26 Gedanken zu „F. Kraume: Landrat Heinrich Otto – Eine biographische Skizze.“
Da mein vor etlichen Wochen an unseren geschätzten Kreisarchivar gerichteter diskreter Hinweis offensichtlich kein Gehör fand, hier noch einmal und nunmehr öffentlich der Einspruch:
Die Schüler der Wiesenbauschule sind anhand der im Siegener Universitätsarchiv vorhandenen Unterlagen (Bewerbungen, Einschreibelisten, Zeugnisbücher, Prüfungsakten und manches andere) wahrscheinlich lückenlos nachweisbar. Spuren eines „Heinrich Otto“, der mit dem späteren Landrat identisch gewesen sein könnte, haben sich darin nicht finden lassen. Aus welcher „Quelle“ die irreführende Angabe abgeschrieben wurde oder ob hier die Phantasie mit dem Autor durchgegangen war, ist nebensächlich; der Fehler wäre jedenfalls schon vor zwei Jahren mühelos vermeidbar gewesen. Eine simple Rückfrage vor der Publizierung hätte nebenbei auch die Illusion ausräumen können, an der Wiesenbauschule seien Anfang des 20. Jahrhunderts „Ingenieurwissenschaften studiert“ worden.
Es ist ohne jeden Zweifel erfreulich, dass studentische Praktikanten (um einen solchen handelte es sich auch beim Autor dieser biographischen Skizze) im Kreisarchiv die Gelegenheit finden, sinnvolle historische Forschung zu üben und die Früchte ihrer Bemühungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Den jugendlich frischen Texten ein wenig redaktionelle Prüfung und Nachbearbeitung durch die „alten Hasen“ zu widmen, bevor sie ins Netz gestellt werden, wäre allerdings oft nicht überflüssig. Letztendlich tut man den publizistisch noch unerfahrenen Autoren keinen Gefallen damit, ihre Irrtümer oder Stilblüten vorzuführen; und was von der Öffentlichkeit als gewissermaßen „amtliche“ Geschichtsschreibung eines Archivs wahrgenommen wird, sollte so verläßlich wie möglich sein.
P.K.
1) Diskrete Hinweise sind im Web 2.0 kontraproduktiv.
2) Ein Blog, zumal siwiarchiv, versteht sich als Laboratorium. Unfertiges hat dort durchaus seinen Platz.
3) Siwiarchiv ist kein wissenschaftliches Blog. Eine peer review findet nicht statt.
4) Älteres Material, das nicht entstellend falsch ist, wird aufgenommen und soll hier diskutiert werden – s.o.
5) Der Artikel Kraumes ist mit Quellenanhang versehen, so dass erkennbar ist, woher die zu Recht angemerkte Information stammt.
Lieber Herr Wolf!
Zu 1) Die Existenz des „Web 2.0“ verpflichtet nicht dazu, direkte Kommunikationswege von Mensch zu Mensch nun abzuschaffen und künftig alles sofort im öffentlichen Bereich abzuhandeln.
Zu 2/3/4) Die biographische Skizze ist auf Mai 2010 datiert, also schon zwei Jahre alt. Ihre Erstveröffentlichung erfolgte nicht „labormäßig“ am 5.5.2012 auf Siwiarchiv, sondern zuvor auf den offiziellen Webseiten der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein. Wenn dort etwas zur Kreisgeschichte angeboten wird, verläßt man sich als Leser darauf, dass es Hand und Fuß hat. Auch mir wäre der Fehler nicht aufgefallen, hätte ich nicht versucht, in den Wiesenbauschul-Akten ergänzende Details zur frühen Biographie Heinrich Ottos zu finden.
zu 5) Der Quellenanhang läßt nicht erkennen, woher diese spezielle Information stammte. Es ist mir auch egal, wie der Fehler zustande kam. Gewundert hat mich nur, dass weder der Autor (Geschichtsstudent) noch die Betreuer (Archivare) seinerzeit auf die Idee gekommen waren, die naheliegenden und sehr einfachen lokalen Nachfragemöglichkeiten (Aufwand für Anruf oder eMail ca. eine halbe Minute) in Anspruch zu nehmen.
Und noch einmal zu 1) Kontraproduktiv ist es für mich eher, die Weltbevölkerung mit solchen nur einen sehr eingeschränkten Personenkreis interessierenden Kommentaren zu überschütten.
Beste Grüße an Sie und den Rest der Menschheit,
Peter Kunzmann
1) „Die Schüler der Wiesenbauschule sind anhand der im Siegener Universitätsarchiv vorhandenen Unterlagen (Bewerbungen, Einschreibelisten, Zeugnisbücher, Prüfungsakten und manches andere) wahrscheinlich lückenlos nachweisbar.“
Wurde bei Ihrer Prüfung auch das im Bestand „Kreis Siegen, Kreisausschuss“ unter Nr. 538 vorhandene Aktenverzeichnis zu Rate gezogen, um die von Ihnen in Erwägung gezogenen Lücken (s. o.) weitestgehend auszuschließen?
2) Haben Sie die unter 1) erwähnte Ergänzungsüberlieferung auf möglicherweise einschlägige Unterlagen überprüft?
2a) Möglicherweise hat Otto ja auch die Wegebauschule besucht. „Nicht erfasst sind die Besucher der von 1901 bis 1939 bestehenden Wegebauschule, da über diese keine listennmäßigen Auf-zeichnungen verfügbar waren, „ heißt dazu im Schülerverzeichnis der Wiesenbauschule, in Ermert, Otto/Heinrich, Rudolf: 150 Jahre Bauwesen in Siegen. Von der Wisenbauschule zur Universität 1853 bis 2003, Siegen 2003 beigelgte CD?
3) Die Berufsbezeichnung „Kulturbautechniker“ bzw. „Techniker“ entstammt Selbstzeugnissen Ottos, die, wenn ich mich nicht ganz irre, in dem im Quellenverzeichnis aufgeführten Artikel in der „Freiheit“ Einfluß gefunden haben.
Die Berufsbezeichnung „Techniker“ findet sich in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und des Volksgerichtshofes.
4) Noch einmal: Der Text sollte im weitesten Sinne populärwisssnschaftlich verfasst werden. Zu diesem Zweck wurde bspw. auf Fußnoten verzichtet. Benutzte Quellen und Literatur sind angegeben. Die Verwendung des Terminus „Ingeniuerwissenschaften“ ist der geforderten Verständlichkeit geschuldet und sicherlich unpräzise.
