Beiträge zur Geschichte der Stadt Betzdorf aus der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Neue Quellen – neue Forschungen, Betzdorf 2023.
Die Stadt Betzdorf hat eine interessante, sehr abwechslungsreiche Vergangenheit – mit vielen Höhen und Tiefen. In einem überschwänglichen Beitrag, der 1927 in einer Werbebeilage der Betzdorfer Zeitung erschien, ist die rasante Entwicklung vom kleinen, unscheinbaren Dorf zum bedeutendsten Eisenbahnknotenpunkt des rechtsrheinischen Schiefergebirges mit dem Aufschwung einer „Stadt des amerikanischen Westens“ verglichen worden. So übertrieben und lokalpatriotisch gefärbt eine solche Aussage auch sein mag, so unvergleichlich weit und breit war das Bevölkerungswachstum Betzdorfs durch Zuwanderung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dieser Aufschwung – wenn auch deutlich abgeschwächt – hielt sogar in den Zwanziger Jahren an, als das Eisenbahn-Ausbesserungswerk und die Waggonfabrik Gebr. Ermert ihre Pforten schlossen, die beide hunderten Menschen Arbeit und Brot gegeben hatten. Die Siedlung am Zusammenfluss von Sieg und Heller war seit den späten 1870er Jahren zur größten Siedlung des Kreises Altenkirchen herangewachsen und ist dies – trotz einiger Rückschläge – mit Fortune bis heute geblieben.
Bevor die drei Kapitel dieser Publikation kurz vorgestellt werden, seien ein paar grundlegende Bemerkungen erlaubt: Jede Generation richtet neue Fragen an die Vergangenheit – und gelangt zu neuen Antworten. Auch bei erneuter Befragung bereits bekannter Quellen kann man zu neuen Einsichten gelangen. Vergangene Zeiten werden immer wieder neu bewertet oder interpretiert. Auch gibt es gelegentlich Funde von Quellen, die bislang unbekannt oder in Vergessenheit geraten waren. Das führt unweigerlich zu einer erneuten Beschäftigung mit eben jenem Betzdorf, dessen Vergangenheit doch schon so gut erforscht schien. So zumindest ist es dem Autor dieser Schrift ergangen, als er Schrift- und Bildquellen fand, die teils unbekannt, teils im Bewusstsein nicht mehr existent waren. Sie hatten sich im – krankheitsbedingt leider dezimierten – Nachlass seines Vaters Helmuth Bartolosch (1913-2001) an versteckter Stelle befunden.
Der erste der drei Beiträge vorliegender Schrift befasst sich mit der ältesten bekannten Darstellung der Vergangenheit Betzdorfs. Sie stammt aus der Feder des Dipl.-Ing. Paul Breidenbach aus Hannover – ein gebürtiger Betzdorfer. Das Ergebnis der frühen Forschungen Breidenbachs erschien 1910 in der örtlichen Betzdorfer Zeitung, also noch in der Zeit des Kaiserreichs – wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Der Aufsatz, der hier in voller Länge wiedergegeben wird, stellt nicht nur eine recht frühe, bisher unbekannte Bemühung um die Aufarbeitung der Vergangenheit Betzdorfs dar. Bei der Darstellung handelt es sich zugleich um eine wertvolle Quelle zur frühen historischen Forschung im Grenzgebiet von Siegerland und Westerwald. Ältere Darstellungen sind eben durchaus auch als Quelle zu verstehen, wenn sie uns etwas zur historischen Arbeit früherer Generationen sagen. Der Beitrag Breidenbachs stammt aus einer Zeit, in der manche Behauptung im Raume stand, die bei näherer Betrachtung nicht haltbar war und im Kontext des heutigen Wissenstandes völlig überholt ist. Aber genau darin liegt der Reiz der zeitgenössischen Betrachtung der Vergangenheit Betzdorfs.
Der zweite Beitrag bietet einen Blick in die Zeit der Zwanziger Jahre in Betzdorf – die Zeit der Weimarer Republik. Erneut wird hier eine zeitgenössische Quelle aufgegriffen: Ausgehend vom Ende des Jahres 1929 – dem Beginn der Weltwirtschaftskrise – wird darin auf die vergangenen zehn Jahre zurückgeblickt. Der Aufsatz ist wie ein Spaziergang durch Betzdorf angelegt und erschien als Sonderbeilage der Betzdorfer Zeitung. Inhaltlich geht es weniger um Kontinuitäten und Wandel bzw. Veränderungen der politischen Verhältnisse im Betzdorf jener Zeit, sondern darum, was an neuen Gebäuden und Einrichtungen in Betzdorf seit Ende des Ersten Weltkrieges entstanden war. Es war die Zeit des hauptamtlichen Bürgermeisters Otto Hanstein, von dem man bisher wenig wusste, obwohl sich seine „Leistungsbilanz“ blicken lassen kann. Die Darstellung kann leider keinem Autor zugeschrieben werden. Sie hat insofern ihren besonderen Charme, als dass sie mit Zeichnungen eines – gleichfalls unbekannten – Künstlers namens Fluhr illustriert wurde. Diese ansprechend gestalteten, skizzenartigen Bilder sind wiederum ein Produkt ihrer Zeit. Sie werden hier erstmals erneut komplett gezeigt.
Beim dritten und letzten Beitrag geht es um das Ende der Betzdorfer Zeitung im Jahr 1935. Die Nationalsozialisten bekämpften das Blatt und seinen politisch stramm rechtsstehenden, deutschnational orientierten Verleger Ernst August Böckelmann, der die Welt nicht mehr verstand, als die neuen Machthaber ihn hinterlistig in den Ruin trieben. Sein Betrieb mit Verlag und Druckerei geriet in Schieflage, weil die Nationalsozialisten mit ihrer Parteizeitung „Volkswacht“ ein Konkurrenzprodukt auf den Markt brachten, das entsprechend gefördert wurde und weite Verbreitung fand – zulasten der Betzdorfer Zeitung. Die Kreissparkasse Altenkirchen, von den neuen Machthabern vereinnahmt und instrumentalisiert, kündigte Böckelmann schließlich die Kredite. Sein Unternehmen geriet in die Insolvenz, d.h. es ging in Konkurs. Und das geschah, obwohl sich Böckelmann als Vorreiter des „neuen“ Deutschland in der Region sah. – Der Beitrag revidiert eine ältere Darstellung des Niedergangs der traditionsreichen Betzdorfer Zeitung, die immerhin 45 Jahre bestanden hatte. Es war eben nicht die desolate Betriebsführung des Verlegers, die zum „Aus“ führte. Das Ende der Zeitung hatte vielmehr andere – politische – Gründe. Böckelmann wurde sogar einmal von der Gestapo beschattet. Mehr soll hier aber nicht verraten werden.
Alle drei Beiträge – wie auch der umfangreiche Anhang – haben etwas mit der Betzdorfer Zeitung zu tun. Sie bildet quasi eine Art Klammer der Publikation, obwohl alle drei Beiträge – wie auch die drei Teile des Anhangs – für sich stehen und auch für sich gelesen oder studiert werden können. Den Rezipienten – den werten Lesern – sei viel Spaß bei der Lektüre gewünscht, auch manche neue Einsicht. Wie heißt es – geradezu euphorisch – in einer der neu erschlossenen Quellen: „Ein Glückauf der Zukunft Betzdorfs …“
Quwelle: Pressemitteilung des Autoren