Die ersten demokratischen Kommunalwahlen in Westfalen und Lippe 1919″
Münster 2019, 248 S.
ISBN 978-3-87023-440-9
„Die ersten Kommunalwahlen nach demokratischem Wahlrecht bewegten im Februar und März 1919 viele Menschen in der Provinz Westfalen und in Lippe. Sie engagierten sich in Parteien und lokalen Wählerlisten und beendeten die Dominanz der alten Eliten. Frauen konnten erstmals über die Zusammensetzung der Gemeinderäte mitentscheiden. Damit hatten diese Wählerinnen und Wähler großen Anteil am demokratischen Aufbruch in der Weimarer Republik.
Wilfried Reininghaus dokumentiert die Wahlen in rund 600 Städten und Gemeinden. Sämtliche Großstädte werden ebenso untersucht wie die kleineren und mittleren Städte und eine Auswahl von Landgemeinden. Eine zusammenfassende Analyse geht dem Wahlerfolg der einzelnen Parteien und Interessengruppen nach und zeigt, welche Rolle die sozialen Schichten und Berufe in den Stadt- und Gemeinderäten spielten.“
Quelle: Verlagswerbung
Danke für den Hinweis auf das Buch von Wilfried Reininghaus zu den ersten Kommunalwahlen in Westfalen und in Lippe nach dem Untergang des Kaiserrreichs.
Leider suggeriert der Begleit(Klappen-?)text, diese Wahlen hätten „die Dominanz der alten Eliten“ beendet. Das dürfte auch für Westfalen-Lippe nicht gelten.
Die Ansetzung dieser Wahlen durch die SPD-geführte Reichsregierung waren eins der Mittel gewesen, mit denen die Revolution vorzeitig, nämlich vor der „Entmachtung der alten Eliten“, beendet wurde. Ein anderes Mittel war der Einsatz rechtsextremistischer (hier ist das Wort absolut am Platz) Freiwilligen-Regimenter nach dem bekannten Befehl von SPD-Wehrminister Noske gewesen. In diesen Kontext gehört dann etwa die Massenerschießung von Angehörigen der Volksmarinedivision 1919 durch den späteren Wittgensteiner Landrat Otto Marloh (hauptverantwortlich für die Deportation der Wittgensteiner Sinti-Nachfahren nach Auschwitz).
Das Siegerland und Wittgenstein sind ein ausgezeichnetes Beispiel für die Kontinuität der Altstrukturen in Politik, Militär/Militärtraditionen, Verwaltung, Rechtsprechung und weiten anderen Bereichen der Gesellschaft.
Ich erinnere an die Kontinuität der antisemitischen, generell fremdenfeindlichen, militaristischen und extrem antilinken Christlich-Sozialen in der Gestalt der DNVP im Siegerland und in Wittgenstein nach dem Ende der kaiserlichen Herrlichkeit und an deren Radikalisierung und das Überwechseln ihrer Wähler und eines Teils ihrer Funktionsträger zur NSDAP seit Ende der 1920er Jahre.
Statt eines möglicherweise 1919 ins Haus stehenden Bürgerkriegs folgte ein zielgerichtet vorbereiteter Weltkrieg. Und es folgten die ebenso zielgerichtet vorgenommenen faschistischen Massenverbrechen.
Es bleibt m. E. bei den Schlussfolgerungen, zu denen eine Mehrzahl der Historiker in Betrachtung der „Eliten“kontinuität in den vergangenen Jahrzehnten kam. Dazu nur drei Stimmen:
Sebastian Haffner:
„Die deutsche Revolution von 1918 war eine sozialdemokratische Revolution, die von den sozialdemokratischen Führern niedergeschlagen wurde – ein Vorgang, der in der Weltgeschichte kaum seinesgleichen hat.“ (1969)
Reinhard Rürup:
„Das Selbstverständnis der Weimarer Republik und ihrer Träger gründete sich nicht auf die Revolution, sondern auf deren Überwindung. Nicht nur die bürgerlich-demokratischen Kräfte, sondern auch die Sozialdemokraten distanzierten sich sehr rasch und eindeutig von der Revolution.“ (1993)
Joachim Käppner:
„Totenklage auf alles, was in Deutschland hätte sein können und niemals sein durfte: Hätte die Ebert-SPD die Massenbewegung genutzt, statt sie zu fürchten, das alte Militär zum Teufel gejagt, statt sich mit ihm zu verbünden, wäre die Republik 1933 wahrscheinlich nicht untergegangen oder wenigstens nicht den Nazis in die Hände gefallen – so der Gedankengang Haffners, und seiner Logik kann man sich schwer verschließen.“ (2018)
Danke für die Vorab“besprechung“! Es handelt sich sowohl um die Anzeige auf der Seite des herausgegenenden Verlags (s. Quellenagabe), als auch um den Klappentext.
Übrigens: ein Blick in die Literaturliste zeigt, dass die angegebenen Werke zur Geschichte der Weimarer Republik wohl nicht herangezogen wurden.
Klingt also so, als wäre eine ausführliche Rezension eine gute Idee.
„Die Ansetzung der Wahlen“: missverständlich. Muss natürlich heißen „Die Ansetzung von Wahlen“, also zuallererst von Wahlen zu einer „Nationalversammlung“, die die inzwischen von den Arbeitern selbstorganisierten Strukturen vor allem in den Betrieben, die auch die Alteigentumsverhältnisse zugunsten einer Neuordung infrage stellten, entlegitimieren und beseitigen sollte. Da war dann der Kniff mit den Wahlen nicht ganz erfolgreich. Es gibt immer noch Betriebsräte.