5) Wird der Text jetzt deswegen schlechter, weil er womöglich lückenhafte Quellen nicht benutzt hat, die keine Aussage über Heinrich Otto treffen?
6) Der Text versteht sich als Überblick, auf der weitere Forschungen aufgebaut werden können, dies findet sich bereits auf der ersten Seite des Textes. Jeder kann und darf nun weiter zur Biographie Heinrich Ottos forschen. Nach der Endfassung des Textes gab es den Hinweis, dass Heinrich Otto dem Siegener Soldatenrat angehört haben könnte. Ein Beleg ist m. W. noch nicht gefunden.
Ein Weiterforschen ist übrigens nicht durch die Veröffentlichung auf der Kreishomepage geschehen, weil dort entsprechende Möglichkeiten einer Diskussion nicht vorgesehen sind. Daher: siwiarchiv bleibt Labor bzw. Werkstatt.
7) Dieser Text – und er wird somit zu einer Quelle – hat allerdings Forschungen zur Geschichte der Friedensbewegung im Siegerland in Gang gesetzt.
Der Beitrag von Herrn Kraume war nicht der Anlass für meine Arbeit über die Friedensbewegung im Bezirk Sieg-Lahn-Dill. Damit hatte ich bereits vor der Einstellung des Beitrages von Herrn Kraume in den Internetauftritt des Kreises Siegen-Wittgenstein begonnen. Dieter Pfau wies mich auf den Beitrag hin. Ich konnte daraufhin einiges richtig stellen und das Foto vom Führerschein von 1927 beisteuern.
Danke für die Richtig- und Klarstellung!
Na gut, lieber Herr Wolf, vergraulen wir eben die Leser, die hier Spannenderes zu finden hoffen.
Zu 1) Die Formulierung „wahrscheinlich lückenlos“ war eine reine Vorsichtsmaßnahme: Prinzipiell sollte bei historischen Recherchen unterschieden werden zwischen dem, was objektiv nicht existierte, und dem, was der Rechercheur bloß nicht gefunden (oder gesucht) hat. Wenn ich allerdings einen halben Arbeitstag vergeblich dafür geopfert habe, den gewissen Heinrich Otto zu finden, dürfen Sie das „wahrscheinlich“ getrost ignorieren. Hätte er die Schule bis zur theoretischen Prüfung absolviert, wäre er auf jeden Fall mehrfach (nämlich mindestens einmal pro Halbjahr im Zeugnisbuch) aktenkundig geworden, auch wenn alle anderen Nachweise zufällig verlorengegangen sein sollten.
„Kreisausschuss Nr. 538“ kenne ich, ist aber in dem Zusammenhang irrelevant.
Zu 3) Ich habe nicht bestritten, dass Herr Otto kurzzeitig den Beruf eines Kulturbautechnikers ausgeübt haben könnte. Ob zu seinen Selbstzeugnissen auch gehörte, dass er dafür in Siegen ausgebildet worden sei, muß ich eben in der alten „Freiheit“ gelegentlich nachlesen. Spekulationen führen uns am jetzigen Punkt nicht weiter.
Zu 4) Was kann denn ein „unpräziser“ Terminus zur „geforderten Verständlichkeit“ beitragen? Hier wird doch gerade ein Miß-Verständnis provoziert, nämlich dass die Wiesenbauschule mit den zeitgenössischen Technischen Hochschulen vergleichbar gewesen sei.
Zu 5) Woher hätte der Autor wissen sollen, dass er in dem potentiell zuständigen Siegener Archiv keine positive Aussage über Herrn Otto finden würde, wenn er nicht nachfragt? Es gibt hier biographisches Material zu hunderten Schülern, auch Korrespondenzen Ehemaliger mit der Schule, Dienstzeugnisse usw.
Ich habe außerdem nicht behauptet, der Text sei schlecht. Der zweite Satz macht ihn aber auch nicht besser. Das kann mir natürlich alles völlig egal sein; ich bin nicht das Gewissen des Kreises Siegen-Wittgenstein. Bedauerlich finde ich nur, dass hier (wie so oft) versäumt wurde, mit wirklich ganz minimalem Aufwand (menschliche Kommunikation) den Erkenntnisprozess voranzubringen. Es gibt schon genug volkstümliche Legenden, gegen deren Konservierung Historiker und Archivare machtlos sind. Auch in tausend Jahren wird man sich im Siegerland unverdrossen am Stammtisch erzählen, dass Wilnsdorf von Wieland dem Schmied gegründet worden sei, dem Dörfchen Freudenberg im Mittelalter Stadtrecht verliehen worden sei, und was sonst noch das patriotische Herz erwärmen mag. Gegen kollektive Vorurteile kommt niemand mit Fakten an. Von Vertretern der „Zunft“ (angehenden Historikern, betreuenden Archivaren) läßt sich aber doch wohl wünschen, dass sie dieser Mentalität nicht ungewollt Vorschub leisten.
Zu 7) Klar, ich bin auch für den Weltfrieden.
Peace & love,
P.K.
Nur zwei Nachfragen:
1) Wurde die übrige Kreisüberlieferung auf Schülererwähnungen hin überprüft?
2) Könnte Otto denn Wegebauschüler gewesen sein – s. Nr. 2a) meines Kommentar?
Aus Privatbesitz (Großnichte Ottos) liegt hier seit heute als PDF-Datei eine Zeichnung der Gesteinsschichten eines Heinrich Otto für die Wegebauschule in Siegen vor. Die Zeichnung wurde für die Klasse W. 1913/194 erstellt; der betreuende Lehrer war: Gamann, Heinrich bis 1901 Nebenamtlicher Lehrer *1854 †05.03.1932 , 1891 – 1924 WBS Baukunde, Physik, Mechanik, Geometrie, geometr. u. Technisches Zeichnen, Stereometrie, Rechnungswesen
Ein zulässiges Indiz für die Annahme, dass Heinrich Otto, die Weisen- und Wegebauschule in Siegen besucht hat?
Na sehen Sie, geht doch! Das ist nicht nur ein zulässiges, sondern sogar ein überzeugendes Indiz dafür, dass Heinrich Otto die Wegebauschule in Siegen besucht hatte. Allerdings nicht die Kulturbauschule (früher Wiesenbauschule genannt). Diese war (trotz mancher Überschneidungen und der gemeinsamen Unterbringung) etwas anderes. Die Formulierung „zum Kulturbautechniker ausgebildet“ war mir Anlaß genug, mich bei der Recherche auf den Bestand derjenigen Schule zu beschränken, die eine solche Ausbildung angeboten hatte.
