Thomas Ijewski, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Freudenberg, staunte nicht schlecht, als am Mittwoch, den 23. März dieses Jahres Christine Kretschmer an der Türe des Pfarrhauses klingelte und einen alten Teller in Händen hielt. Beide kannten sich von der Vorbereitung der Beerdigung von Hermann Bäumer, aus dessen Nachlass der Teller stammte. Der alte Teller rückte ins Interesse des historisch interessierten Freudenberger Pfarrers.
In einem Pressegespräch in den Räumen des Freudenberger Stadtmuseums 4Fachwerk, im berühmten Alten Flecken mit den historischen Fachwerkhäusern gelegen, erzählten jetzt Thomas Ijewski und Christine Kretschmer die interessante Geschichte des verschwundenen und wieder aufgetauchten alten Zinntellers.
Mit Datum vom 1. Mai 1669 schrieb Fürst Johann Moritz an die Pfarrer von Siegen und den Kirchengemeinden von „Hilchenbach, Müßen, Crombach, Ferndorf, Freudenberg, Holtzklau und Oberfischbach“ einen Brief und vermachte ihnen jeweils einen „großen Silber Becher und Teller“ zum Gebrauch des Abendmahls.
Dieser silberne Abendmahlskelch mit der eingravierten Jahreszahl 1664 und dem Namen des Schenkers, so Pfarrer Ijewski, ist in der Kirchengemeinde Freudenberg nicht mehr in Gebrauch, da er im Laufe der Zeit undicht wurde. Heute verwendet die Kirchengemeinde eine Nachbildung des Originals.
Im Gebrauch der Kirchengemeinde ist zudem ein silberner Abendmahlsteller mit einer umlaufenden Textgravur und der Jahreszahl 1690. Die Gravur lässt Fürst Wilhelm Moritz, den Neffen und Adoptivsohn von Johann Moritz, als Stifter erkennen. Ijewski erklärte, dass der Abendmahlsteller aus Silber der Oberfischbacher Silbergrube hergestellt sei.
Der Zinnteller, den Christine Kretschmer im Nachlass ihre Onkels fand und im März der Kirchengemeinde zurückgab, ist kleiner als der im Gebrauch befindliche Silberteller von 1690. Schnittspuren deuten darauf hin, dass ihn die Kirchengemeinde als Abendmahlsteller verwendete und auf ihm Brot geschnitten wurde. Ijewski vermutet, dass der zu kleine Zinnteller bereits einige Jahre später durch den größeren Silberteller ersetzt wurde. Der Zinnteller trägt rückseitig die Prägung einer Rosenmarke, die für eine bestimmte Zinnqualität steht, und einer Meistermarke (Hände mit Hammer).
Aber wieso und wohin verschwand der Teller aus der Kirchengemeinde? Ijewski forschte nach und fand einen Eintrag im Protokollbuch der Evangelischen Kirchengemeinde Freudenberg vom 13. Juli 1926: „Dem Invaliden Otto Bäumer wurde für das Ordnen der Kirchenakten und das Herrichten der alten Tauf- und Abendmahlsgeräthe aus d[er] Kirchenkasse 30 M[ark] bewilligt.“
Bei den Aufräumarbeiten auf dem Kirchenspeicher fand Bäumer damals eine alte Kiste fest verschlossen, in der sich die ersten Tauf- und Abendmahlsgeräte der Kirchengemeinde befanden. Darunter auch der Zinnteller, auf dem der Name „FREUDENBEBG“ (fehlerhaft für „Freudenberg“) und auf der gegenüberliegenden Seite das Kreuz des Johanniterordens eingraviert ist. Otto Bäumer war kirchen- und ortsgeschichtlich sehr interessiert und schrieb auch viel darüber. Es wird vermutet, dass der Teller im Zuge solcher Arbeiten in das Haus Bäumer kam. Otto Bäumer verstarb sehr plötzlich und der Zinnteller verblieb unbeachtet in Familienbesitz. Mit der Familie zog der Teller nach Köln, über Saarbrücken nach Frankreich und wieder zurück nach Köln. Zuletzt besaß ihn Otto Bäumers Sohn Hermann, der ohne Nachkommen starb. Seine Patentochter Christine Kretschmer fand den Teller im Nachlass und übergab ihn wieder der Evangelischen Kirchengemeinde. Bis zum 21. August sind die historischen Gerätschaften der Kirchengemeinde noch in einer Ausstellung im Stadtmuseum Freudenberg „4Fachwerk“ zu sehen.
Quelle: Medien-Info, Evangelischer Kirchenkreis Siegen, Karlfried Petri