zwischen Subversion und Stabilisation.“ Vortragsreihe „Siegener Forum – Vorträge und Diskussionen nicht nur zur regionalen Geschichte“
In der neuen Ausgabe der Vortragsreihe „Siegener Forum“ geht es am Donnerstag, den 21. März 2019, um ein vielbeachtetes und keineswegs nur literarisches Thema: Über die Bedeutung des Genres Kriminalliteratur im Nationalsozialismus.
Der Vortrag zeichnet die Entwicklung des Krimis von etwa 1930 bis 1945 nach und beschreibt, wie die Nationalsozialisten der damals schon beliebten Literaturgattung zunächst nur wenig Beachtung geschenkt, dann für ihre (Propaganda-)Zwecke funktionalisiert und Krimi-Autoren schließlich instrumentalisiert haben.
Demzufolge wandelten sich im Laufe des Dritten Reiches die einschlägigen Motive, Themen und Figuren – besonders die Funktionen der jeweiligen Ermittler, Verdächtigen und „Verbrecher“. Der mit vielen historischen Fotos bebilderte Vortrag führt vor Augen, wie die damaligen politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse während der Nazi-Diktatur in Krimis präsentiert, ignoriert oder interpretiert, mitunter auch parodiert wurden.
Besprochen werden Kriminal- und Lebensgeschichten von zum Teil heute populären, aber auch unbekannteren Autoren wie Erich Kästner, Gerhart Hauptmann, Hermann Freyberg, Ernst Haffner, Robert Adolf Stemmle und anderen.
Der Referent Dr. Jürgen Nelles hat Germanistik, Philosophie und Pädagogik studiert. Nach seiner Promotion mit der Dissertation „Denkspiele der Poesie“ über den Hörspielmacher und Schriftsteller Paul Wühr im Jahr 1990 folgte eine Assistenzzeit an der Fernuniversität Hagen und im Jahr 2000 seine Habilitation an der Universität Bonn mit einer Studie über das Medium Buch in den Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts. Zuletzt publizierte er ein umfangreiches Werk über den deutsch-israelischen Dichter und Holocaust-Überlebenden Tuvia Rübner. Dr. Nelles, der für zahlreiche Bildungseinrichtungen und Kulturinstitute als Referent aktiv ist, lebt und lehrt in Bonn.
Der Vortrag findet statt am Donnerstag, den 21. März 2019, um 18.30 Uhr im Gruppenarbeitsraum des Stadtarchivs Siegen, Markt 25, 57072 Siegen (KrönchenCenter, 3. Obergeschoss.). Der Eintrittspreis beträgt 3,00 Euro.
In der Arbeit von Traute Fries zur Geschichte der Deutschen Friedensgesellschaft in Siegen findet sich auch ein regionaler Bezug zu einem der genannten Autoren, Axel Rudolph, der unter dem Pseudonym Hermann Freyberg publizierte:
“ …. Axel Rudolph – eine schillernde Persönlichkeit
Im Schreiben des Westdeutschen Landesverbandes vom 5. Dezember 1929 an Fries kündigte Sekretär Bangel nach Klärung organisatorischer Fragen zum Druck von Plakaten und Handzetteln einen Referenten an, dessen Leben von den Nazis am 30. Oktober 1944 gewaltsam beendet wurde.
„[…] Axel Rudolph kommt bereits heute nachmittag hier an und wird mit dem Zug an Siegen 13.51 am Sonnabend über Siegen nach Unnau weiterfahren. Da wir die Autobusverbindungen dort nicht genau kennen, haben wir Herrn Strunk in Unnau gebeten, uns recht schnell mitzuteilen, wie er am besten von Siegen nach Unnau kommt. […] Zu den Rudolph-Versammlungen wollen wir nicht grosse Büchersendungen mitgeben, da wir nicht an einen grossen Besuch glauben. Ausserdem bekommen ja alle Vertrauensleute heute unseren Bücherkatalog zugestellt, sodass Bestellungen erledigt werden können.
