Sozialräumliche Entwicklung des Siegerlandes seit der Mitte des 19. Jahrhunderts: Sozialgeographische Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der Veränderungen sozialer Kommunikationsnetze (Heiratsverflechtungen) (Bonn 1977)
„Die vorliegende Dissertation sucht – anhand von Heiratsverflechtungen – die historischen und sozialen Wurzeln räumlichen Verhaltens sowie dessen Veränderlichkeit und Konsistenz seit dem Beginn der „modernen“ Industrialisierung aufzuzeigen, welche im „Siegerland11 um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte. In drei ausgewählten Zeiträumen (1855/59, 1895/96 und 1970) sollen die Wechselbeziehungen sozialstruktureller und sozialkommunikativer Faktoren analysiert werden.
Durch die Gegenüberstellung struktureller und dynamischer Merkmale soll der Versuch einer möglichst umfassenden Darstellung sozialräumlichen Geschehens unternommen werden, mit dem Ziel, nicht lediglich „soziale Topographie“ (d.h. Verortung sozialer Merkmale) zu betreiben, sondern die Kräfte des sozialen räumlichen Zusammenhalts offenzulegen. Aufgabe ist also nicht die Darlegung einzelner Schichten in ihrer chronologischen Abfolge, sondern die Aufspürung bewußter oder unbewußter überlieferter und verinnerlichter räumlicher Verhaltensmuster und deren sozialökonomischer Eingebundenheit und Wandelbarkeit in ihrer Gültigkeit bis in die Gegenwart.
Als einziges verfügbares, gleichermaßen bewertbares Untersuchungsmerkmal konnten daher nur Heiratsbeziehungen gelten, die anhand von Kirchenbüchern und Standesamtsunterlagen (seit 1874 bestehend) erhoben wurden.
Die durch die Industrialisierung eingetretenen Wandlungen der Erwerbsstruktur, der Konfessionalität, der Familienkohärenz, der Bildung und Ausbildung, sowie der Kommunikationsbedingungen und -notwendigkeiten wurden als wesentliche Impulse zur Veränderung der räumlich-distanziellen Gegebenheiten der Heiratsbeziehungen erkannt.
Mit Hilfe einer Faktorenanalyse konnte schließlich das „Siegerland“ zu den ausgewählten Zeiträumen nach Heiratsverflechtungsbereichen gleicher Herkunfts- und Zielstruktur auf der Grundlage der Herkunftsorte von Braut und Bräutigam untergliedert werden. Die Konstanz bzw. Veränderlichkeit dieser kleinräumlichen Gliederungseinheiten zeigte eine ausgeprägte Anlehnung an lokale Sozialstrukturen und geschichtliche Bedingtheiten. Dieses Urteil bestätigt sich ebenso für die Analyse der Heiratsbeziehungen der „Siegerländer“ mit den umliegenden Gebieten, deren Begrenzung gleichfalls in hohem·Maße geschichtliche und soziale Sonderbedingungen erfüllt.“