Prof. Dr. Veronika Albrecht-Birkner, Sommersemester 2013, ab 8.4.2013, Mo 16-18, Ev. Theologie
Inhalt
Im kommenden Jahr nähert sich das 100jährige Gedenken an den Ausbruch des I. Weltkriegs, den man durchaus sachgerecht als ‚europäische Urkatastrophe‘ bezeichnen kann. Im Vergleich zur NS-Zeit und zum II. Weltkrieg wird der I. Weltkrieg aber seltener thematisiert – erscheinen die Ereignisse der Jahre 1914 bis 1918 in diesem Vergleich doch als relativ ‚harmlos‘. Was man sich dabei selten klar macht, ist die Tatsache, dass zwischen dem Ende des I. Weltkriegs und der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland nur 15 Jahre lagen und dass die Begeisterung für Hitler nicht zu verstehen ist ohne danach zu fragen, was der I. Weltkrieg und sein Ausgang für die Deutschen bedeutete. Wer sich dafür interessiert, wie Faschismus möglich wurde, muss letztlich danach fragen, welche Menschen ihn ermöglichten: und dies waren eben die insbesondere durch die Erfahrungen und Folgen des I. Weltkriegs geprägten Menschen.
Im Blick auf solche Kontinuitäten spielten die protestantischen Kirchen und die einzelnen Kirchengemeinden mit ihrer ausgeprägten Memorialkultur eine nicht unbedeutende Rolle. In diesem Seminar soll es deshalb darum gehen, am Beispiel protestantischer Kirchengemeinden und Gemeinschaften im Siegerland und in Wittgenstein exemplarisch zu ergründen, wie der I. Weltkriegs erlebt wurde und wie man kurz- und längerfristig darauf reagierte. Dabei wird es ebenso um die Rolle von Pfarrern, Presbyterien, Gemeinschaften, einzelnen Gemeindegliedern und kirchlichen Vereinen gehen wie um Soldaten- und Gefangenenseelsorge (z.B. Feldpostbriefe), um die Abgabe von Glocken und Orgelpfeifen und Aspekte einer gezielten Erinnerungskultur (Gedenkfeiern, Denkmäler, Gedenktafeln). Da wir über diese Vorgänge bislang wenig wissen, werden wir mit handschriftlichen und gedruckten Quellen arbeiten, die in den jeweiligen Pfarr- und Gemeinschaftsarchiven überliefert sind. D.h., Fähigkeiten im Lesen von Handschriften sind erwünscht, können aber auch im Seminar erworben werden.
Da die TeilnehmerInnen nicht nur Kopien, sondern auch Originaldokumente in die Hand bekommen sollen, werden zwei Sitzungen in Form einer halbtägigen Exkursion im Kreiskirchenarchiv in Bad Berleburg stattfinden.
Quelle: Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis der Mittwochsakademie der Universität Siegen.