Eine Einladung zum Weiterforschen
Biographische Angaben:
* 20.6.1880 Siegen, gest. 15.1.1970 Düsseldorf, ev.
Hermann Reuter wurde als Sohn des Siegener Konditors Jakob Reuter (1838–1909) und der Wilhelmine geb. Melsbach (1843–1918) geboren. Er hatte vier Geschwister: Berta (* 1872), Hanna (* 1874), Elise (* 1876), Ernst (* 1882) und war nicht verheiratet.
Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er auf das städtische Realgymnasium. Ab 1899 studierte Reuter Germanistik, Anglistik und Romanistik in Bonn. An der Universität Bonn und trat er der Bonner Burschenschaft Alemannia bei. Später studierte er an der Uni Leipzig, wo er besonders durch den Germanisten Eduard Sievers geprägt wurde, sowie an der Universität Freiburg. Dort promovierte er 1903 bei seinem Lehrer Friedrich Kluge, dem Verfasser des Etymologischen Wörterbuches der deutschen Sprache und Herausgeber der Zeitschrift für deutsche Wortforschung, mit seinen Beiträgen zur Lautlehre der Siegerländer Die Staatsprüfung für das höhere Lehramt – in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Französisch – absolvierte er 1905 in Karlsruhe. Im Mai 1904 wurde Reuter für zwei Jahre Volontär an der Universitätsbibliothek Freiburg und übernahm ab 1. April 1906 eine Hilfsarbeiterstelle an der Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf. Bereits nach einem Jahr wurde er zum Bibliothekar ernannt und war fortan im wissenschaftlichen Dienst tätig.
Aufgrund seines schwachen Konstitution wurde er nicht zum Militärdienst in den Ersten Weltkrieg einberufen. Dafür gründete er eine Stelle für Verwundete, Gefangene und Vermisste, die spätere Abteilung 19 der Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit innerhalb der Düsseldorfer Stadtverwaltung.
Mit dem Ausscheiden von Constantin Nörrenberg übernahm Hermann Reuter 1928 die Leitung der Düsseldorfer Bibliothek, die er bis 1950 innehatte.
Hermann Reuter gehörte folgenden Vereinen an: Reichskolonialbund („früher Kolonialverein“, 1899ff.), dem „Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA)“ („früher Deutscher Schulverein“, 1899ff.), dem Künstlerverein Malkasten, der Vereinigung alter Burschenschafter, dem Bund deutscher Bodenreformer, der Gutenberg-Gesellschaft, die Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein und zahlreichen weiteren Vereinen.
Seit 1933 war Reuter Förderndes Mitglied der SS.
Während des Entnazifizierungsverfahrens 1947 wurde er quasi als „Gegner des Nationalsozialismus“ in die Kategorie V (Entlastete) eingruppiert – Reuters Selbstaussage hierzu „Wir haben uns nie als Mitglieder, sondern als die ersten Opfer der SS gesehen.“
Daneben widmete er sich sprachwissenschaftlichen Forschungen, insbesondere zur Mundart seiner siegerländischen Heimat. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Siegener Realgymnasiallehrer Jacob Heinzerling verfasste er zwischen 1932 und 1938 das Siegerländer Wörterbuch. – Dafür verbrachte Hermann Reuter seinen Urlaub damit, die Orte und Grenzorte des Kreises Siegen zu besuchen, um die Sprache dort zu erfassen
Für eine zweite. Auflage des Siegerländer Wörterbuchs zog er weiterhin durch das Siegerland.
Durch einen persönlichen Kontakt zu Fürst August zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein veranlasste Reuter im Herbst 1943 die Auslagerung der Heine-Sammlung von der durch Kriegseinwirkung bedrohten Düsseldorfer Landes- und Stadtbibliothek in die Kapelle von Schloss Wittgenstein. Dort wurde sie im Februar 1947 auf Weisung der englischen Militärregierung, Abt. Schöne Künste wieder abgeholt und nach Düsseldorf zurückgebracht. Im Dezember 1949 ging er mit 69 Jahren in Rente.