Heinrich Otto, „Bureaugehilfe“, hatte vom 2. Oktober 1913 bis zum 27. Juni 1914 die Wegebauschule besucht und die Entlassungsprüfung bestanden. Eine Berufsausbildung war dieser einjährige „Vor- und Hauptkurs“ gewiß nicht. Ob er anschließend zum Führen irgendwelcher Titel (definitiv aber nicht „Kulturbautechniker“) berechtigte, muß ich noch eruieren.
Aus dem Jahresbericht 1914/15 erfährt man, dass die „Abgangszöglinge [einschl. Otto] bald nach der Entlassung in geeigneten Stellen untergekommen“ waren, wohl vor allem im Straßenaufsichtsdienst. „Die Nachfrage war bald nach Ausbruch des Krieges so erheblich, dass sie auch nicht annähernd befriedigt werden konnte.“
Heinrich Ottos Vater Adolf war übrigens Gerber.
In den Akten haben wir auch einen zweiseitigen eigenhändigen Lebenslauf des jungen Otto, den ich bei Gelegenheit hier nachtragen werde, sofern mich der Scanner nicht im Stich läßt.
Zu einigen Punkten der Darstellung, die es aus meiner Sicht schon 2010 fragwürdig machten, diese Studenten-Arbeit mit der Autorität der Kreis-website auszustatten:
– „Russische Zwangsarbeiter“? Die meisten waren tatsächlich ukrainische Zwangsarbeiter, gemeint ist mit „russisch“ wohl aber „sowjetisch“? Außer im antikommunistischen Propagandajargon der Adenauerzeit/im Alltagsgerede ist „russisch“ ungleich „sowjetisch“.
– Zu Ottos „Hinwendung zum Kommunismus“ bzw. „Aufbauleistungen …. des Kommunismus“ (in der Britischen Zone??? Nach etwa einer bislang unbekannten, kurzzeitigen Etablierung sozialistischer Verhältnisse durch die britische Militärregierung, wie sie vorausgegangen sein müsste???): Da werden wohl KPD und Kommunismus miteinander verwechselt. Die hier vorgenommene Gleichsetzung von KPD und Kommunismus ist antikommunistischer Propagandajargon der Adenauerzeit/Alltagsdiktion. Man fragt sich, wie ein junger Mann auf sowas kommt..
– „bekleidete den Posten des …“: Propagandajargon, „Posten“, nicht gerade eine wissenschaftliche Kategorie.
– Otto habe zur „Führungsschicht“ der lokalen KPD gehört: zweifelsohne gehörte er zu den führenden Akteuren/der Führungsgruppe der KPD im UB Siegen. Den quantitativen Umfang einer sozialen „Schicht“ erreichte diese Gruppe in dieser kleinen Partei wohl nicht.
– Die RGO-Gewerkschafter waren durchaus nicht nur Mitglieder der KPD. Natürlich gab es dort auch Mitglieder anderer Parteien und Parteilose. Wenngleich die KPD den entscheidenden Einfluss ausübte, so wäre die Etikettierung „kommunistische RGO“ doch allzu undifferenziert. Das gilt in gleicher Weise für die Annahme, es handle sich um eine „Abspaltung“ vom ADGB. Die „Abgespaltenen“ waren von der ADGB-Führung in sehr vielen Fällen rausgeschmissen worden.
– Es wäre gut gewesen, darauf hinzuweisen, dass der UB Siegen der KPD in den 1920er/30er Jahren die politischen Kreise Siegen und Altenkirchen umfasste.
– Otto gehörte mindestens in den 1920er Jahren der Liga gegen den Kolonialismus an. Das war eine im Siegerland mit seinen starken antisemitischen wie generell xenophoben Traditionen außerordentlich seltene Mitgliedschaft.
– M. W. war die „Demokratische Arbeitsgemeinschaft“ zu keinem Zeitpunkt ein Personenverbund, sondern für die kurze Zeit ihrer Existenz ein Zusammenschluss der Parteiführungen von SPD, KPD, LDP (= später FDP) und CDU. Die CDU wurde in dieser Zeit von Zentrums-Leuten wie Albert Schopp, die LDP von eher Linksliberalen wie Josef Balogh geführt. Es gab einen Kreisausschuss und Ortsausschüsse mindestens in Brachbach, Mudersbach, Niederschelden, Niederschelderhütte.
– „Der Modus der Bestellung [richtiger: „Berufung“] hatte zur Folge, dass die linken Parteien überrepräsentiert waren und die CDU unterrepräsentiert.“ Auf welche Zahlen kann der Verfasser seine Behauptung stützen?! Gewählt wurde doch wohl 1945 noch nicht? Es wäre auch gut zu sagen, dass es 1945 darum ging, Weichen zu stellen.
– Otto sei „aus undurchsichtigen Gründen“ aus der KPD ausgeschlossen worden. Da wird suggeriert. Entweder man weiß es oder man weiß es nicht. In diesem Fall schweigt man oder spricht im äußersten Fall von „unbekannten Gründen“. M. W. – das nebenbei – ging es darum, dass Otto ein Verhältnis mit der Frau des lokalen KPD-Vorsitzenden unterhielt. Aber bitte, auch nur eine Annahme. Von einem Zeitzeugen, einer Spezies also, die bekanntlich bei aller Autorität aus natürlichen Feinde des Historikers besteht.
– Was vor allem dem Text fehlt, das sind die Belege. Die können durch eine lückenhafte Quellen- und Literaturliste (was ist z. B. mit Blanchet?) nicht ersetzt werden.
Mit Grüßen aus dem oberbergischen Ausland
Ulrich Opfermann
Dank an die Herren Opfermann und Kunzmann für die kritische Durchsicht und die ergänzenden Fakten! Hier wird redaktionelles Arbeiten erstmals auf siwiarchiv nachvollziehbar gemacht – auch dafür danke!
1) Der Text ist in der Tat frag-würdig. Ein weiteres Beispiel: War Heinrich Otto nach dem Verlust beider Unterschenkel während des ersten Weltkriegs in der Tat in der Lage nach dem ersten Weltkrieg im kaufmännischen Bereich, als Postbediensteter und als Landwirt zu arbeiten? Während Bürotätigkeiten durchaus denkbar erscheinen auf die obige Einlassung Kunzmanns sei verwiesen, ist dies für eine Tätigleit in der Landwirtschaft nur schwer vorstellbar. Hier gilt es die Quellen zu prüfen.
