Drei Ausgaben des zweiten Jahrgangs (1847) der Beilage des Intelligenz-Blattes für die Kreise Siegen und Wittgenstein und Altenkirchen sind online einsehbar.
Die Siegener Zeitung schreibt zum vorläufigen Ende der Beilage: “ …. „Karnevals-Zeitung“ aus der Druckerei Vorländer
Dem Zensor des „Intelligenz-Blatts“, Landrat Arnold Ludwig von Holtzbrinck, flatterte Anfang März 1847 ein anderes Produkt der Druckerei Vorländer auf den Schreibtisch: eine neue Ausgabe der „Karnevals-Zeitung“. Das kleinformatige, acht bis zwölfseitige Blättchen war das Sprachrohr eines Grüppchens junger Burschen, die im Jahr zuvor Gefallen an der Gründung einer kleinen Karnevalsgesellschaft gefunden hatten. Sie stammten aus den angesehensten Familien der Stadt (wie Achenbach, Börner, Oechelhäuser), hatten höhere Bildung genossen und steckten voll jugendlichem Überschwang.
Was war los in der Stadt?
In ihrer „Karnevals-Zeitung“ spießten sie aktuelle städtische Ereignisse auf, und zwar in humorvoller, manchmal knapp an der Zensurgrenze navigierender Weise. Aus der Stadt Siegen wurde „Purzelpichelhausen“, wo stets „drei Schnüffler auf der Frankfurter Chaussee vigilieren“ … Solche und ähnliche Vorfälle gab es in der Stadt, „beim Barte des Ministers Purzpichler sei‘s geschworen“ – womit wohl der Bürgermeister gemeint war. Das Blättchen war voller kryptischer und spöttischer Anspielungen und genoss, aufgrund der gutbürgerlichen Herkunft seiner Redakteure, ein gewisses Maß an sprichwörtlicher Narrenfreiheit.
Der Zensor kommt …
Damit war es im März 1847 dann aber vorbei. Landrat Holtzbrinck bestellte den Verleger Wilhelm Vorländer in sein Büro im Oberen Schloss ein und verlangte Auskunft darüber, wie und warum sich das Wort „Fischgeräthe“ (so hatte es noch in der ihm zur Zensur vorgelegten Druckfahne gestanden) in einem Teil der Ausgabe der „Karnevals-Zeitung“ in das Wort „Hirschgeweih“ hatte verwandeln können.
Der Leiter des Siegener Kirchenkreises, Superintendent Johann Friedrich Bender, hatte den Landrat auf diesen aus moralischer Sicht damals höchst anzüglichen Begriff hingewiesen. Da er zusammen mit „einer bekannten Federfehde“ Erwähnung fand, konnte er noch dazu auf bestimmte Personen bezogen werden. Es gab einen öffentlichen Eklat und vorerst keine „Karnevals-Zeitung“ mehr. ….“
Quelle: Siegener Zeitung, 9.11.2023
Zur Entwicklung des Zeitungswesens im Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein im 19. Jahrhundert s. Dieter Pfau/Elisabeth Strautz: Zeitspuren in Siegerland und Wittgenstein im preußischen 19. Jahrhundert. Teilband 1: An der Schwelle zur Industrialisierung 1815-1848, Siegen 2023, S. 253 – 266, s. dort S. 262
Zum regionalen Karneval s. a. auf siwiarchiv:
– Karneval im Siegerland im 19. Jahrhundert
– Linktipp zur integrativen Wirkung des Karnevals im Siegerland