Causa Stadtarchiv Olpe hat in diesem Frühjahr hohe Wellen geschlagen – auch auf siwiarchiv – s. hier, hier, hier und hier . Zeit für einen Aktualisierung.
In der 18. Sitzung des für das Stadtarchiv zuständigen Ausschusses Bildung, Soziales, Sport am 30. Augustun wurde der letzte Sachstandsbericht des scheidenden Olper Stadtarchivaren vorgelegt.
„Der Sachstandsbericht 2022/23 des Stadtarchivs wird zur Kenntnis genommen.“ heißt es lapidar in der Sitzungsniederschrift
Zwei Presseberichte schildern die bemerkenswerte Aussprache wie folgt:
„Neuer Ärger im Streit um Stelle des Olper Stadtarchivars: Ein Ausschussmitglied kritisiert den Amtsinhaber, obwohl dieser entschuldigt fehlte.“, Westfalenpost v. 31.8.2023,
„Es war fast nur eine Randbemerkung, die in einem kommunalpolitisch seltenen und ungewöhnlichen Rahmen fast unterging. Dennoch ist es eine Kehrtwende um 180 Grad: Als am Mittwoch im Ausschuss Bildung, Soziales und Sport der Olper Stadtarchivar Josef Wermert seinen jährlichen Archivbericht vorlegen sollte, hatte Ausschussvorsitzender Christian Bock (Grüne) mit Bedauern angemerkt, Wermert könne nicht selbst berichten, weil er sich krankgemeldet habe. Der Bericht lag aber als schriftliche Informationsvorlage allen Ausschussmitgliedern vor. Auf die daraufhin vorgebrachte Frage, was denn nun mit Wermerts Stelle sei, ergriff kurz 1. Beigeordneter Thomas Bär das Wort und kündigte an: „Im neuen Stellenplan werden wir die Stelle ausweisen und die Nachfolge von Herrn Wermert besetzen.“
Wie mehrfach berichtet, war die Stelle des bald ausscheidenden Stadtarchivars mit einem sogenannten „kw-Vermerk“ (für „künftig wegfallend“) versehen worden. Die Stadtverwaltung hatte dem Rat vorgeschlagen, nach Wermerts Ausscheiden keinen dezidierten Stadtarchivar mehr beschäftigen zu wollen, sondern dessen Arbeit vom künftigen Leiter des geplanten Stadtmuseums miterledigen zu lassen. Dies hatte nicht nur bei Heimatfreunden, sondern auch in Fachkreisen in ganz Deutschland für Proteste und Kritik gesorgt. Offenkundig hat der Protest Früchte getragen bzw. für das Einsehen gesorgt, dass es Pflicht der Stadtverwaltung ist, einen ausgebildeten Archivar zu beschäftigen.
Haben Bücher Anklang gefunden?
Indes sorgte Wermerts Bericht für eine kurze, umso heftigere Diskussion. Denn Markus Arens (CDU) nutzte die Gelegenheit, den abwesenden Stadtarchivar heftig zu kritisieren. In seinem Bericht, dem turnusmäßig letzten seiner Dienstzeit, steht folgende Passage: „Durch die politisch gewollte intensive Arbeit an der Olper Stadtgeschichte über viele Jahre und sonstige zeitraubende Projekte musste bisher an Verzeichnungsarbeit einiges zurückgestellt werden.“ Dies, so Arens, bedeute eine „Nichterfüllung der gesetzlichen Vorgaben“. Arens: „Jahrelang haben wir geglaubt, dass genug Zeit ist für die freiwillige Arbeiten, und jetzt wird die Politik für das eigene zeitliche Missmanagement verantwortlich gemacht, was ich für ziemlich dreist halte.“ Weiterhin wolle er „gern einschätzen können, ob die Bücher der Olper Stadtgeschichte, für die wir 200.000 Euro ausgegeben haben, bei den Olper Bürgern Anklang gefunden haben“. Die Summen der Buchverkäufe lasse ahnen, dass nur ein Bruchteil wirklich veräußert worden sei. „Ich wüsste gern die Anzahl der eingelagerten Exemplare und den Lagerort.“
Arens’ Wortmeldung rief zunächst Klaus Peter Langner (SPD) auf den Plan: Es sei ein Unding, derart nachzukarten und „jemanden, der 34 Jahre gute Arbeit für die Stadt geleistet hat“ und zudem in Abwesenheit anzugreifen. Wermert gelte vielmehr großer Dank: „Er hat das Archiv weit über seine Pflicht hinaus gepflegt und vieles zusätzlich getan, was in der Öffentlichkeit Beachtung findet.“ Wermerts Fachkunde werde weit über Olpe hinaus geschätzt „und ich denke, er hat das historische Gedächtnis hier in Olpe geprägt“. Sein Fraktionskollege Volker Reichel: „Ich schließe mich dem an, und nachdem ich meine Sprachlosigkeit überwunden habe, möchte ich klarmachen, dass ich das unsäglich finde, so etwas über jemanden zu sagen, der sich nicht dazu äußern kann. Das ist schlechter Stil.“ Klaus Dornseifer von der UCW fasste sich kürzer, blieb aber genauso deutlich: „Wir möchten uns bei Herrn Wermert bedanken, auch wenn er jetzt nicht da ist.“