Vertraulich! Axel Rudolph ist ein sehr armer Teufel, der schon lange Zeit erwerbslos ist. Er lebt von dem Einkommen seiner Reden und seiner Zeitungsartikel. Das[s] das nicht zu viel ist, brauche ich Ihnen ja nicht mehr zu sagen. Ich wollte das den einzelnen Gruppen nicht mitteilen, da ich nicht wusste[,] welche Leute davon das richtig verstehen. Wenn Sie es für erforderlich halten, es noch einigen davon mitzuteilen, dann tun Sie es nach Ihrem Ermessen.
Mit besten Grüssen für heute – Bangel“
Axel Rudolph wurde am 26. Dezember 1893 in Köln-Nippes geboren. Er war das einzige Kind dänisch/schwedischer Eltern. Er war deutscher Staatsbürger und arbeitete bis zum Einsatz als Kriegsfreiwilliger in Belgien und Frankreich als Bergarbeiter im Ruhrgebiet. 1915 geriet er an der Ostfront in Gefangenschaft. Auf Vermittlung von Elsa Brändström kam er 1917 in ein dänisches Internierungslager. 1919 gehörte er kurze Zeit dem Freikorps Schleswig-Holstein an. Wegen Verstoßes gegen das dänische Ausländerrecht handelte er sich verschiedene Haftstrafen (1920/1921) in Dänemark ein. 1921 heiratete Rudolph die Dänin Maria Stenbæk, die er während der Internierung kennen gelernt hatte. Bis 1924 lebte das Paar in Köln. Während dieser Zeit will Rudolph intensiv für dänische Zeitungen geschrieben und wohl auch wieder als Hauer im Ruhrgebiet gearbeitet haben. 1924 zog das Paar nach Garmisch. Die erste Tochter wurde geboren. Später lebte die Familie in Norddeutschland. Rudolph betätigte sich journalistisch und schloss sich der DFG in Schleswig-Holstein an. Nach der Geburt der zweiten Tochter (1929) wurde die Ehe 1930 geschieden. Zwischen 1926 und 1930 geriet Rudolph wegen krimineller Handlungen, wie Schuldigbleiben kleiner und kleinster Geldbeträge, unerlaubtes Ordentragen und Urkundenfälschung, in die Mühlen der Justiz.
Anfang Dezember 1929 kam Rudolph dann nach Hagen und wurde auf Versammlungstour ins Siegerland geschickt. Im Tagebuch der DFG heißt es: „Zwei Jahre China. Bedeutet die gelbe Rasse eine Gefahr für Europa?“ Diese Formulierung ließ die Vermutung zu, als habe sich Rudolph zwei Jahre in China aufgehalten, was nicht der Fall war. Der Anzeigentext beschränkte sich dann bewusst auf die Fragestellung „Ist die gelbe Rasse eine Gefahr für Europa?“
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Rudolph war nur sehr kurze Zeit für die DFG in Hagen tätig, das geht aus der polizeilichen Vernehmung vom 21. Februar 1930 hervor, die im Zusammenhang mit Landesverratsvorwürfen gegen Heinz Kraschutzki erfolgte. Rudolph gab an, für Kraschutzki Kurierdienste geleistet zu haben, die nicht rein pazifistischer Natur gewesen seien, „sondern schon […] mit Landesverrat zu bezeichnen waren“. Mit der polizeilichen Vernehmung distanzierte sich Rudolf von der DFG. Die wirtschaftliche Situation Rudolphs änderte sich 1932 als er einen Filmideenwettbewerb gewann. Er veröffentlichte bis 1943 teils unter Pseudonymen mehr als 50 Werke der Trivialliteratur, wie Abenteurer- und Kriminalromane. Am Ende wurden ihm Briefe, in denen er seine regimekritische Haltung zum Ausdruck brachte, zum Verhängnis. Wegen Wehrkraftzersetzung wurde Rudolph zum Tode verurteilt und starb unter dem Fallbeil im Zuchthaus Brandenburg-Görden.
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