Gebäudetechnik geht nach und nach in Betrieb – Schlussabnahmen folgen
Rund elf Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs in der Kölner Südstadt ist der Neubau am Eifelwall für das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv wie vorgesehen weitgehend fertiggestellt. Um die nächsten Schritte vorbereiten zu können hat in dieser Woche zwischen der städtischen Gebäudewirtschaft und den künftigen Nutzern eine Begehung der Räumlichkeiten stattgefunden. Anhang eines so genannten „Raumbuchs“, in dem die Flächen, Räume und technischen Sonderanforderungen für ein solch spezielles Gebäude beschrieben sind, erfolgten die Absprachen vor Ort.
Die Gebäudetechnik wird nun nach und nach in Betrieb genommen und einreguliert, so dass für einen technischen Nutzungsbeginn im Frühjahr 2021 insbesondere die verschiedenen Raumklimazonen hergestellt sind. Nach der baulichen Fertigstellung müssen dann noch die Übergabe des Gebäudes und die notwendigen Bauabnahmen erfolgen. Der genaue Bezugstermin für das neue Gebäude wird noch festgelegt.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker:
Planerisch wie baulich wurde hier Großartiges realisiert. Entstanden ist Europas modernstes kommunales Archiv mit einer Gebäudetechnik, wie sie so noch nie entwickelt und verbaut wurde. Mit der gemeinsamen Nutzung dieses hochmodernen Gebäudes durch das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv verfügen wir künftig über einen großartigen Archivkomplex mit europaweiter Ausstrahlung. Nun kann die städtische Archivwelt nach Jahren des Wartens und der Ungewissheit endlich einen mutigen Blick in die Zukunft werfen.
Bei dem Neubau für das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv handelt sich um ein technisch äußerst anspruchsvolles Gebäude mit sehr hohen Anforderungen an die Klimastabilität, die die empfindlichen Archivalien benötigen. Das Gebäude verfügt mit einem Eisspeicher, einer so genannten „Hüllflächentemperierung“ für den Magazinbaukörper, sowie Geothermie und Photovoltaik über ein komplexes Energiekonzept, das auch von der Fachwelt interessiert verfolgt wird.
Planung und Bau
Der architektonische Entwurf stammt aus dem Büro „Waechter + Waechter Architekten Darmstadt“. Dieses konnte sich in einem Wettbewerb, für den nationale und internationale Architektenteams im Juni 2011 insgesamt 40 Entwürfe eingereicht hatten, durchsetzen. Entsprechend des Siegerentwurfs „umarmt“ eine dreigeschossige Mantelbebauung die Archivalien aus dem langgestreckten Schutzbau, auch „Schatzhaus“ genannt. In einer „ruhigen, zeitlos unaufgeregten Architektursprache“ erhebt sich der fensterlose „auratische Block der Magazine im Schatzhaus“.
Die Höhe der Mantelbebauung mit drei Geschossen bleibt unter den Traufhöhen der bestehenden Bebauung mit vier bis fünf Wohngeschossen am Eifelwall. Rundum zeigt sich das Stadtarchiv mit einer belebten Fassade aus in der Sonne schimmernder Baubronze. Das „Schatzhaus“ überragt seiner Bedeutung entsprechend die Mantelbebauung um drei Geschosse und soll damit auch in der Fernwirkung sichtbar sein. Die Höhe des eingestellten Baukörpers entspricht den Firsthöhen der Bestandsbauten an der Ecke Luxemburger Straße. Da der Baukörper von allen Seiten stark eingerückt ist, korrespondiert die Höhe städtebaulich mit den Zielen des Masterplans. Die Mantelbebauung öffnet sich nach Nordwesten mit der Stirnseite zur Luxemburger Straße. Die Gebäudekante folgt bewusst nicht der Straßenkante, um eine asymmetrische Aufweitung des Straßenraums zu erreichen.
Zwischen dem Magazin/Schatzbau und dem umlaufenden „Schutzmantel“ sind ein quadratischer und ein längs gerichteter Innenhof eingeschnitten. Das Grün der angrenzenden Parklandschaft kann so im Innenbereich fortgeführt werden. Die Erschließungsflächen im Innern mit Blick auf das Grün werden natürlich belichtet. Unmittelbar an das Magazin grenzen längsseitig im Nordosten Labore und Werkstätten für das Historische Archiv und das Rheinische Bildarchiv an. Nach Südwesten liegen ebenfalls längsseitig, zum Park ausgerichtet, die Verwaltungsflächen.
Äußere Erschließung
Der Haupteingang liegt mit seinem angemessen großzügigen Vorbereich an der Luxemburger Straße. Von hier betritt der Besucher den Kopfbau und befindet sich in einem lichtdurchfluteten Foyer mit Blick in den Innenhof und vertikal in den Lesesaal. Die gesamte Struktur des Gebäudes ist von hier aus leicht zu erkennen. Für die Mitarbeitenden sind am Eifelwall Eingänge vorgesehen, die jeweils übersichtlich in das Ringsystem der inneren Erschließung münden. Nach Süden zum Park sind die erforderlichen Notausgänge angeordnet. Die Anlieferung erfolgt an der Südostecke vom hier gelegenen Parkplatz, die gemeinsame Zufahrt wird vom Eifelwall erschlossen.