Seinerzeit einstimmiger Beschluss
1. Beigeordneter Bär griff ein, um das zerbrochene Porzellan zu kitten: Wermert habe bei seiner Arbeit, „und ich spreche in der Gegenwart, er ist ja schließlich noch beschäftigt“, seinen eigenen Stil gepflegt, sei „vielleicht nicht der typische Verwaltungsarchivar“, aber habe immer „hervorragende Arbeit geleistet“. Die Misstöne im Zusammenhang mit dem „kw-Vermerk“ seien „vielleicht eine Frage der Kommunikation, aber das hatte nichts mit seiner Arbeit zu tun“. Markus Bröcher (CDU) griff Bärs Beitrag auf: „Auch die CDU hat die Arbeit von Herrn Wermert immer geschätzt.“ Aber eines sei klar: Wenn eine einstimmige politische Entscheidung des Rats im Nachgang hinterfragt werde – hier verwies Bröcher auf den „kw-Vermerk“ – und „auf etwas seltsame Art und Weise“ in der Öffentlichkeit präsentiert werde, rufe das ebenso kritische Nachfragen hervor. „Nochmal und deutlich: Auch die CDU bedankt sich ausdrücklich für seine Arbeit.“
– Martin Stahl „Der jährliche Sachstandsbericht von Stadtarchivar Josef Wermert erntet bei der Olper CDU-Fraktion Kritik. Eine Diskussion im Ausschuss ist die Folge.“, Siegener Zeitung v. 31.08.2023:
„Ein regelmäßiger Gast im Sozial- und Bildungsausschuss der Stadt Olpe war bisher Stadtarchivar Josef Wermert. Mit dem jährlichen Sachstandsbericht und der Präsentation vor Fraktionsmitgliedern und Verwaltung gewährte er der Öffentlichkeit Einblick in das Stadtarchiv und dessen Weiterentwicklung – und das seit 34 Jahren. Doch diesmal war vieles anders, es gab nicht nur Lob.
Vorweg: Josef Wermert konnte seinen letzten Sachstandsbericht nicht persönlich präsentieren, er musste krankheitsbedingt absagen. Der 21-seitige Bericht lag den Fraktionen unlängst vor, diese hatten sich entsprechend vorbereitet. Statt direkter Nachfragen zum Bericht waren somit nur die Stellungnahmen der Fraktionen möglich.
CDU kritisiert Stadtarchiv-Bericht
Und hier kam es zu ungewohnten Worten und unerwarteter Kritik in Richtung des Stadtarchivars aus den Reihen der CDU-Fraktion. Markus Arens, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss und an diesem Mittwoch Abend in Vertretung von Nicole Hütte Teilnehmer an der Sitzung, ergriff das Wort. „Beim zweiten Abschnitt hatte ich doch einen Schock beim Lesen bekommen. Dieser zeigt eine Nichterfüllung der gesetzlichen Vorgaben auf“, so der Fraktionsvorsitzende der Olper Stadt-CDU.
Arens bezog sich dabei konkret auf einen Absatz im Bericht, in dem der Stadtarchivar Josef Wermert verschriftlichte, dass „durch die politisch gewollte intensive Arbeit an der Olper Stadtgeschichte über viele Jahre und sonstige zeitraubende Projekte“ die Arbeit am Zwischenarchiv der Stadt und den Fotobeständen für das Stadtarchiv entsprechend zurückgestellt werden musste.
„Wir sind jahrelang davon ausgegangen, dass alles bestens läuft. Über diesen Bearbeitungsrückstand hätten wir früher informiert werden müssen“, so Markus Arens weiter und legte bezogen auf den zitierten Absatz nach: „Man kann hier nicht die Politik für das Missmanagement verantwortlich machen.“
Olper Geschichtsbuch sorgt für Kritik
Die im Bericht angekündigte nicht rechtzeitige Fertigstellung des vierten Bandes zum Jahrhundertwerk „Olpe. Geschichte von Stadt und Land“ für die Zeit von 1948 bis 2023 sorgte bei Arens für Kritik. Hintergrund ist, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die bei der redaktionellen Erstellung der vorherigen Bände mitwirkten, diese Mitarbeit im vergangenen Jahr beendeten.
Arens ergänzte seine Stellungnahme um die Frage nach dem Anklang der Buchbände in der Bevölkerung. Bei 200.000 Euro Kosten konnten bisher nur 36.000 Euro an Verkaufseinnahmen erzielt werden.