Unter anderem für die Rettung des Heinrich-Heine-Archivs im Dritten Reich wurde Hermann Reuter am 5. April 1957 mit dem Bundesverdienstkreuz (I. Klasse) ausgezeichnet. Sein Nachlass befindet sich in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.
Sonstiges
Straße in Derendorf, einer der jüngsten Neubenennungen einer Straße Anm.: Kommentar [s.u., 20.9.24]
Quellen:
Regionales Personenlexikon zum Nationalsozialismus in den Altkreisen Siegen und Wittgenstein, Link: http://akteureundtaeterimnsinsiegenundwittgenstein.blogsport.de/a-bis-z/gesamtverzeichnis/2/#reuter6 (Aufruf 22.8.2019): LA NRW, Abt. Rheinland, NW 1.002-AD-25.692; Irle 1974, 268
Seite „Hermann Reuter (Bibliothekar)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Dezember 2019, 21:51 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hermann_Reuter_(Bibliothekar)&oldid=194641943 (Abgerufen: 10. Juni 2020, 13:44 UTC)
Publikationen Reuter:
- Landes- und Stadtbibliothek, In: Zentralblatt für Bibliothekswesen Bd. 50, 1933: 292-293
- 25 Jahre Landes- und Stadt-Bibliothek / von Hermann Reuter. – [S.l., 1929].
- Jakob Heinzerling und Hermann Reuter: Siegerländer Wörterbuch. 2. Auflage, neu bearbeitet von Hermann Reuter, Herausgegeben von der Stadt Siegen, Forschungsstelle Siegerland, Verlag Vorländer Siegen, 1968.
- Reuter, Hermann: Beiträge zur Lautlehre der Siegerländer Mundart. Mit 3 Sprachkarten z. Geogr. d. Siegerl. Mundart. – Halle 1903: Karras. 63 S. Freiburg, Phil. Diss. 1903
- Reuter, Hermann: Von der Arbeit am Siegerländer Wörterbuch – in: Siegerland. Bd 18, 1936, S. 27 – 30
- Heinzerling, Jakob/Hermann Reuter: Siegerländer Wörterbuch. Hrsg. im Auftrag des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten zu Siegen. – Siegen: Vorländer 1932 – 1938. XXIV, 354 S. Bespr.: Westfäl. Forschungen. Bd 2, 1940, S.276 – 279 (Felix Wortmann)
- Heinzerling, Jakob/Hermann Reuter: Siegerländer Wörterbuch. 2. Aufl. Neu bearb. v. Hermann Reuter. – Siegen: Vorländer 1968. XXVIII, 582 S., 66 Kt.
- Reuter, Hermann: Landschafts- und Ortsneckereien im Siegerland. Ein Beitrag z. Volkskunde – in: Siegen und das Siegerland 1224 – 1924. Festschrift. Siegen 1924. S. 98 – 103
- Reuter, Hermann: Da gonacht Elz! – in: Siegerland. Bd 28, 1951 S 63/64
- Reuter, Hermann: Vom Bergmanngruß „Gückauf“ – in: Siegerländer Heimatkalender. Jg 30, 1955, S. 81 – 83
- Reuter, Hermann: Das Buch von Heinrich Stillings Jugend und die Siegerländer mundartliche Dichtung als Spiegelung Siegerländer Wesens – in: Siegerland. Bd 23, 1941, S. 49-60
- Reuter, Hermann: Die Familiennamen im ältesten Siegener Bürgerverzeichnis von 1455/56 – in: Siegerland. Bd 8, 1926, S. 84 – 88
- Reuter, Hermann: Eiserfelder Heimatgedichte von Karl Hartmann, mit einigen Bemerkungen über den Dichter und über das Siegerländer Plattdeutsche Schrifttum überhaupt – in: Siegerland. Bd 4, 1919 – 22, S. 120 – 126
- Reuter, Hermann: Jakob Heinzerling als Sprachforscher. [Mit Verzeichnis der] Veröffentlichungen von Jakob Heinzerling – in: Siegerland. Bd 8, 1926, S. 66 – 69
- Reuter, Hermann: Jakob Heinzerling † – in: Hess. Blätter für Volkskunde. Bd 39, 1941, S. 174 – 176
- Reuter, Hermann: In Memoriam Jakob Heinzerling – in: Siegerland. Eine Schriftenreihe. H. 4, 1948, S. 57 – 62
Quellen/Literatur/Medien (noch auszuwerten)
- Stadtarchiv Siegen, Nachlass Hermann Reuter
- Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, Nachlass Hermann Reuter
- Stadtarchiv Düsseldorf V 37371/Personalakte Dr. Hermann Reuter.