Innere Erschließung
Der Bau gliedert sich in den externen, öffentlich zugänglichen Bereich des Kopfbaus und den internen Bereich für die Magazine sowie die Mantelbebauung mit Büros und Werkstätten. Die Orientierung im Inneren wird durch die Einblicke in die verschieden großen Innenhöfe gewährleistet, das horizontale Wegesystem ist so leicht erfassbar. An den Kreuzungspunkten ist die weitere Erschließung mit Treppen und Aufzügen übersichtlich angeordnet.
Öffentlicher Bereich: Foyer I/Veranstaltungen
Der Besuchereingang und der Ausstellungsraum öffnen sich großzügig und schwellenlos zum Vorplatz. Der Ausstellungsraum kann – je nach Ausstellungskonzept – schaufensterartig vom Vorplatz eingesehen werden und verleiht so der Bedeutung des Gebäudes als Bürgerarchiv Ausdruck. In Eingangsnähe ist die Nutzergarderobe in Verbindung mit der Funktion als Windfang angeordnet. Das hieran anschließende Foyer erstreckt sich entlang der Innenhoffassade, der Blick schweift von hier in den kontemplativen, begrünten Innenhof und auf das Gegenüber des Magazinbaus. Jenseits des Innenhofs öffnet sich der Ausstellungsraum auf ganzer Länge zum Foyer hin, Ausstellungen können so einladend inszeniert werden. Durch den dreigeschossigen Luftraum entlang der Innenhoffassade ist das Foyer räumlich mit dem Lesesaal im ersten Obergeschoss verknüpft, den der Besucher auf kürzestem Wege über eine einladende Freitreppe erreicht.
Öffentlicher Bereich: Lesesaal
Im ersten Obergeschoss ist der gemeinsame Lesesaal beider Archive angeordnet. Direkt am Eingang wird der Besucher von der Aufsicht empfangen. Von dort ist auch der gesamte Lesesaal gut einsehbar. Die Arbeitstische und Lesetische sind für eine optimale Belichtung an der Nordfassade angesiedelt. Der Freihandbereich und Karteischränke des Rheinischen Bildarchivs sind in raumhohen Regalen in der Mittelzone vorgesehen. Die Regale bilden atmosphärisch und akustisch eine Filterzone zum Luftraum der Halle. Zum Park sind räumlich getrennt die Gruppenarbeitsräume angeordnet. Die Herausgabe von Archivalien aus den verschiedenen Magazinen des Archivbaus erfolgt auf sehr kurzen Wegen.
Teilöffentliche und nichtöffentliche Bereiche: Werkstätten/Verwaltung/Anlieferung
Sämtliche Archivflächen sind im Magazinbau (Schatzhaus) untergebracht. Die Magazinräume erstrecken sich über alle Geschosse vom Untergeschoss bis in das fünfte Obergeschoss und werden zweibündig über eine mittige Erschließungsachse mit Anbindung an den zentralen Lastenaufzug erschlossen. Diese Anordnung ermöglicht es, das natürliche Kältepotential des Erdreichs zur passiven Kühlung im Sommer optimal zu nutzen.
Die Werkstätten mit größerer Raumtiefe sind nach Nordosten zum Eifelwall und nach Südosten zum Parkplatz angeordnet. Nach Südwesten zum Grünbereich liegen die Verwaltungsräume. Alle Restaurierungswerkstätten des Historischen Archivs können im zweiten Obergeschoss auf einer Ebene mit den Büros der Restauratoren angesiedelt werden, während die Werkstätten und Fotolabore des Rheinischen Bildarchivs im ersten Obergeschoss nahe der eigenen Verwaltung und Magazine gelegen sind.
Der zweigeschossige Anlieferungsbereich grenzt direkt an den Werkstattbereich an, so dass Archivgut und Arbeitsmaterial nach eventueller Zwischenlagerung und entsprechender Bearbeitung in die Werkstätten und Magazinräume transportiert werden kann.
Architektonische Gestaltung: Fassade
Das städtebauliche Konzept mit einem mantelartigen Schutzbau um die zu schützenden Archivalien wird durch die allseits umlaufenden Fassaden unterstützt. Die transparenten Fassaden des Mantelbaus mit der davor angeordneten feingliedrigen Fassadenstruktur aus Baubronze nehmen die in der Umgebung vorhandenen Proportionen auf. Zugleich öffnet sich das Gebäude als Bürgerarchiv freundlich, schaufensterartig in die Straßenräume und Grünräume. Einblicke und Ausblicke tragen zur Belebung des öffentlichen Raums bei.
