Wer hat Informationen?
Das Projekt „Campus Siegen-Mitte“ kommt nicht recht voran. Eigentlich hätte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb schon längst mit den Umbauarbeiten beginnen sollen – hat er aber noch nicht. Ein Grund dafür befindet sich nach Radio Siegen Informationen im so genannten „Wittgensteiner Flügel“ des Unteren Schlosses. Dort hat sich in der Vergangenheit ein Spezial-Gefängnis der Gestapo befunden. Die Denkmalpflege untersucht den Putz momentan. Das kann bis zu 6 Wochen dauern. Ob dann wie vorgehabt im Herbst 2014 die ersten Studenten ins Schloss ziehen, bleibt abzuwarten.
Quelle: Radio Siegen, Lokalnachrichten v. 7.2.2012
Ob es ein Spezialgefängnis war, kann bezweifelt werden. Dass da ein Gestapo-Gefängnis war, war bekannt, noch bevor Radio Siegen davon Wind bekam, und zwar spätestens seit Dieter Pfau die Lagepläne gefunden hat. Von damaligen Kommunisten gibt es Zeitzeugenberichte sowohl in Strafakten der Generalstaatsanwaltschaft als auch in später veröffentlichten Berichten.
Dieter Pfau publizierte in „Kriegsende 1945 in Siegen. Dokumentation der Ausstellung 2005“, Bielefeld 2005, im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den Gestapo-Beamten Otto Faust auf S. 183 eine Lageskizze der Büroräume der Geheimen Staatspolizei – Außenstelle- im Landgerichtsgebäude Siegen. Die Skizze weist sieben Büroräume im Dachgeschoss aus (Pförtner u. „Dollmetscher“, Regitratur, 4 Vernehmungsbüros und einen Raum für den Fernschreiber). Pfau gibt folgende Quelle an: R- LG National Archives (vorm. Public Record Office), Kew bei London FO 1060 Nr. 1430.
Dass sich dort das Landgericht samt Gefängnis und die Gestapo befand war ja bekannt, so dass ein „Spezial-Gefängnis“ durchaus plausibel ist. Aber welche neu aufgetauchten Dokumente, von der die Siegener Zeitung heute spricht, mögen dies sein, die eine so aufwändige Untersuchung (Mauerritzen, Fußböden) begründen?
Auch die Westfälische Rundschau und der WDR berichten heute.
„Eine „Dialog- und Gedenkstätte“ könnte sich der Rektor im Unteren Schloss gut vorstellen“, SZ, 8.2.
Tatsächlich eine interessante Idee.
Woher stammen die unbekannten Dokumente? Wurden die Kellerräume noch nie auf Akten durchsucht?
Mich beschleicht der Eindruck, dass nicht die richtigen Fragen gestellt wurden:
1) Warum fragt denn keiner beim Pressesprecher des LWL-Denkmalamtes nach?
2) Die aufgefundenen Schriftstücke gehören eigentlich in das Landesarchiv NRW. Warum fragt denn dort keiner nach.
3) Brauchen wir eine weitere Gedenkstätte wirklich oder wäre ein Ausbau des Aktiven Museums nicht ausreichend – eben um eine Dokumentation der Funde, so sie denn etwas hergeben?
„interessante Idee“, da scheinbar schon Gedanken hinsichtlich einer möglichen Nutzung angestellt werden (wobei ich die Frage des Journalisten nicht kenne), obwohl angeblich noch gar nicht bekannt ist, was genau dort gefunden wurde/ wird.
Abgesehen davon fände ich eine wie auch immer geartete NS-Gedenkstätte auf dem WiWi-Campus (noch dazu in direkter Nachbarschaft zum AMS) nicht naheliegend.
In der heutigen Printausgabe der Siegener Zeitung findet sich ein überaus denkmalschutzkritischer, fast schon polemischer Leserbrief. Das Thema scheint zu interessieren …..
Ob sich hinter folgenden Archivalien die neuen Aktenfunde verbergen: LWL-Archivamt für Westfalen, Archiv LWL, C 711 (Landeskonservator) 1041, 305 Altakte – Unteres Schloß 1946 – 1977, 1925 – 1940?
Gab es kein Gestapo-Gefängnis im Unteren Schloss? Zumindestens schreibt dies die Siegener Zeitung in ihrer Samstagsausgabe. Zumindestens fanden sich im derzeitigen Bauzustand keine Spuren, ebenfalls nichts (zu und) in den neuen (!) Aktenfunden. Eine endgültige Stellungnahme der Denkmalpflege steht noch aus.
S.a. WP/R, 8.3.2013
Wenn sich nun ein Gestapo-Gefängnis im Unteren Schloss in Siegen nicht nachweisen lässt, so wäre doch eine Aufarbeitung der Geschichte des Gefängnisses sicherlich nicht uninteressant.
Hierzu müsste u. a. folgende Bestände des Landesarchivs NRW, Abt. Westfalen, in Münster sichern:
1) Q 901 Justizvollzugsamt Westfalen-Lippe, Hamm, 210 Archiveinheiten, Laufzeit: 1919-1996
Dieses Amt war für die Aufsicht, Verwaltung und Bewirtschaftung der Gefängnisse zuständig.
2) Q 925 Vollzugsverwaltung, 90 Archiveinheiten, Laufzeit, 1929-1950.
Im ITS Arolsen befindet sich in der Gruppe P.P. der Ordner 418 (Inv. 1892). Dieser enthält wohl Auszüge aus Haftbüchern des Landgerichtsgefängnis Siegen mit 1280 Namen.
Weitere Hinweise auf durchzusehende Bestände sind gerne willkommen.
Für eine Geschichte des Gefängnisses insgesamt müssen sicherlich auch die einschlägigen Archivalien in den Beständen „Kreis Siegen, Landratsamt“ und „Kreis Siegen, Landratsamt neu“ des Landesarchivs NRW, Abt. Westfalen, zu Rate gezogen werden.
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