Nach fünf Monaten war es endlich so weit: Der Nachbau eines keltischen Verhüttungsofens, wie ihn die Siegerländer vor über 2.000 Jahren benutzt haben, um Erz zu Eisen zu verarbeiten, ging in Betrieb. Damit gelingt einer Forschergruppe mit Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) etwas Neues: ein funktionierender Nachbau des größten Brennofens seiner Epoche in Europa entstand im LWL-Freilichtmuseum Hagen.
Vor über 2.000 Jahren produzierten keltische Spezialisten in sogenannten Rennöfen große Mengen Stahl. Das belegen zahlreiche archäologische Ausgrabungen und Untersuchungen von Rückständen der Metallverarbeitung. Unbekannt blieb jedoch bisher, wie diese Öfen gebaut, womit sie befeuert wurden und wie die Verhüttung ablief.
Diesen Fragen geht seit Anfang des Jahres eine Kooperation aus LWL-Archäologie für Westfalen, Deutschem Bergbau-Museum Bochum, LWL-Freilichtmuseum Hagen, Ruhr-Universität Bochum und Römisch-Germanischem Zentralmuseum Mainz nach. Erste Ergebnisse des archäologischen Experiments liegen jetzt vor.
„Keine der bisherigen Theorien zur keltischen Eisenverhüttung ließ Rückschlüsse auf den enormen logistischen Aufwand des Ofenbaus und den immensen Materialverbrauch sowohl beim Bau als auch bei der Verhüttung zu“, erklärt Dr. Manuel Zeiler, LWL-Archäologe und Leiter des Experiments. „War bereits vor dem Experiment durch die Analyse der eisenzeitlichen Schlacken klar, dass es im Siegerland eine große Eisenproduktion gab, offenbarte das Experiment, wie umfassend und großflächig der Eingriff der keltischen Hüttenleute in den Naturraum gewesen sein muss“, so Zeiler.
Dabei hielten sich die Forscher auf dem Gelände des LWL-Freilichtmuseums Hagen, wo das Experiment stattfand, genau an die Vorgaben, die archäologische Ausgrabungen dokumentiert hatten. „Die ungewöhnliche Birnenform und das große Volumen des Ofens stellten eine große technische Herausforderung für uns dar“, erklärt Zeiler. Der Bau des Ofens bewies nicht nur das große keltische Know-How im Lehmbau, sondern zeigte erstmals auf, dass zum Bau allein eines Osofens drei bis vier Tonnen Baumaterial nötig waren. Ein Drittel der Baustoffe musste aus teilweise 20 Kilometern Entfernung beschafft werden.
Nachdem der Bau des Ofens bewerkstelligt war, führten die Forscher eine Woche lang zwei mehrtägige Verhüttungsexperimente durch. Auch hierarbeiteten sie streng nach den archäologischen Vorbildern, und die große Brennanlage wurde nicht mit Holzkohle, sondern mit Holz befeuert: „Da für das eisenzeitliche Siegerland keine Meiler nachgewiesen sind, also Öfen, in denen Holz zu Holzkohle verkohlt werden konnte, testeten wir den Rennofen selbst als Meiler“, erklärt Dr. Jennifer Garner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Bergbau-Museums Bochum.
Bei beiden Verhüttungsexperimenten wurden jeweils mindestens 200 Kilogramm Erz und insgesamt rund 10 Festmeter Holz eingefüllt. Das Erz konnten die Forscher teilweise schmelzen und daraus in mehreren Schritten Eisen gewinnen. „Das Resultat war nicht nur ein großer Schlackenklumpen, sondern auch ein wenig Stahl – ein Beweis dafür, dass der Experimentaufbau den eisenzeitlichen Umwandlungsprozess in Teilen rekonstruieren konnte“, erklärt Garner.
Für die Forschungskooperation ist dieses Ergebnis ein Erfolg: „Es belegt, dass Holz und eben nicht nur Holzkohle ein geeigneter Brennstoff für die Verhüttung ist“, erklärt Zeiler. Ein wichtiges Ergebnis sei aber auch, dass das Experiment nicht annähernd die Mengen an Stahl produziert habe, wie durch die Analysen von eisenzeitlichen Schlacken zu erwarten gewesen sei.
Offenbar herrschten nicht in allen Teilen des Ofens optimale Bedingungen. Zeiler: „Zwei archäologische Experimente mit dieser komplexen Brennanlage reichen natürlich nicht aus, um die jahrhundertelange Erfahrung der keltischen Hüttenleute zu rekonstruieren.“
An das Experiment schließt sich nun die umfangreiche Auswertung der Daten an: Nicht nur der gewonnene Stahl und die Schlacke werden analysiert, auch die Messung von Temperaturen und Abgasen in verschiedenen Bereichen des Ofens müssen ausgewertet werden. „Insgesamt sind wir stolz darauf, dieses Mammutprojekt gemeinsam bewerkstelligt zu haben. Es hat schon jetzt grundlegend neue Erkenntnisse zur Montanlandschaft im Siegerland gebracht“, erklärt Zeiler.
Weitere Informationen
Der LWL bietet in einem Blog zahlreiche Berichte zum Projekt:
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/werl_lyggengraben/experiment-teil-5/experiment-7
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/experiment-teil-6
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/werl_lyggengraben/experiment-teil-5
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/experiment-4
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/achtung-experiment-3
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/achtung-experiment-teil-2
– https://www.lwl-archaeologie.de/blog/experiment-eisenzeit
Anlässlich dieser sogenannten „kleinen wissenschaftlichen Sensation“ wäre eine Erinnerung an die schon früher in Fellinghausen durchgeführten analogen Experimente nicht verkehrt. Siehe dazu die detaillierten Ausführungen von Alfred Becker:
http://siegerlaender-hauberg.info/index.php/lateneofen
Wir sollten wohl auch den „Pionier“ der Siegerländer Verhüttungsexperimente nicht unerwähnt lassen: Otto Krasa – s. http://www.siwiarchiv.de/?p=9762 .
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