Am 9. Dezember wurde der Archivar und Landeshistoriker Prof. Dr. Wilhelm Kohl 100 Jahre alt. Auch heute noch hält er sich mit Arbeit fit – täglich erschließt er mindestens eine mittelalterliche Urkunde. Erst vor einem halben Jahr hat er als Autor landesgeschichtlicher Bücher und Aufsätze die Feder aus der Hand gelegt. Pünktlich zu seinem Geburtstag erscheint sein letzter Aufsatz über „Alte, verloren gegangene Epitaphien in Münster und Rheine“ im Druck.
Der 1913 in Magdeburg geborene Kohl studierte in Halle an der Saale und Göttingen Romanistik, Anglistik, Germanistik und Geschichte und schloss sein Studium zielstrebig nach nur acht Semestern mit dem Staatsexamen und der Promotion ab. Nach der Archivarsausbildung in Berlin-Dahlem erhielt er 1939 eine Anstellung am Staatsarchiv Münster, der heutigen Abteilung Westfalen des Landesarchivs NRW. 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen, aber 1941 nach Münster zurückbeordert, um als jüngster Archivar des höheren Dienstes die Auslagerung der Archivalien in über 30 Klöster, Bergwerke und Schulen in und außerhalb Westfalens zu organisieren. 1942 heiratete er Anna-Luise Preußker, die bis heute seine Arbeit maßgeblich unterstützt. Nach zwei Jahren an der Ostfront geriet Kohl von 1944 bis 1949 in Kriegsgefangenschaft, eine Zeit, die ihn tief geprägt hat.
Zurück am Staatsarchiv Münster begann seine Karriere als Archivar und als Landeshistoriker. Mit der Biographie Fürstbischof Christoph Bernhards von Galen (1650-1678) veröffentlichte er 1964 seine erste große Monographie, die pünktlich zu seinem 100. Geburtstag in digitaler Form bei der Historischen Kommission für Westfalen erscheint. Es folgte die Edition der schwedischen Korrespondenzen aus der Zeit der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1971 und 1994, die ihm 1996 die Verleihung des Komtur-Kreuzes des Königlich Schwedischen Nordstern-Ordens eintrug. Weit über 300 Bücher, Aufsätze und Lexikonartikel hat Kohl in über 60 Jahren verfasst. Von 1971 bis 1978 war er Leiter des Staatsarchivs Münster; in dieser Zeit entstand der noch heute so genannte Neubau des Staatsarchivs, der 1975 eingeweiht werden konnte. Als Herausgeber der dreibändigen „Westfälischen Geschichte“ 1982 bis 1984 setzte Kohl als Landeshistoriker Maßstäbe. Die bedeutendsten Früchte seines Schaffens sind aber die von ihm bearbeiteten Bände in der Reihe der „Germania Sacra“, die die grundlegenden Handbücher zur Kirchen-, Landes- und Verwaltungsgeschichte des Fürstbistums Münster darstellen und für die er, der Protestant, 2009 die Paulus-Plakette des Bistums Münster erhielt: Drei Bände erschließen die Geschichte des Domkapitels, vier Bände die der Diözese Münster. Darüber hinaus verfasste er umfangreiche Bände zu Klöstern und Stiften im Fürstbistum, darunter St. Mauritz und St. Aegidii in Münster. Ein Band über die Pfarreien des Oberstifts Münster aus seiner Feder erscheint demnächst im Druck.
Die wissenschaftliche Leistung Kohls spiegelt sich in seinem wissenschaftlichen Netzwerk. Von 1966 bis 1978 nahm er einen Lehrauftrag für westfälische Landesgeschichte an der Pädagogischen Hochschule in Münster wahr und wurde 1969 zum Honorarprofessor ernannt. Seit 1955 ordentliches Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen, war er von 1970 bis 1986 deren Vorsitzender. Er arbeitete Jahrzehnte im Vorstand des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abt. Münster, und im Verein für westfälische Kirchengeschichte mit und wurde 1978, im Jahr seiner Pensionierung als leitender Staatsarchivdirektor, in die Preußische Historische Kommission und in die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen berufen. Überhaupt bedeutete die Verabschiedung in den Ruhestand lediglich eine kleine Verlagerung der Tätigkeiten Kohls, denn er übernahm von 1978 bis 2004 die Leitung des Universitätsarchivs Münster. In diese Zeit fällt ein maßgeblicher Ausbau des Universitätsarchivs, der vor allem in der Einrichtung fester Mitarbeiterstellen und im Umzug auf den für mehrere Hochschulen neu eingerichteten Leonardo-Campus bestand. Noch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Universitätsarchivars erschien 2008 eine Matrikeledition für die erste Universität Münster 1780 bis 1818, die mit den Lebensläufen der damaligen Studierenden angereichert ist.
Sein ungewöhnliches Engagement trug ihm zahlreiche Ehrungen ein, darunter das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland 1982 und den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen 1990. Besonders gefreut hat ihn selbst die Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 1989, der er sich seit Studienzeiten verbunden fühlt.
Zwei Festschriften hat Kohl 1979 und 1998 bereits erhalten. Zum 100. Geburtstag widmet der Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens ihm den 163. Band der „Westfälischen Zeitschrift“ und ehrt damit einen Landeshistoriker von besonderem Format.
Das Ehepaar Kohl hatte zu einem Empfang mit etwa 50 Freunden, Weggefährten und Kollegen eingeladen. Dr. Mechthild Black-Veltrup, Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, würdigte den Jubilar in einer sehr persönlichen Ansprache, der sich eine Dankesrede von Professor Kohl anschloss. Abgerundet wurde die Veranstaltung von einer musikalischen Darbietung von Dr. Claudia Korsmeier und Dr. Leopold Schütte.
Die VdA-Vorsitzende Dr. Irmgard Christa Becker gratulierte dem derzeit ältesten Verbandsmitglied sehr herzlich in einem Geburtstagsbrief, die erste stellvertretende VdA-Vorsitzende Dr. Sabine Happ überbrachte in Münster die Glück- und Segenswünsche des Verbandes persönlich.
Quellen:
1) Portal „Archive in Nordrhein-Westfalen“
2) VdA, 10.12.2013