Zur Auflösung des Heimatvereins des Kreises Altenkirchen

– Betzdorfer Regionalhistoriker äußert sich kritisch

Der Heimatverein des Kreises Altenkirchen löst sich in diesen Tagen auf. Für drei von sechs Vorstandsposten fand sich niemand. Als weiteren Grund wurde von der Vorsitzenden Betty Berg-Bronnert aus Kirchen mangelnder Nachwuchs genannt. Zu den Vorgängen hat sich der Betzdorfer Regionalhistoriker Dr. Thomas Bartolosch zu Wort gemeldet, der von eigenen Erfahrungen mit dem Verein berichtet. Er hat den Verein 2019 unter Protest nicht nur verlassen, sondern auch sein – wenn auch nicht bedeutsames – Amt als stellvertretender Schriftführer im erweiterten Vorstand des Vereins niedergelegt. Er tat das – wie er bekundet – nach reiflicher Überlegung, war er doch von 1982 bis 2019 an 38 Heimat-Jahrbüchern des Vereins mit teils mehreren Beiträgen sowie immer wieder umfangreichen Buchbesprechungen beteiligt gewesen. Schon sein Vater Helmuth Bartolosch aus Betzdorf hatte von 1971 bis zu seinem Tod 2001 alljährlich – 30 lange Jahre – Beiträge für das Jahrbuch geliefert, oft nicht nur einen.
Das alles geschah ehrenamtlich, war aber teils mit erheblichen Kosten der Recherche in Archiven oder der Bildbeschaffung verbunden, wie Bartolosch unterstreicht. Mit Blick auf den bevorstehenden Ruhestand als Rentner wollte er seinen Ohren nicht trauen, als er bei einer Vorstandssitzung 2018 erfuhr, dass sich auf Vereinskonten 84.000 Euro befanden. Dieser Betrag gefährdete seinerzeit übrigens die Gemeinnützigkeit des Kreisheimatvereins. Ein Antrag von Dr. Bartolosch, pro Seite im Jahrbuch ein kleines Honorar von 10 Euro zu zahlen, wurde einstimmig abgelehnt, obwohl das bei einem Umfang von durchschnittlich 320 Seiten pro Jahrbuch ein Volumen von nur gut 3000 Euro pro Ausgabe ausgemacht hätte. So sei das in anderen Vereinen üblich, die sich der „Heimatforschung“ oder der regionalen Geschichte verschrieben haben, äußert er im Gespräch mit dem AK-Kurier. Im Vergleichsfall bekam er für einen Beitrag im Siegerland-Heft des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins ein Honorar von 300 Euro. Auch wenn Honorare zu versteuern sind, ist es in seinen Augen doch eine Wertschätzung für eine Arbeit, die weit mehr kostet, denn wenn man Regionalgeschichte ernst nimmt und zu neuen Erkenntnissen gelangen will, muss man in die einschlägigen Archive in Koblenz, Wiesbaden, Düsseldorf oder gar Berlin, wie er meint. Das gebe es nicht zum Null-Tarif.