2) Blanchet, Philippe: Die CDU : ein Aspekt des Neubeginns des politischen Lebens im Siegerland 1945-1949 / Philippe Blanchet
(Lille, Univ., Hausarb. 1979) – 1979 ist sicher zur weiteren Präzisierung heranzuziehen.
3) Von zu Hause aus bleibt mir für heute noch die Zweifel Kunzmanns auszuräumen, dass dies für die Leser von siwiarchiv.de uninteressant sei. Gestern war der erfolgreichste Tag in der Geschichte von siwiarchiv.de: 176 Besucher klickten insgesamt 1124 Seiten des Blogs an. Auch sind es schon 150 Besucher mit 339 Seitenzugriffen. Der Blick in der Werkstatt der Historiker und Archivare ist also interessant!
4) Übrigens zum Vergleich der derzeit gültige Wikipedia-Artikel: „Heinrich Otto (Nordrhein-Westfalen)
Heinrich Otto (* 5. August 1893 in Siegen; † 31. Juli 1983) war ein Landtagsabgeordneter der KPD in Nordrhein-Westfalen.
Otto war 1946 Landrat des Kreises Siegen und in der ersten Ernennungsperiode Mitglied des ernannten Landtages von Nordrhein-Westfalen.“
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Otto_%28Nordrhein-Westfalen%29
Traute Fries weist zur frag-würdigen Berufstätigkeit Heinrich Ottos auf folgende Quellen hin:
1) Der Pazifist Nr. 8 v. 22.2.1925, „Pazifisten sind Freiwild in der „freiesten Republik“ Unglaubliche Unternehmer-Freiheiten.“:
[…] „Der erfolgreiche Leiter der pazifistischen Bewegung im Siegerlande, unser Freund Otto, war jahrelang als Angestellter bei einer Siegener Firma tätig. Er ist, obgleich 100 Proz. kriegsbeschädigt, zum 1. Januar 1925 gekündigt worden.“
2) Bernd Schlenbäcker, Biographische Erkundungen zur Zeitgeschichte des Siegerlandes, Kassel 1978, S. 185. „Er [H.O.] war ja schwerbeschädigt und eine Zeitlang war er dann noch beschäftigt. Nachher gab er die Beschäftigung auf und lebte nur noch zum Einsatz für die Friedensgesellschaft. Er konnte sich das erlauben auf Grund von seiner Kriegsbeschädigtenrente.“ (Interview Wilhelm Fries)
Eine wenn auch nur schwache Spur läßt sich vielleicht noch verfolgen (von jemandem, der Zeit hat): Es ist anzunehmen, dass auch in Siegen besondere Kurse für Kriegsversehrte angeboten worden waren. Da Heinrich Otto in einem Adressbucheintrag als „Maschinentechniker“ geführt wurde, wäre es denkbar, dass er nach seiner Verwundung einen entsprechenden Kurzlehrgang besucht hatte. Hierfür wären in Siegen die Eisenfachschule (Akten allerdings verloren) oder die Städtische Fortbildungsschule in Frage gekommen. Hilfreich wären wohl die Unterlagen des „Kriegsbeschädigten-Fürsorge-Ausschusses für den Kreis Siegen“, wo immer diese (wenn überhaupt) liegen. Der Ausschussvorsitzende war anscheinend Landrat Bourwieg. (Die Online-Findbücher zu den Beständen „Landratsamt“ und „Kreisausschuss Siegen“ sind vom Landesarchiv leider vor Monaten aus dem Verkehr gezogen worden.) Beim LWL-Archivamt würde ich in den Beständen 610 bis 612 nur Allgemeineres vermuten, aber man kann ja nie wissen …
P.K.
1) Dem Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein lagen bis zur Publikation hier auf siwiarchiv folgende Reaktionen von in der Siegerländer Zeitgeschichte bewanderten Personen vor:
a) “ …. .es gibt halt immer was zu mäkeln, das sehen Sie ja. Das soll aber den Blick auf das positive Anliegen und seine ansonsten doch wohl gelungene Umsetzung nicht trüben.“
b) “ …… Eine schöne Arbeit, die mir viel Neues eröffnete. Für mich war vor allem die Kontaktaufnahme mit Kämer neu und interessant! …..“
2) Die unpräzise Formulierung, dass die RGO kommunistisch seien, scheint u.a. ihren Ursprung in der Darstellung D. Pfaus zu haben – s. „Christenkreuz und Hakenkruez. Siegen und das Siegerland am Vorabend des „Dritten Reiches“, Bielefeld 200, S. 197).
3) Als weitere Quelle zur Biografie diente das in Kraumes Literaturliste angegebene Handbuch Opfermanns. Der maßgebliche Eintrag sauf S. 243 soll hier zitiert werden: „Otto, Heinrich
*5.8.1893, gest. 31.7.1983 Siegen, Siegen, Kulturbautechniker, im 1. Weltkrieg schwer verletzt (beide Unterschenkel amputiert), KPD (1928ff.), als Bezirksleiter der DFG intensive Aktivität im Raum Siegerland/Dillkreis, Liga gegen den Kolonialismus, nach der Machtübergabe mehrfach inhaftiert, noch in der Zusammenbruchphase Reorganisation der KPD, Politischer Leiter Kreis Siegen (=Stadt Siegen, Krse Siegen, Olpe, Wittgenstein)(bis 1947), Anfang der 1950er JahreAusschluß, dann parteilos, Beratender Ausschuß für den Land- und Stadtkreis Siegen (1945-46), LR Kr. Siegen (1946), Mitgl. Kr-Vorst. Verband der Kriegs-, Bomben- unbd Arbeitsopfer, erster Arbeitsdirektor der Hüttenwerke Geisweid AG, (später Stahlwerke Südwestfalen AG) ….“
Findet sich hier etwas über Heinrich Otto, das über das bisher hier publizierte hinausgeht:
Deutsche Kommunisten: biographisches Handbuch 1918 bis 1945
Autoren Hermann Weber, Andreas Herbst
Verlag K. Dietz, 2004
Länge 992 Seiten?
Ein Fundstück in der „Freiheit“ vom 19. Februar 1929: Dort wird Heinrich Otto im Zusammenhang mit einem Ausschlussverfahren als Siegener Ortsgruppenvorsitzender des Verbandes für Freidenkertum und Feuerbestattung erwähnt.