- HeinrichHeineArchiv Düsseldorf Sammlung Hermann Reuter
- Universitätsarchiv Freiburg, B 0042 (Philosophische Fakultäten, Promotionen (1860-1979)), 1435, Hermann Reuter, 1903
- Universitätsarchiv Freiburg, D 0029 (Doktordiplome aller Fakultäten (1879-1965)), 11-3356, Hermann Reuter, 1904-Februar-18
- Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, NWO
- Die Rettung der Heine-Sammlung. Rheinische Post, Nr. 99, 13. Dezember 1947
- Verdienstkreuz für Hermann Reuter. Düsseldorfer Nachrichten, 11. Juni 1957
- Bücher trotzen den Stürmen der Zeit. Der Hüter der Stadt- und Landesbibliothek, Dr. Reuter, 80 Jahre. Düsseldorfer Nachrichten, 8. Juni 1960
- Hermann Reuter (1880–1970), Erinnerungen an unseren lieben Ohm Hermann. Ingrid u. Rainer Rüsch, Baden-Baden 1996 (vervielfältigte Maschinenschrift; Ex. u. a. in der Univ.- und Landesbibliothek Düsseldorf).
- Joseph A. Kruse, Heine und Düsseldorf, 1984, S. 122
- Gertrude Cepl-Kaufmann, Winrich Meiszies, Frank Thissen: Das Literarische Düsseldorf: zur kulturellen Entwicklung von 1850-1933, 1988
- Jan-Christoph Hauschild, Michael Werner: Heinrich Heine, 2002, S. 151
- Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin, Frankfurt am Main 2010
- Heine-Jahrbuch, Bd. 33, 1994, S: 226
- Mitteilungen der Heinrich-Heine-Gesellschaft, Düsseldorf, 1966, (S. 26), 1972
- Bibliotheksdienst, 1970
- Willy Nolte (Hrsg.): Burschenschafter-Stammrolle. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft nach dem Stande vom Sommer-Semester 1934. Berlin 1934. S. 393.
- Hermann Reuter: Die Rettung der Heine-Sammlung. Nachdruck der Veröffentlichung aus Rheinische Post, Nr. 99, 13. Dezember 1947 In: Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins,Jg. 87, September 1999, Bd. 63, H. 3, S. 101–103.
- Hermann Reuter: Verwundet – vermisst – gefangen: Bericht über die Tätigkeit der Abteilung 19 der Zentralstelle für Freiwillige Liebestätigkeit Düsseldorf, 1920
Zur Straßenbennung in Düsseldorf gibt der Abschlussbericht des Beirats zur Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen (Langfassung 2020), S. 312, an: “ …. Die „Hermann-Reuter-Straße“ wurde – anders als in der „Straßenbenennungsliste nach 1997“ angegeben – nicht nach dem ehemaligen Leiter der Stadt- und Landesbibliothek, sondern nach einem SPD-Lokalpolitiker benannt, der biographisch unverdächtig ist. ….“
Aus dem Abschlussbericht geht hervor, dass Reuter auch an folgende Straßenbenennungen in Düsseldorf angeregt hat:
16.12.1937: Leutweinstr. nach Theodor Gotthilf Leutwein, Lüderitzstr. nach Franz Adolf Eduard von Lüderitz; Petersstr. nach Carl Peters; Woermannstr. nach Adolph Woermann
19.5.1938: Schlieffenstr nach Alfred Graf von Schlieffen
März 1947: Münchhausenweg nach Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen
Die oben erwähnte Entnazifizierungsakte kann online eingesehen werden.