„Das Volk“ ist eine WochenzZeitung, die zwischen 1889 und 1941 in Siegen erschien. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv [Siegen] konnten wir jetzt in das Portal Direktdigitalisate der Jahre 1891 bis 1941 einbringen. Im Mai 1941 musste die Zeitung ihr Erscheinen infolge des Zweiten Weltkrieges einstellen.
Online: Siegener Wochenzeitung „Das Volk“ (1891-1941)
In zeit.punktNRW ist die Zeitung hier zu finden:
“
Quelle: zeit.punkt nrw, Facebook, Eintrag, 5.3.2022
„Das Volk“ war bis auf ein paar Jahr nach der Machtübergabe keine Wochen-, sondern ein Tageszeitung. Sie hatte ein klares politisches Profil, denn sie war immer das Organ der sog. „Stoecker-Bewegung“, sprich der antisemitischen Christlich-Sozialen innerhalb des deutschnational-konservativen Meinungsspektrums. Das sollte, wie ich meine, durchaus in einem solchen Hinweis einen Platz haben. Dass die Einstellung des Blatts „infolge des Zweiten Weltkriegs“ geschah, ist eine unbelegte Vermutung. Kriegsereignisse waren 1941 an der Heimatfront noch nicht zu konstatieren. Die Gründe liegen im Dunkel. Plausibel wäre, dass Ressourcen eingespart werden konnten, nachdem mit der „Siegener Zeitung“ und der „National-Zeitung“ bereits zwei Blätter mit Nazi-Inhalt im Einvernehmen ihrer beider Verlage im Siegerland existierten und ein drittes Propagandaorgan überflüssig war, zumal viele der vormaligen Leser sich inzwischen in die NS-Organisationen eingegliedert hatte.
Um die Feststellung, dass „Das Volk“ einen aggressiv antisemitischen Kurs vertrat, zu veranschaulichen der Einfachheit halber einige Beispiele aus den Beiträgen des Stammautors Jakob Henrich („Bergfrieder“, Straßennamenstifter). Ich entnahm sie meinem Buch „Mit Scheibenklirren und Johlen“. Juden und Volksgemeinschaft, Siegen 2009, S. 58. Die Belegstellen sind den dortigen Fußnoten zu entnehmen:
„Seine Eltern hätten ihm, klagte er [= Jakob Henrich], einen „verworfenen Namen angehängt“. Der sei der Namensstifter „jener Erzvater der Juden“, der „geschäftelte wie ein Handelsmann“, wie es in der abwertenden Anspielung vom „wahren Jakob“ zum Ausdruck komme. Henrich schrieb als „Bergfrieder“ eine wöchentliche heimatschwärmerische politische Kolumne in Das Volk, nie ohne antisemitische Akzente. Für Henrich war eine Tagung der Nationalsozialisten „vom 15.-17. Ernting d. J.“ 1925 ein Lichtblick, weil sie alkohol- und nikotinfrei abgehalten worden sei. „Denn“ – er zitierte zustimmend die Begründung – „für Ahasver (den ewigen Juden!) sind die Rauch- und Rauschgifte nur Mittel zum Zweck, um die feinsten Nerven und den Willen der Wirtsvölker zu töten und die Betäubung ganz zu fesseln.“ Er ruhte nicht, das „verderbliche Treiben des jüdischen und verjudeten Linksertums“ anzuprangern, wandte sich gegen den Einfluss der „jüdisch vergifteten“ Arbeiterbewegung oder gegen die „Ueberfremdung deutschen Besitzes und deutschen Geistes und Blutes“ – selbstredend vornehmlich durch jüdischen übermächtigen Einfluss.“
Danke für die Präzisierung! Ich hatte lediglich die späteren Jahrgänge aufgerufen. Mir scheint die Geschichte des Blattes durchaus näher betrachtenswert, denn die ersten Jahrgänge erschienen nicht nur als Tageszeitung, sondern auch noch in Berlin. Später übernahm der Hagener Verleger Otto Rippel das Blatt und die Zeitung erschien in Siegen.
Zu Jakob Henrich s. a. https://www.siwiarchiv.de/heute-vor-160-jahren-jakob-henrich-geboren/
Ja, die Zeitung war seit Anbeginn das Zentralorgan dieser „Christlich-Sozialen“, die ja in den von ihnen vertretenen völkischen Inhalten über den Antisemitismus weit hinaus und auch als „Bewegung“, als die sie sich betrachteten, als Vorläufer der NS-Bewegung einzuordnen wären.
Wenig bekannt, aber bemerkenswert: Schon in den 1920er Jahren forderten sie „Konzentrationslager“ für „Ostjuden“. So in „Das Volk“ nachzulesen.
Rippel gehörte nach 1945 übrigens zu den Gründern der CDU.
Ich habe einmal das regionale Personenlexikon nach der Mitgliedschaft Christlich-Sozialen Volksdienst (bzw. EVD) durchsucht. Das Ergebnis lautet: Ernst Bach, Friedrich Barth, Otto Beckmann, Karl Bender, Hermann Böcking, Jakob Böcking, Karl Böcking, Karl Breitenbach, Robert Eliseit, Paul Fay, Wilhelm Fischbach II, Alfred Flender, Robert Flender, Rudolf Flender, Rudolf Flender, Rudolf Gädeke, Walter Heide, Friedrich Wilhelm Heider sen, Jakob Henrich, Alexander Hirschfeld, Oskar Höfer, Karl Hofmann, Otto Klein, Otto Marx, Bernhard Meuser, Albert Münker, Friedrich „Fritz“ Münker, Walter Nehm, Friedrich Ohrndorf, Artur Reiffenrath, Hermann Reuter, Otto Rippel, Friedrich Wilhelm Roth, Ewald Sahm, Heinrich Schäfer, Paul Schmidt, Wilhelm Schütz, (Theodor Siebel), Wilhelm Spies, Theodor „Theo“ Steinbrück, Gustav Strackbein, Albert Vogel, Ernst Weißelberg. Lehrer Fabrikanten, Geistliche, Verwaltungsbeamte, Medienvertreter, …. – eine interessante Gruppe. Daher ist die Online-Verfügbarkeit der Zeitung „Das Volk“ so wichtig.
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