Literatur: „Gender im Pietismus“

genderimpietismusEin Tagungsband mit Wittgenstein-Bezug.

Mit der Frage nach den Verflechtungszusammenhängen von Geschlechterkonstruktionen und Netzwerkbildung sowie -handeln wird ein neues Forschungsfeld für eine genderorientierte Pietismusforschung erschlossen. Der Prägung pietistischer Gender-Identitäten und -Rollen durch soziale und mediale Netzwerke und vice versa der genderabhängigen Formung der Strukturen und Inhalte dieser Netzwerke wird anhand von fünf Themengebieten nachgegangen: Transgression und Neudefinition von Geschlechterrollen in Netzwerken; religiös-kultureller Transfer und Netzwerkbildung; Geschlecht, Adel und Netzwerk; Geschlechter-praktiken sowie Textproduktion und -rezeption im Netzwerk.
Dabei wird ersichtlich, dass die historisch-systematische Analyse der intersektionellen Wirkmechanismen im Hinblick auf Frömmigkeitskonzeptionen und Handlungsräume nicht nur zu einer deutlicheren Konturierung von Frauen als Akteurinnen des Pietismus führt, sondern dass diese Analyse auch neue Einblicke in die performative Herstellung von Pietismus als Praxis und Selbstdeutungsentwurf gewährt. Der historische Untersuchungsschwerpunkt liegt auf der enthusiastischen Formierungs- und der kirchlich-strukturellen Konsolidierungsphase des Pie-tismus gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert.
Der Kirchenhistoriker Ulf Lückel (Marburg) porträtiert Gräfin Hedwig Sophie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1669-1738), welche nach dem Tod ihres Mannes in vormundschaftlicher Regierung für ihren Sohn Casimir (1687-1741) im Jahr 1694 zur alleinigen Regentin des kleinen Immunitätsstaates Berleburg wurde, den sie zum „Anlaufzentrum“ des frühen Radikalpietismus ausbaute. Mit Berufung auf das in Hebr 13 (vgl. Gen 14, 18-20) formulierte Konzept des Melchisedekischen Priestertums wurden Ostern 1700 etwa fünfzig Personen zu Priesterinnen und Priestern eingesegnet. Den als skandalös empfundenen Zuständen wurde durch eine Armee unter Führung Graf Rudolfs zur Lippe-Brake ein Ende gesetzt. Ab 1712 regierte Casimir die verschuldete Grafschaft; Hedwig Sophie zog sich auf ihren Witwensitz zurück.

Bibliographische Angaben:
Gender im Pietismus. Netzwerke und Geschlechterkonstruktionen.
Hrsg. von Pia Schmid in Zusammenarbeit mit Ruth Albrecht, Ulrike Gleixner, Eva Kormann, Katja Lißmann und Christian Soboth. Halle 2015 (Hallesche Forschungen, 40). VIII, 294 S., 1 Abb., € 48,00; ISBN 978-3-447-10385-5

Quelle: Verlagswerbung, Tagungsbericht (s.o.)

Inhaltsverzeichnis (PDF): InhGenderimPietismus

s. a. derwesten.de, 8.9.2015

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