Da mein vor etlichen Wochen an unseren geschätzten Kreisarchivar gerichteter diskreter Hinweis offensichtlich kein Gehör fand, hier noch einmal und nunmehr öffentlich der Einspruch:
Die Schüler der Wiesenbauschule sind anhand der im Siegener Universitätsarchiv vorhandenen Unterlagen (Bewerbungen, Einschreibelisten, Zeugnisbücher, Prüfungsakten und manches andere) wahrscheinlich lückenlos nachweisbar. Spuren eines „Heinrich Otto“, der mit dem späteren Landrat identisch gewesen sein könnte, haben sich darin nicht finden lassen. Aus welcher „Quelle“ die irreführende Angabe abgeschrieben wurde oder ob hier die Phantasie mit dem Autor durchgegangen war, ist nebensächlich; der Fehler wäre jedenfalls schon vor zwei Jahren mühelos vermeidbar gewesen. Eine simple Rückfrage vor der Publizierung hätte nebenbei auch die Illusion ausräumen können, an der Wiesenbauschule seien Anfang des 20. Jahrhunderts „Ingenieurwissenschaften studiert“ worden.
Es ist ohne jeden Zweifel erfreulich, dass studentische Praktikanten (um einen solchen handelte es sich auch beim Autor dieser biographischen Skizze) im Kreisarchiv die Gelegenheit finden, sinnvolle historische Forschung zu üben und die Früchte ihrer Bemühungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Den jugendlich frischen Texten ein wenig redaktionelle Prüfung und Nachbearbeitung durch die „alten Hasen“ zu widmen, bevor sie ins Netz gestellt werden, wäre allerdings oft nicht überflüssig. Letztendlich tut man den publizistisch noch unerfahrenen Autoren keinen Gefallen damit, ihre Irrtümer oder Stilblüten vorzuführen; und was von der Öffentlichkeit als gewissermaßen „amtliche“ Geschichtsschreibung eines Archivs wahrgenommen wird, sollte so verläßlich wie möglich sein.
P.K.
1) Diskrete Hinweise sind im Web 2.0 kontraproduktiv.
2) Ein Blog, zumal siwiarchiv, versteht sich als Laboratorium. Unfertiges hat dort durchaus seinen Platz.
3) Siwiarchiv ist kein wissenschaftliches Blog. Eine peer review findet nicht statt.
4) Älteres Material, das nicht entstellend falsch ist, wird aufgenommen und soll hier diskutiert werden – s.o.
5) Der Artikel Kraumes ist mit Quellenanhang versehen, so dass erkennbar ist, woher die zu Recht angemerkte Information stammt.
Lieber Herr Wolf!
Zu 1) Die Existenz des „Web 2.0“ verpflichtet nicht dazu, direkte Kommunikationswege von Mensch zu Mensch nun abzuschaffen und künftig alles sofort im öffentlichen Bereich abzuhandeln.
Zu 2/3/4) Die biographische Skizze ist auf Mai 2010 datiert, also schon zwei Jahre alt. Ihre Erstveröffentlichung erfolgte nicht „labormäßig“ am 5.5.2012 auf Siwiarchiv, sondern zuvor auf den offiziellen Webseiten der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein. Wenn dort etwas zur Kreisgeschichte angeboten wird, verläßt man sich als Leser darauf, dass es Hand und Fuß hat. Auch mir wäre der Fehler nicht aufgefallen, hätte ich nicht versucht, in den Wiesenbauschul-Akten ergänzende Details zur frühen Biographie Heinrich Ottos zu finden.
zu 5) Der Quellenanhang läßt nicht erkennen, woher diese spezielle Information stammte. Es ist mir auch egal, wie der Fehler zustande kam. Gewundert hat mich nur, dass weder der Autor (Geschichtsstudent) noch die Betreuer (Archivare) seinerzeit auf die Idee gekommen waren, die naheliegenden und sehr einfachen lokalen Nachfragemöglichkeiten (Aufwand für Anruf oder eMail ca. eine halbe Minute) in Anspruch zu nehmen.
Und noch einmal zu 1) Kontraproduktiv ist es für mich eher, die Weltbevölkerung mit solchen nur einen sehr eingeschränkten Personenkreis interessierenden Kommentaren zu überschütten.
Beste Grüße an Sie und den Rest der Menschheit,
Peter Kunzmann
1) „Die Schüler der Wiesenbauschule sind anhand der im Siegener Universitätsarchiv vorhandenen Unterlagen (Bewerbungen, Einschreibelisten, Zeugnisbücher, Prüfungsakten und manches andere) wahrscheinlich lückenlos nachweisbar.“
Wurde bei Ihrer Prüfung auch das im Bestand „Kreis Siegen, Kreisausschuss“ unter Nr. 538 vorhandene Aktenverzeichnis zu Rate gezogen, um die von Ihnen in Erwägung gezogenen Lücken (s. o.) weitestgehend auszuschließen?
2) Haben Sie die unter 1) erwähnte Ergänzungsüberlieferung auf möglicherweise einschlägige Unterlagen überprüft?
2a) Möglicherweise hat Otto ja auch die Wegebauschule besucht. „Nicht erfasst sind die Besucher der von 1901 bis 1939 bestehenden Wegebauschule, da über diese keine listennmäßigen Auf-zeichnungen verfügbar waren, „ heißt dazu im Schülerverzeichnis der Wiesenbauschule, in Ermert, Otto/Heinrich, Rudolf: 150 Jahre Bauwesen in Siegen. Von der Wisenbauschule zur Universität 1853 bis 2003, Siegen 2003 beigelgte CD?
3) Die Berufsbezeichnung „Kulturbautechniker“ bzw. „Techniker“ entstammt Selbstzeugnissen Ottos, die, wenn ich mich nicht ganz irre, in dem im Quellenverzeichnis aufgeführten Artikel in der „Freiheit“ Einfluß gefunden haben.
Die Berufsbezeichnung „Techniker“ findet sich in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und des Volksgerichtshofes.
4) Noch einmal: Der Text sollte im weitesten Sinne populärwisssnschaftlich verfasst werden. Zu diesem Zweck wurde bspw. auf Fußnoten verzichtet. Benutzte Quellen und Literatur sind angegeben. Die Verwendung des Terminus „Ingeniuerwissenschaften“ ist der geforderten Verständlichkeit geschuldet und sicherlich unpräzise.
5) Wird der Text jetzt deswegen schlechter, weil er womöglich lückenhafte Quellen nicht benutzt hat, die keine Aussage über Heinrich Otto treffen?
