siwiarchiv-Adventskalender 2016/11

200siwiZehnter Landrat des Kreises Siegen:
[Anm: Zum neunten Landrat des Kreises Siegen, Weihe, s. folgenden siwiarchiv-Eintrag]

1939-1940 Heinrich Josef Maria Johann Bernhard Jansen

• * 5.4.1876 in Lüdinghausen, gest. 16.9.1945 in Warburg
• Kath.
• Sohn eines Kaufmanns u. Ziegeleibesitzers
• Abitur 1897 am Gymnasium Coesfeld
• Studium an den Universitäten Innsbruck, Würzburg, Göttingen
• 4. Juli1900 Prüfung zum Gerichtsreferendar beim Oberlandesgericht Celle
• 22.11.1906 Prüfung zum Gerichtsassessor (30.11. Ernennung)
• 23.1.1907 Überweisung an des Amtsgericht Gerresheim
• 16.9.1908 Überweisung an das Amtsgericht Düsseldorf dabei gleichzeitig zur informatorischen Beschäftigung beim Landratsamt Düsseldorf tätig
• Parteizugehörigkeit: Zentrum
• Hauptmann, Batteriechef
• 10.9.1909 (komm., 6.5.1910 def. Ernennung) – 12.3.1936 Landrat in Brilon
• Rittergutsbesitzer Hoppecke bei Brilon: 1901 kaufte Jansen das Rittergut, gleichzeitig verkaufte er „zwar sehr feuchtes“ Baugelände für den Neubau einer Schule an die Gemeinde Hoppecke, 1905 Industrieansiedlung (Sprengstofffabriken) durch Geländebereitstellung, 1912 beantragte Jansen eine Fernsprechverbindung von Hoppecke nach Brilon, am 19.8.1912 bittet die Bezirksregierung um einen begründeten Antrag, da Jansen seinen Wohnsitz außerhalb der Kreisstadt Brilon hatte, benötigte J. eine ministerielle Genehmigung, J. verweist auf die „bessere Wohnung“ in Hoppecke (keine Miete, Privatauto vorhanden und somit in 10 min im Dienstzimmer), Antrag wurde stattgegeben, 1913 Bürgschaftsfall, weil Jansen für einen Schwager mit seinem Vermögen gebürgt hatte, musste er das Rittergut an den Stinnes-Konzern abtreten, 1928 bemühte er sich erfolgreich die Arbeitsplätze nach Stilllegung der Sprengstofffabriken zu retten; 1931 Einsatz für den Erhalte der Hoppecker Kirche als Denkmal [Straßenbebnnung im Baugebiet „Unter´m Hagen“]
• am 11. August 1914 als Oberleutnant der Reserve einberufen
• Stelbrink: ab 1909 LR in Brilon; schon im März 1933 hatte sich der ”Zentrumsmann” Jansen schwerer Vorwürfe der NSDAP zu erwehren gehabt. So ließ sich der KL denn auch im Mai 1933 vom GL versichern, daß Jansen bald abgelöst werde. RP v. Stockhausen stellte sich damals aber noch unerschrocken hinter seinen LR. Im Laufe der nächsten 2 Jahre wurde der KL immer wieder vergeblich beim GL wegen der Ablösung Jansens vorstellig, so daß sich unter den Nationalsozialisten Brilons allmählich eine beträchtliche Verbitterung breitmachte. Im Sommer 1935 war Jansen dann endgültig nicht mehr haltbar. Der stellv. GL Stürtz hielt den ”vollkommen kirchlich gebunden[en]” LR für ”längst überfällig” (zit. n. einem Schreiben an MdI 23.7.1935, GStA Bln Rep 77/ 4408). Der moderate StSek Grauert stimmte daraufhin trotz der ”vorzüglich[en]” Dienstführung Jansens seiner Ablösung zu (zit. n. einem Vermerk Grauerts vom 31.7.1935, ebd.).
• Richter (S. 220-221): „… In Brilon trat zunächst kein Wechsel ein, wenn dem dortigen Landrat Jansen auch schon im Mai 1933 auf Betreiben der örtlichen Parteileitung seine jährliche Aufwandsentschädigung von 3.600 auf 2.000 Mark zusammengestrichen worden war. Im Jahr 1935 werden aber die Eingaben des Kreisleiters, in denen er eine Absetzung des Landrats fordert, immer schärfer. Er betonte die ‚maßlose Erbitterung alter Parteigenossen‘ darüber, daß immer noch die alten Zentrumsführer als Bürgermeister und Landräte amtierten. Diese waren den Parteianhängern vor allem als Helfershelfer im Kampf gegen die Kirche ein Dorn im Auge. In ihrer Beseitigung sah der Kreisleiter vor allem einen siegreichen Schachzug gegen die ‚Schwarzen‘. Daher lautet ein Schlußabschnitt seines Schreibens an die Gauleitung im ‚Heumond‘ 1935: ‚Solche Herren, wieden Bischof von Galen und andere Dunkelmänner können wir nicht schärfer treffen, als wenn wir ihnen ihre Vertrauensmänner nehmen, welche heute noch in den Bürgermeister- und Landratsstellen sitzen. Alle Verfügungen von oben sind vollständig nutzlos, wenn ihre Durchführung von unten durch passive Resistenz sabotiert wird.‘ Recht ärgerlich mußte es für die Gener Jansens sein, daß das NS-Organ ‚Rote Erde‘ im Jahr 1934 als Jansen 25 Jahre Landrat im Kreis Brilon war, die Leistungen und die nationale Haltung des Landrates in den höchsten Tönen gelobt hatte. Diesen Artikel mit der Überschrift ‚Seine Arbeit galt dem Volk‘ fügte der Regierungspräsident in Arnsberg einem Bericht an den Innenminister bei, als er zu den Vorwürfen gegenüber dem als zu wenig nationalsozialistisch eingestuften Landrat Jansen Stellung nehmen mußte. Er regte an, daß Jansen beim Erreichen seines 60. Geburtstages im April 1936 verabschiedet werde. Die Personalakten vermerken ausdrücklich, daß Jansen abgelöst werde, weil die Partei in Brilon einen Nationalsozialisten zum Landrat haben wollte, sie fahren fort: “In seiner offenen charaktervollen Art hat Jansen von sich aus seine Zurruhesetzung beantragt.“ Da man ihm aber als ‚Persönlichkeit von nationalem Empfinden‘ noch eine gewissen Brauchbarkeit einräumte, wurde er angesichts der personellen Engpässe bei Kriegsausbruch 1939 vertretungsweise zunächst in Siegen und Berleburg, dann als Landrat in Meschede eingesetzt.“
• 30.4.1936/1.05.1936 im vorzeitigen Ruhestand (?):
• 1936 vertretungsweise LR in Wittgenstein
• ab 9/1939 stellv. LR in Siegen
• Feb. 1940 – 1942 zusätzlich vertretungsweise LR in Wittgenstein
• Ab 4/1940 Vertreter des LR in Wittgenstein und Meschede
• Für den Kreis Wittgenstein wurden im Sommer 1940 von der Gauleitung 2 Fachbeamte als Kandidaten für eine Wiederbesetzung präsentiert, die vom MdI jedoch nicht akzeptiert wurden. Statt dessen versah Jansen seine dortige Kriegsvertretung trotz gravierender gesundheitlicher Probleme bis 7/1942.
• Wohnort bis 1933: Hoppecke/Kr. Brilon, Warburg
• Provinziallandtag 1915-1920, 1924-1933 für den WK Brilon
• Vorsitzender des Provinziallandtags 1919-1920
• kein Mitglied der NSDAP
• NS-Juristenbund seit 9/1933, NSV seit 10/1933
• Mitglied: Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens e. V. Abt. Paderborn