Obwohl der Betzdorfer seit 2012 erstmals den Posten des stellvertretenden Schriftführers innehatte – Wiederwahlen erfolgten 2015 und 2018 –, und obwohl er sich u. a. mit Vorträgen in die Vereinsarbeit einbrachte, erfuhr er nach eigenem Bekunden erst 2019 – und mehr nur beiläufig – vom damaligen Vereinsvorsitzenden Konrad Schwan, dass der Verein über einen „Wirtschaftsbetrieb“ zur Abwicklung des Jahrbuches verfüge. Unverständlich blieb Dr. Bartolosch auch, warum das Rechnungsprüfungsamt Altenkirchen alljährlich mit der steuerlichen Bilanzprüfung beauftragt wurde, was eine Gebühr von 120 Euro nach sich zog, wo es nach seiner Auffassung doch genug Leute im Verein gab, die die Kasse hätten prüfen können. Ein weiterer Kritikpunkt ergab sich aus § 14 der Vereinssatzung, wo es heißt, dass nach der Kassenprüfung, die jeweils nach Schluss des Geschäftsjahres stattfinde, ein Prüfungsbericht zu erstellen sei, der der Mitgliederversammlung in der nächsten Sitzung bekannt zu geben sei. Bartolosch kann sich an keine Bilanz erinnern, die in Schriftform vorgelegt worden wäre – lediglich ein paar Zahlen wurden mündlich vorgetragen, wenn sich der Vorstand und ein paar Mitglieder trafen. Die Sitzungsprotokolle bestätigen das.
Transparenz sei ein hohes Gut und schaffe Vertrauen, gibt der Regionalforscher zu bedenken. So kenne er das aus anderen Vereinen, ohne dort Vorstandsmitglied gewesen zu sein, etwa beim Freundeskreis Landschaftsmuseum Westerwald e.V. oder beim Westerwaldverein. Erstaunt musste er zur Kenntnis nehmen, dass auch nach Kündigung der Mitgliedschaft im Jahr 2020 der Mitgliedsbeitrag weiter von seinem Konto eingezogen wurde – übrigens im Jahr 2024 erneut. Ohne irgendjemand in finanziellen Dingen Unredlichkeit zu unterstellen, blieben finanzielle Fragen im Verein seinerzeit für Bartolosch als Vorstandsmitglied nicht nachvollziehbar, waren für ihn intransparent. Auf der Homepage wurde er weiterhin in verantwortlicher Funktion aufgeführt und erst nach wiederholter Anmahnung zur Streichung auch tatsächlich dort gestrichen.
Seiner Darstellung nach gab es eine ganze Reihe weiterer kleiner, aber auch großer Misslichkeiten, weshalb er sich aus dem Verein zurückzog und im Jahrbuch nichts mehr veröffentlichte. „Es gibt ja noch andere Publikationsmöglichkeiten, von denen vermehrt auch andere Autoren aus dem Kreis Altenkirchen Gebrauch machen“, gibt er zu bedenken. Versäumt wurde aus seiner Sicht in Altenkirchen zudem, den Kreisheimatverein zu einer Dachorganisation der örtlichen Heimatvereine zu installieren, wie in der Nachbarschaft der Heimatbund Siegerland-Wittgenstein e.V., wozu es allerdings im AK-Kreis des Blicks über den Tellerrand bzw. die Kreisgrenze bedurft hätte, wie er kritisch äußert. Eine solche Ausrichtung des Altenkirchener Heimatvereins hätte, wie er weiter meint, mit Sicherheit zu einer stärkeren Kreisidentität beigetragen, die angeblich fehlt, wie mitunter beklagt werde. „Doch die örtlichen Vereine arbeiten offenkundig ohnehin viel lieber für sich und haben – wie man beispielhaft beim rührigen Kirchener Heimatverein sehen kann – keine Probleme mit fehlendem Nachwuchs oder nicht engagierten Mitgliedern“, sagt er.
In Kirchen gestalte man alljährlich ein attraktives Programm. Die Ausstellung zur Geschichte der Kirchener Diskothek „Chateau“ sei ein voller Erfolg gewesen. Die historischen Stadtrundgänge würden gut angenommen. Es gebe einen gut besuchten Stammtisch. Man betreibe ein sehenswertes Museum. Es gebe einen Heimattag für Jung und Alt. Das „Kirchener Heimatblatt“ des Vereins habe Niveau. Es gehe also durchaus auch anders. Und weiter: „Vielleicht hätte man sich mal in Kirchen Rat bei Hubertus Hensel oder Dr. Johannes Pfeifer holen sollen. Der AK-Vorstand kommt doch zum Teil aus Kirchen.“ Der Kirchener Verein organisiere zudem Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die „Reichspogromnacht“ am 9. November 1938. So etwas müsse man natürlich wollen.
Und auch der Arbeitskreis Heimatgeschichte Daadener Land – ein weiteres Beispiel, das Bartolosch anführt – kenne die Probleme nicht, die der Kreisheimatverein für sich reklamiere. Und weiter: „Mit betulich-altbackenen Weihnachtsfeiern jedenfalls, wie sie der Vorstand zum ‚Abschied‘ vom in Auflösung begriffenen Verein im Dezember organisieren will, lockt man eben heutzutage keine jungen Leute mehr an. Mit Brauchtums- oder Mundartpflege punktet man schon gar nicht mehr. Dem Verein hat einfach ein innovativer Geist gefehlt; er war – zumindest mental – völlig überaltert.“ Offenbar sei es Vorstandsmitgliedern ja nicht einmal gelungen, den eigenen Nachwuchs für eine Teilhabe am Verein zu motivieren. Wenn man den Band „Lebensbilder aus dem Kreis Altenkirchen“ als eine der Leistungen des Vereins in den Blick rücke, wie geschehen, so sei das einfach nur peinlich. Das Buch erschien tatsächlich bereits 1979 – mithin vor 45 Jahren – und ist nach Auffassung Bartoloschs „total überaltert.“ Aber so etwas passiere, wenn eine Person im Vorstand sitze, die bis heute keine einzige Zeile zur regionalen Historiographie des Kreises Altenkirchen beigetragen habe.

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