6) Der Text versteht sich als Überblick, auf der weitere Forschungen aufgebaut werden können, dies findet sich bereits auf der ersten Seite des Textes. Jeder kann und darf nun weiter zur Biographie Heinrich Ottos forschen. Nach der Endfassung des Textes gab es den Hinweis, dass Heinrich Otto dem Siegener Soldatenrat angehört haben könnte. Ein Beleg ist m. W. noch nicht gefunden.
Ein Weiterforschen ist übrigens nicht durch die Veröffentlichung auf der Kreishomepage geschehen, weil dort entsprechende Möglichkeiten einer Diskussion nicht vorgesehen sind. Daher: siwiarchiv bleibt Labor bzw. Werkstatt.
7) Dieser Text – und er wird somit zu einer Quelle – hat allerdings Forschungen zur Geschichte der Friedensbewegung im Siegerland in Gang gesetzt.
Der Beitrag von Herrn Kraume war nicht der Anlass für meine Arbeit über die Friedensbewegung im Bezirk Sieg-Lahn-Dill. Damit hatte ich bereits vor der Einstellung des Beitrages von Herrn Kraume in den Internetauftritt des Kreises Siegen-Wittgenstein begonnen. Dieter Pfau wies mich auf den Beitrag hin. Ich konnte daraufhin einiges richtig stellen und das Foto vom Führerschein von 1927 beisteuern.
Danke für die Richtig- und Klarstellung!
Na gut, lieber Herr Wolf, vergraulen wir eben die Leser, die hier Spannenderes zu finden hoffen.
Zu 1) Die Formulierung „wahrscheinlich lückenlos“ war eine reine Vorsichtsmaßnahme: Prinzipiell sollte bei historischen Recherchen unterschieden werden zwischen dem, was objektiv nicht existierte, und dem, was der Rechercheur bloß nicht gefunden (oder gesucht) hat. Wenn ich allerdings einen halben Arbeitstag vergeblich dafür geopfert habe, den gewissen Heinrich Otto zu finden, dürfen Sie das „wahrscheinlich“ getrost ignorieren. Hätte er die Schule bis zur theoretischen Prüfung absolviert, wäre er auf jeden Fall mehrfach (nämlich mindestens einmal pro Halbjahr im Zeugnisbuch) aktenkundig geworden, auch wenn alle anderen Nachweise zufällig verlorengegangen sein sollten.
„Kreisausschuss Nr. 538“ kenne ich, ist aber in dem Zusammenhang irrelevant.
Zu 3) Ich habe nicht bestritten, dass Herr Otto kurzzeitig den Beruf eines Kulturbautechnikers ausgeübt haben könnte. Ob zu seinen Selbstzeugnissen auch gehörte, dass er dafür in Siegen ausgebildet worden sei, muß ich eben in der alten „Freiheit“ gelegentlich nachlesen. Spekulationen führen uns am jetzigen Punkt nicht weiter.
Zu 4) Was kann denn ein „unpräziser“ Terminus zur „geforderten Verständlichkeit“ beitragen? Hier wird doch gerade ein Miß-Verständnis provoziert, nämlich dass die Wiesenbauschule mit den zeitgenössischen Technischen Hochschulen vergleichbar gewesen sei.
Zu 5) Woher hätte der Autor wissen sollen, dass er in dem potentiell zuständigen Siegener Archiv keine positive Aussage über Herrn Otto finden würde, wenn er nicht nachfragt? Es gibt hier biographisches Material zu hunderten Schülern, auch Korrespondenzen Ehemaliger mit der Schule, Dienstzeugnisse usw.
Ich habe außerdem nicht behauptet, der Text sei schlecht. Der zweite Satz macht ihn aber auch nicht besser. Das kann mir natürlich alles völlig egal sein; ich bin nicht das Gewissen des Kreises Siegen-Wittgenstein. Bedauerlich finde ich nur, dass hier (wie so oft) versäumt wurde, mit wirklich ganz minimalem Aufwand (menschliche Kommunikation) den Erkenntnisprozess voranzubringen. Es gibt schon genug volkstümliche Legenden, gegen deren Konservierung Historiker und Archivare machtlos sind. Auch in tausend Jahren wird man sich im Siegerland unverdrossen am Stammtisch erzählen, dass Wilnsdorf von Wieland dem Schmied gegründet worden sei, dem Dörfchen Freudenberg im Mittelalter Stadtrecht verliehen worden sei, und was sonst noch das patriotische Herz erwärmen mag. Gegen kollektive Vorurteile kommt niemand mit Fakten an. Von Vertretern der „Zunft“ (angehenden Historikern, betreuenden Archivaren) läßt sich aber doch wohl wünschen, dass sie dieser Mentalität nicht ungewollt Vorschub leisten.
Zu 7) Klar, ich bin auch für den Weltfrieden.
Peace & love,
P.K.
Nur zwei Nachfragen:
1) Wurde die übrige Kreisüberlieferung auf Schülererwähnungen hin überprüft?
2) Könnte Otto denn Wegebauschüler gewesen sein – s. Nr. 2a) meines Kommentar?
Aus Privatbesitz (Großnichte Ottos) liegt hier seit heute als PDF-Datei eine Zeichnung der Gesteinsschichten eines Heinrich Otto für die Wegebauschule in Siegen vor. Die Zeichnung wurde für die Klasse W. 1913/194 erstellt; der betreuende Lehrer war: Gamann, Heinrich bis 1901 Nebenamtlicher Lehrer *1854 †05.03.1932 , 1891 – 1924 WBS Baukunde, Physik, Mechanik, Geometrie, geometr. u. Technisches Zeichnen, Stereometrie, Rechnungswesen
Ein zulässiges Indiz für die Annahme, dass Heinrich Otto, die Weisen- und Wegebauschule in Siegen besucht hat?
Na sehen Sie, geht doch! Das ist nicht nur ein zulässiges, sondern sogar ein überzeugendes Indiz dafür, dass Heinrich Otto die Wegebauschule in Siegen besucht hatte. Allerdings nicht die Kulturbauschule (früher Wiesenbauschule genannt). Diese war (trotz mancher Überschneidungen und der gemeinsamen Unterbringung) etwas anderes. Die Formulierung „zum Kulturbautechniker ausgebildet“ war mir Anlaß genug, mich bei der Recherche auf den Bestand derjenigen Schule zu beschränken, die eine solche Ausbildung angeboten hatte.