Quellen:
Häming, Josef: Die Abgeordneten des Westfalenparlaments 1826–1978 (Westfälische Quellen und Archivverzeichnisse, Bd. 2), Münster 1978, S. 360 (Nr. 737)
Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Bd. 8: Westfalen, Marburg 1980, S. 304, 330-331
Lahme, Hugo: Das Rittergut verliert seine Bedeutung, in: Schützenbruderschaft St. Hubertus Hoppecke (Hrsg.): Hoppecke. Geschichte unseres Dorfes Bd. 2, Hoppecke 2003, S. 496-497.
Richter, Erika: Von der Kreisstube zum Dienstleistungszentrum. Landräte und Oberkreisdirektoren im Hochsauerland von 1817 – 1988. Hochsauerlandkreis Schriftenreihe Bd. 1, Fredeburg 1988, S. 56-57, 186, 198-199 (Bild), 220-221
Stelbrink, Wolfgang: Der preußische Landrat im Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Personal- und Verwaltungspolitik auf Landkreisebene, Münster u.a. 1998 (Internationale Hochschulschriften, 255), S. 427
Regionales Personenlexikon zum Nationalsozialismus in den Altkreisen Siegen und Wittgenstein, Eintrag Heinrich Jansen

Noch auswerten:
Wegmann, Dietrich: Die leitenden staatlichen Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815-1918, Münster 1969, S. 291-292, S. 298
Das Hochsauerland – 150 Jahre Landkreis Brilon, 1969, S. 29
Archiv LWL VerwaltungsA B 84-90, 97-107, 163, 169, C I 66, 67, C 10/11 Nr. 41, 43, 44, 49; PL-Protokolle 1915-1920, 1924-1933
LAV MS Oberpräsident 1273, 7293, 7431 Reg. Arnsberg Pers. Akte LR Heinrich Jansen
GStA Rep. 77 Nr. 4408, 4435, 4445
BA Ko R 36/ 46)
Bilder: Das Hochsauerland – 150 Jahre Landkreis Brilon, 1969, S. 29; Landesbildstelle III 15, 16

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