Tiefe, außenseitig vor die Fassaden gehängte Lamellen aus brünierter Baubronze bilden eine feingliedrige „brise Soleil“. Das etwa 80 Zentimeter tiefe starre Sonnenschutzsystem wirkt so als feststehender Sonnenschutz, der direkte Sonneneinstrahlung weitgehend verhindert und damit das direkte Sonnenlicht in den Werkstatträumen und Büroräumen erheblich reduziert. Zugleich werden durch die Transparenz der Fassade eine hohe Lichtqualität am Arbeitsplatz erzielt und so die Zeiten für Kunstlichtzuschaltung gering gehalten.
Die geplante Fassadenkonstruktion ermöglicht es somit, die hohen Anforderungen an das Raumklima einzuhalten und den haustechnischen Aufwand zu reduzieren. Sie ist damit im besten Sinn nachhaltig und wirtschaftlich. Durch ihre tiefen Laibungen wird ein schönes und ständig wechselndes Licht- und Schattenspiel erreicht. Die transparent gestaltete Fassade wirkt je nach Blickwinkel völlig unterschiedlich, offen und geschlossen zugleich. So wird auch den hohen energetischen aber auch den konservatorischen Anforderungen entsprochen. Durch die changierende Farbigkeit der Baubronze wird zudem eine lebendige und mit schöner Patina alternde Anmutung erzielt. Die Fassade verkörpert so nach außen den Anspruch und das Selbstverständnis des Stadtarchivs als Speicher und Schatzhaus der Geschichte und als einladender, anziehender Mittelpunkt der Geschichtsvermittlung und des Geschichtsaustauschs.
Architektonische Gestaltung: Innenbereich
Die öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss sowie der Lesesaal im ersten Obergeschoss mit ihren Holzverkleidungen aus weiß geölter Douglasie sind freundlich und einladend, vermitteln jedoch auch die notwendige Ruhe. Die geplanten Oberflächen Holz und Sichtbeton sind bestens geeignet, die hohen Anforderungen an Raumakustik und Klima zu erfüllen. Der intime, galerieartig im ersten Obergeschoss gelegene Lesesaal mit den Leseplätzen und Arbeitsplätzen und die offenen Räume der Ausstellung und des Eingangsbereichs – hier stehen Dichte und Weite in einem spannungsvollen Verhältnis. Durch die differenzierten und wohl gestalteten Raumsequenzen entsteht eine offene und abwechslungsreiche Arbeitsumgebung mit „fließenden“ Räumen, die zugleich auch eine Abgrenzung der verschiedenen Funktionen ermöglicht. Die Sichtbeziehungen im Erdgeschoss tragen zu einer Atmosphäre von Offenheit und Kommunikation bei, die vielfältigen Ausblicke aus dem Lesesaal bilden den Rahmen für das konzentrierte Arbeiten an den Lesetischen.
Vergangenheit und Zukunft
Beim Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009 befanden sich rund 27 laufende Kilometer Akten, etwa 62.000 Urkunden, etwa 329.000 Karten, Pläne und Plakate, etwa 500.000 Fotos sowie annähernd 2.500 Tonträger und Videos im Archiv. In der mit Unterbrechungen rund zweieinhalb Jahre dauernden Bergungsphase wurden 95 Prozent davon geborgen. Zu diesem Erfolg haben sowohl die Akuthilfe der Hilfsorganisationen, freiwillige Helfer, der Bau des Bergungsbauwerkes und insbesondere die Bereitschaft anderer Archive in der Bundesrepublik beigetragen, Bestände, die nicht in Köln untergebracht werden konnten, aufzunehmen.
Am Eifelwall werden auf einer Gesamtfläche von etwa 22.584 Quadratmetern rund 50 Regalkilometer und 460 Planschränke für das Archivgut zur Verfügung stehen. Das Rheinische Bildarchiv verfügt über weitere rund 2,2 Regalkilometer Lagerfläche. Der Neubau bietet gleichzeitig rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hochfunktionale Arbeitsplätze. Im Lesesaal stehen 45 Plätze für die Arbeit mit Archivgut zur Verfügung. Die Planungskosten und Baukosten betragen vorbehaltlich der noch ausstehenden Schlussrechnungen für die abschließende Kostenfeststellung aktuell rund 90 Millionen Euro.
Zahlen und Daten
Grundstücksfläche: rund 9.250 Quadratmeter
Bruttogrundfläche: rund 22.584 Quadratmeter, davon 10.600 Quadratmeter für Schatzhaus/Magazin
Nutzfläche insgesamt: rund 14.493 Quadratmeter, davon 8.800 Quadratmeter für Schatzhaus/Magazin
Bruttorauminhalt: rund 81.500 Kubikmeter
Raumprogramm: Foyer, Ausstellungsraum, Vortragsraum, Lesesaal (öffentlicher Bereich); Büros/Verwaltung (bedingt öffentlicher Bereich) und Magazine, Anlieferung, Werkstätten/Labore (nichtöffentlicher Bereich).
Quelle: Stadt Köln, Pressemitteilung, Sonntag, 20. Dezember 2020, 18:01 Uhr
Zum Einsturz des Stadtarchivs Köln s. auch folgende Beiträge auf siwiarchiv