Heinrich Otto, „Bureaugehilfe“, hatte vom 2. Oktober 1913 bis zum 27. Juni 1914 die Wegebauschule besucht und die Entlassungsprüfung bestanden. Eine Berufsausbildung war dieser einjährige „Vor- und Hauptkurs“ gewiß nicht. Ob er anschließend zum Führen irgendwelcher Titel (definitiv aber nicht „Kulturbautechniker“) berechtigte, muß ich noch eruieren.
Aus dem Jahresbericht 1914/15 erfährt man, dass die „Abgangszöglinge [einschl. Otto] bald nach der Entlassung in geeigneten Stellen untergekommen“ waren, wohl vor allem im Straßenaufsichtsdienst. „Die Nachfrage war bald nach Ausbruch des Krieges so erheblich, dass sie auch nicht annähernd befriedigt werden konnte.“
Heinrich Ottos Vater Adolf war übrigens Gerber.
In den Akten haben wir auch einen zweiseitigen eigenhändigen Lebenslauf des jungen Otto, den ich bei Gelegenheit hier nachtragen werde, sofern mich der Scanner nicht im Stich läßt.
P.K.
Zu einigen Punkten der Darstellung, die es aus meiner Sicht schon 2010 fragwürdig machten, diese Studenten-Arbeit mit der Autorität der Kreis-website auszustatten:
– „Russische Zwangsarbeiter“? Die meisten waren tatsächlich ukrainische Zwangsarbeiter, gemeint ist mit „russisch“ wohl aber „sowjetisch“? Außer im antikommunistischen Propagandajargon der Adenauerzeit/im Alltagsgerede ist „russisch“ ungleich „sowjetisch“.
– Zu Ottos „Hinwendung zum Kommunismus“ bzw. „Aufbauleistungen …. des Kommunismus“ (in der Britischen Zone??? Nach etwa einer bislang unbekannten, kurzzeitigen Etablierung sozialistischer Verhältnisse durch die britische Militärregierung, wie sie vorausgegangen sein müsste???): Da werden wohl KPD und Kommunismus miteinander verwechselt. Die hier vorgenommene Gleichsetzung von KPD und Kommunismus ist antikommunistischer Propagandajargon der Adenauerzeit/Alltagsdiktion. Man fragt sich, wie ein junger Mann auf sowas kommt..
– „bekleidete den Posten des …“: Propagandajargon, „Posten“, nicht gerade eine wissenschaftliche Kategorie.
– Otto habe zur „Führungsschicht“ der lokalen KPD gehört: zweifelsohne gehörte er zu den führenden Akteuren/der Führungsgruppe der KPD im UB Siegen. Den quantitativen Umfang einer sozialen „Schicht“ erreichte diese Gruppe in dieser kleinen Partei wohl nicht.
– Die RGO-Gewerkschafter waren durchaus nicht nur Mitglieder der KPD. Natürlich gab es dort auch Mitglieder anderer Parteien und Parteilose. Wenngleich die KPD den entscheidenden Einfluss ausübte, so wäre die Etikettierung „kommunistische RGO“ doch allzu undifferenziert. Das gilt in gleicher Weise für die Annahme, es handle sich um eine „Abspaltung“ vom ADGB. Die „Abgespaltenen“ waren von der ADGB-Führung in sehr vielen Fällen rausgeschmissen worden.
– Es wäre gut gewesen, darauf hinzuweisen, dass der UB Siegen der KPD in den 1920er/30er Jahren die politischen Kreise Siegen und Altenkirchen umfasste.
– Otto gehörte mindestens in den 1920er Jahren der Liga gegen den Kolonialismus an. Das war eine im Siegerland mit seinen starken antisemitischen wie generell xenophoben Traditionen außerordentlich seltene Mitgliedschaft.
– M. W. war die „Demokratische Arbeitsgemeinschaft“ zu keinem Zeitpunkt ein Personenverbund, sondern für die kurze Zeit ihrer Existenz ein Zusammenschluss der Parteiführungen von SPD, KPD, LDP (= später FDP) und CDU. Die CDU wurde in dieser Zeit von Zentrums-Leuten wie Albert Schopp, die LDP von eher Linksliberalen wie Josef Balogh geführt. Es gab einen Kreisausschuss und Ortsausschüsse mindestens in Brachbach, Mudersbach, Niederschelden, Niederschelderhütte.
– „Der Modus der Bestellung [richtiger: „Berufung“] hatte zur Folge, dass die linken Parteien überrepräsentiert waren und die CDU unterrepräsentiert.“ Auf welche Zahlen kann der Verfasser seine Behauptung stützen?! Gewählt wurde doch wohl 1945 noch nicht? Es wäre auch gut zu sagen, dass es 1945 darum ging, Weichen zu stellen.
– Otto sei „aus undurchsichtigen Gründen“ aus der KPD ausgeschlossen worden. Da wird suggeriert. Entweder man weiß es oder man weiß es nicht. In diesem Fall schweigt man oder spricht im äußersten Fall von „unbekannten Gründen“. M. W. – das nebenbei – ging es darum, dass Otto ein Verhältnis mit der Frau des lokalen KPD-Vorsitzenden unterhielt. Aber bitte, auch nur eine Annahme. Von einem Zeitzeugen, einer Spezies also, die bekanntlich bei aller Autorität aus natürlichen Feinde des Historikers besteht.
– Was vor allem dem Text fehlt, das sind die Belege. Die können durch eine lückenhafte Quellen- und Literaturliste (was ist z. B. mit Blanchet?) nicht ersetzt werden.
Mit Grüßen aus dem oberbergischen Ausland
Ulrich Opfermann
Dank an die Herren Opfermann und Kunzmann für die kritische Durchsicht und die ergänzenden Fakten! Hier wird redaktionelles Arbeiten erstmals auf siwiarchiv nachvollziehbar gemacht – auch dafür danke!
1) Der Text ist in der Tat frag-würdig. Ein weiteres Beispiel: War Heinrich Otto nach dem Verlust beider Unterschenkel während des ersten Weltkriegs in der Tat in der Lage nach dem ersten Weltkrieg im kaufmännischen Bereich, als Postbediensteter und als Landwirt zu arbeiten? Während Bürotätigkeiten durchaus denkbar erscheinen auf die obige Einlassung Kunzmanns sei verwiesen, ist dies für eine Tätigleit in der Landwirtschaft nur schwer vorstellbar. Hier gilt es die Quellen zu prüfen.
2) Blanchet, Philippe: Die CDU : ein Aspekt des Neubeginns des politischen Lebens im Siegerland 1945-1949 / Philippe Blanchet
(Lille, Univ., Hausarb. 1979) – 1979 ist sicher zur weiteren Präzisierung heranzuziehen.
3) Von zu Hause aus bleibt mir für heute noch die Zweifel Kunzmanns auszuräumen, dass dies für die Leser von siwiarchiv.de uninteressant sei. Gestern war der erfolgreichste Tag in der Geschichte von siwiarchiv.de: 176 Besucher klickten insgesamt 1124 Seiten des Blogs an. Auch sind es schon 150 Besucher mit 339 Seitenzugriffen. Der Blick in der Werkstatt der Historiker und Archivare ist also interessant!
4) Übrigens zum Vergleich der derzeit gültige Wikipedia-Artikel:
„Heinrich Otto (Nordrhein-Westfalen)
Heinrich Otto (* 5. August 1893 in Siegen; † 31. Juli 1983) war ein Landtagsabgeordneter der KPD in Nordrhein-Westfalen.
Otto war 1946 Landrat des Kreises Siegen und in der ersten Ernennungsperiode Mitglied des ernannten Landtages von Nordrhein-Westfalen.“
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Otto_%28Nordrhein-Westfalen%29
Traute Fries weist zur frag-würdigen Berufstätigkeit Heinrich Ottos auf folgende Quellen hin:
1) Der Pazifist Nr. 8 v. 22.2.1925, „Pazifisten sind Freiwild in der „freiesten Republik“ Unglaubliche Unternehmer-Freiheiten.“:
[…] „Der erfolgreiche Leiter der pazifistischen Bewegung im Siegerlande, unser Freund Otto, war jahrelang als Angestellter bei einer Siegener Firma tätig. Er ist, obgleich 100 Proz. kriegsbeschädigt, zum 1. Januar 1925 gekündigt worden.“
2) Bernd Schlenbäcker, Biographische Erkundungen zur Zeitgeschichte des Siegerlandes, Kassel 1978, S. 185. „Er [H.O.] war ja schwerbeschädigt und eine Zeitlang war er dann noch beschäftigt. Nachher gab er die Beschäftigung auf und lebte nur noch zum Einsatz für die Friedensgesellschaft. Er konnte sich das erlauben auf Grund von seiner Kriegsbeschädigtenrente.“ (Interview Wilhelm Fries)
Eine wenn auch nur schwache Spur läßt sich vielleicht noch verfolgen (von jemandem, der Zeit hat): Es ist anzunehmen, dass auch in Siegen besondere Kurse für Kriegsversehrte angeboten worden waren. Da Heinrich Otto in einem Adressbucheintrag als „Maschinentechniker“ geführt wurde, wäre es denkbar, dass er nach seiner Verwundung einen entsprechenden Kurzlehrgang besucht hatte. Hierfür wären in Siegen die Eisenfachschule (Akten allerdings verloren) oder die Städtische Fortbildungsschule in Frage gekommen. Hilfreich wären wohl die Unterlagen des „Kriegsbeschädigten-Fürsorge-Ausschusses für den Kreis Siegen“, wo immer diese (wenn überhaupt) liegen. Der Ausschussvorsitzende war anscheinend Landrat Bourwieg. (Die Online-Findbücher zu den Beständen „Landratsamt“ und „Kreisausschuss Siegen“ sind vom Landesarchiv leider vor Monaten aus dem Verkehr gezogen worden.) Beim LWL-Archivamt würde ich in den Beständen 610 bis 612 nur Allgemeineres vermuten, aber man kann ja nie wissen …
P.K.
1) Dem Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein lagen bis zur Publikation hier auf siwiarchiv folgende Reaktionen von in der Siegerländer Zeitgeschichte bewanderten Personen vor:
a) “ …. .es gibt halt immer was zu mäkeln, das sehen Sie ja. Das soll aber den Blick auf das positive Anliegen und seine ansonsten doch wohl gelungene Umsetzung nicht trüben.“
b) “ …… Eine schöne Arbeit, die mir viel Neues eröffnete. Für mich war vor allem die Kontaktaufnahme mit Kämer neu und interessant! …..“
2) Die unpräzise Formulierung, dass die RGO kommunistisch seien, scheint u.a. ihren Ursprung in der Darstellung D. Pfaus zu haben – s. „Christenkreuz und Hakenkruez. Siegen und das Siegerland am Vorabend des „Dritten Reiches“, Bielefeld 200, S. 197).
3) Als weitere Quelle zur Biografie diente das in Kraumes Literaturliste angegebene Handbuch Opfermanns. Der maßgebliche Eintrag sauf S. 243 soll hier zitiert werden:
„Otto, Heinrich
*5.8.1893, gest. 31.7.1983 Siegen, Siegen, Kulturbautechniker, im 1. Weltkrieg schwer verletzt (beide Unterschenkel amputiert), KPD (1928ff.), als Bezirksleiter der DFG intensive Aktivität im Raum Siegerland/Dillkreis, Liga gegen den Kolonialismus, nach der Machtübergabe mehrfach inhaftiert, noch in der Zusammenbruchphase Reorganisation der KPD, Politischer Leiter Kreis Siegen (=Stadt Siegen, Krse Siegen, Olpe, Wittgenstein)(bis 1947), Anfang der 1950er JahreAusschluß, dann parteilos, Beratender Ausschuß für den Land- und Stadtkreis Siegen (1945-46), LR Kr. Siegen (1946), Mitgl. Kr-Vorst. Verband der Kriegs-, Bomben- unbd Arbeitsopfer, erster Arbeitsdirektor der Hüttenwerke Geisweid AG, (später Stahlwerke Südwestfalen AG) ….“
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Die Diskussion um die Erarbeitung der Biographie Heinrich Ottos wird hier besprochen: http://archiv.twoday.net/stories/97017522/
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Findet sich hier etwas über Heinrich Otto, das über das bisher hier publizierte hinausgeht:
Deutsche Kommunisten: biographisches Handbuch 1918 bis 1945
Autoren Hermann Weber, Andreas Herbst
Verlag K. Dietz, 2004
Länge 992 Seiten?
Gute Idee, leider Fehlanzeige. Ich habe in unser Bibl.-Ex. geschaut. Es gibt da zwar zufällig einen Heinrich Otto, aber nicht „unseren“.
P.K.
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Ein Fundstück in der „Freiheit“ vom 19. Februar 1929: Dort wird Heinrich Otto im Zusammenhang mit einem Ausschlussverfahren als Siegener Ortsgruppenvorsitzender des Verbandes für Freidenkertum und Feuerbestattung erwähnt.