Die Reaktion seitens der politischen Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten. „Herr Wermert hat 34 Jahre lange gute Arbeit als Stadtarchivar geleistet. Deshalb kann man das jetzt nicht in dieser Form darstellen“, so Klaus Peter Langner von der SPD in Richtung Markus Arens. Vielmehr dankte er Josef Wermert in Abwesenheit für die Arbeit der vergangenen Jahrzehnte, insbesondere seinen Einsatz für die Olper Stadtgeschichte.
SPD lobt Josef Wermert
„Er hat dem Archivwesen der Stadt Olpe zu einem bekannten und guten Namen verholfen.“ Volker Reichel, ebenfalls SPD und als stellvertretendes Mitglied teilnehmend, wurde deutlicher, nachdem er vorher sichtlich um Worte gerungen hatte: „Es ist unsäglich, in der Form über jemanden zu sprechen, der nicht persönlich anwesend sein kann.“
Markus Bröcher (CDU) versuchte, die Aussagen seines Fraktionskollegen zu entschärfen: „Auch wir von der CDU-Fraktion haben seine Arbeit immer geschätzt und schätzen sie immer noch.“
Gleichzeitig ergänzte er: „Wenn einstimmige politische Entscheidungen so hinterfragt und entsprechend in der Öffentlichkeit präsentiert werden, dann muss man sich auch kritischen Fragen stellen. Wir haben das Recht, das zu benennen.“
Herr Wermert hat eine Arbeit geleistet, die uns weit über den Tellerrand bekannt gemacht hat. Wir sind ihm sehr zu Dank verpflichtet.
Thomas Bär, Erster Beigeordneter Stadt Olpe
Während die UCW-Fraktion in Person von Klaus Dornseifer in knappen Worten ihren Dank für die Arbeit des Stadtarchivars zum Ausdruck brachten, bezog Thomas Bär als Erster Beigeordneter der Stadt Olpe Stellung. „Herr Wermert hat eine Arbeit geleistet, die uns weit über den Tellerrand bekannt gemacht hat. Wir sind ihm sehr zu Dank verpflichtet“, so Bär.
Stadtarchivar-Stelle wird weiter besetzt
Dabei ging er zusätzlich auf die Situation zum Jahresbeginn ein, als die Entscheidung der Stadt, den Posten des Stadtarchivars nach dem Ausscheiden von Josef Wermert in den Ruhestand mit einem kw-Vermerk („künftig wegfallend“) zu belegen, für hohe öffentliche Wellen sorgte.
„Das Thema kw-Vermerk war im Endeffekt eine Frage der Kommunikation“, so Thomas Bär rückblickend. Vorab konnte er dem Ausschuss bereits mitteilen, dass die Stelle im nächsten Jahr im Stellenplan wieder ausgewiesen werden wird und somit eine Nachfolgeregelung für Josef Wermert als Stadtarchivar geplant sei.
Ruhestand nach 34 Jahren Stadtarchivar Olpe
Wermert geht zum 31. Mai 2024 in den Ruhestand. Ob eine nachträgliche persönliche Präsentation seines letzten Sachstandberichtes im Ausschuss stattfinden soll, konnte zum Abschluss des Tagesordnungspunkts nicht geklärt werden.“
Bis zur Stadtverordneten-Versammlung am 6. September scheinen sich die Wogen geglättet zu haben. Dort wurden die Eckwerte für den Haushaltsplan 2024 festegelegt. In der Drucksachen-Nr.: 90/2023 2. Ergänzung, S. 7, fand sich folgende Formulierung:
“ 2.12 Der im Stellenplan 2023 Teil B Tarifbeschäftigte unter der lfd. Nummer 6 aufgeführte kw-Vermerk wird wieder gestrichen. Im Stellenplan 2024 wird die Stelle des Archivars / der Archivarin mit 1,0 Stellenanteilen in der aufgeführten Entgeltgruppe fortgeführt. Das Stellenbesetzungsverfahren wird auf dieser Grundlage so zeitnah wie möglich in die Wege geleitet.“
Die gesamte Vorlage wurde einstimmig bei 18 Enthaltungen angenommen.
Das Online-Portal „Lokalplus“ berichtete am 8. September über die entscheidende Sitzung des Stadtparlaments vom 6. September:
„…. Die Eckpunkte für den städtischen Haushaltsplan 2024 hat die Olper Stadtverordnetenversammlung in ihrer jüngsten Sitzung verabschiedet. Diese Eckpunkte sind die Vorgaben der Politik, an die sich der Kämmerer bei der Erstellung des Zahlenwerks halten muss. … Bei der geplanten Streichung der Stelle des Stadtarchivars … rudert der Stadtrat zurück. Dieses Vorhaben war in der Historiker- und Archivarszene in Westfalen auf herbe Kritik gestoßen. Der im Stellenplan aufgeführte kw-Vermerk (kw = künftig wegfallend) wird gestrichen und die Vollzeit-Archivarstelle fortgeführt. ….“
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Die Reaktion auf die Entwicklung in Olpe auf dem Deutschen Archivtag in Bielefeld:
s. a. Westfalenpost (Kreis Olpe), 29.9.2023, Link
Heute in der Siegener Zeitung: