. 1691) mit Datum vom 1. Mai 1687, also 21 Jahre nach der Zerstörung des Ortes. Wilhelm Moritz war ein Neffe des legendären Fürsten Johann Moritz zu Nassau-Siegen, der diesen adoptiert und schon 1678 als Mitregenten eingesetzt hatte.
In jener Urkunde geht er zunächst auch auf das Unglück in Freudenberg ein: „…in dahero aber, wie bei der Landt und Nachbarn kündig, auch ohnleugbahr, im Jahr eintausendt sechshundert sechzig und sechs durch eine dißen Orths von einem erschröcklichen Donnerschlag entstandenen und fast ohnlöschlich gewesenen Fewersbrunst ihr gesambte Hauß und andere bewegliche Güttere nebst auch ihren gehabten Briefschafften ganz erbärmlich eingeäschert undt durch Feuer verzehret wehren…“
Für die „zugegebenen Priviliegien, Freyheiten undt Gerechtigkeit“ gab es also neuerlich „Brief und Siegel“.
Diese markante Urkunde trägt im Freudenberger Stadtarchiv bezeichnender Weise die Bestandsnummer A 1. Und sie soll als geschichtliche Kostbarkeit erstmals im Original während der Ausstellung „…eine fast ohnlöschlich gewesene Feuersbrunst“ einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden.
Doch der sogenannte Freiheitsbrief ist nicht nur eine irgendwie gefaltete Pergament-Urkunde, sondern tatsächlich verkordelt mit einer aus Nussbaum-Holz gefertigten Siegel-Kapsel, in die der Wachsabdruck des Wappens des Nasser Fürsten eingelegt ist.
Die Sicherheit des Objektes besitzt für das Stadtarchiv oberste Priorität für eine Ausleihe. Um das Zeitdokument zu präsentieren bedarf es also eines ganz spezifischen Rahmens, in dem das Urkundenblatt ausgebreitet und ohne einen direkten Klebekontakt fixiert werden kann. Alle Auflagen müssen säurefrei und alterungsbeständig sein. Die durchsichtige Abdeckung muss eine schädliche UV-Einstrahlung verhindern. Der gewichtigen Siegel-Kapsel gilt es zudem unsichtbar zusätzlichen Halt zu geben, damit diese nicht das Pergament verzieht. Und damit der historische Schatz nicht entwendet werden kann, muss der Rahmen selbst eine diebstahlsichere Verbindung zur Wand erhalten.
Die Verantwortlichen der Firma sahen in diesem Anforderungsprofil eine kreative Herausforderung, die sie letztlich mit hoher Qualität erfüllten. Firmen-Chef David Halbe beteiligte sich selbst mit seinem Mitarbeiter Tim Hensel an der mehrstündigen „Operation“. Zunächst galt es das wertvolle Dokument passend in den Rahmen auszurichten. Schon das stellt sich als komplex dar, denn die Kanten des Schriftstückes sind keineswegs rechtwinkelig, weshalb letztlich die Linien des größten Schriftblockes als Parallele zu den oberen und unteren Rahmenkanten gewählt wurden. Der erhöhte durch eine Leiter ermöglichte Blick von oben gab den visuellen Ausschlag.
Eine Herausforderung für die passende Proportion stellte zusätzlich die Siegel-Kapsel dar, die als quasi eigenständige Kubatur durch Farbe, Massivität und Form einen spezifischen Akzent setzt.
Die jahrhundertelange Faltung der Urkunde führt zu permanenten Material-Stegen, die sich auch durch Gewichtauflagen nicht mehr „ausbügeln“ lassen. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Objekt, das auf dem Untergrund seinen Halt finden muss, wie gesagt, ohne mit einem für das Material schädlichem Kleber in Berührung zu kommen. Durchsichtige Eck-Taschen, in die das Papier vorsichtig eingeschoben wird und der „Statik“ des Urkundenmaterials oben und seitlich angepasste Halterungen ermöglichen dann die Fixierung. Alle Teile müssen in Handarbeit auf die jeweilige Beschaffenheit der Urkunde zugeschnitten und der Kordelaustritt für die Siegelkapsel zusätzlich unterlegt werden.
Millimeterkleine Stahlstifte, die in den Untergrund eingebohrt und der abgerundeten Form der Holzkapsel entsprechend gebogen sind, sorgen dafür, dass das Siegel festen Grund findet, ohne für den Betrachter erkennbar zu sein.
Ausstellungs-Kurator Gottfried Theis: „Der Rahmen verwandelt die gewichtige Urkunde in ein Kunstwerk. Format und kalligraphische Gestaltung des Textes lassen die Bedeutung des Dokumentes bewusst – und jetzt durch die gelungene Form der Präsentation – auch für die Betrachter erkennbar werden. Handwerkliches Können, Erfahrung und Geschick sowie technische Perfektion haben ein Meisterwerk entstehen lassen.“
Text: Bernd Brandemann
„Der Rahmen für etwas ganz Besonderes“ von Bernd Brandemann ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.