Tagebuch einer Bestandsaufnahme
Die schönsten Bewerbungsschreiben des Bestandes:
Sehr geehrter Herr Dr. Kruse,
durch Herrn Landesrat Dr. Nannen (?) Naunin erfuhr ich, dass in der von Ihnen geleiteten Heilstätte die Stelle einer med.techn. Ass. zu besetzen ist. Ich erlaube mir, mich um diese Stelle zu bewerben. Die erforderlichen Unterrlagen füge ich in der Anlage bei . Für eine Berücksichtigung meiner Bewerbung wäre ich Ihnen sehr verbunden. Da ich hier in ungekündigter Stelle bin wäre ich Ihnen für eine baldige Nachricht dankbar. Gegebenenfalls wäre ich zu einer persönlichen Vorstellung u. Rücksprache gern bereit. Wäre allerdings sehr dankbar, wenn diese an einem Sonntag Vormittag sein könnte.
Mit vorzüglicher Hochachtung
13.8.1957
Sehr geehrte Oberschwester
freundlicherweise übersandten Sie mir Ihre Antwort noch auch per Eilboten und informierten mich gut.
Nach allen Erwägungen bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß ich wohl gern bei Ihnen arbeiten würde und sage daher zum 1.10.1957 zu. Die bald vorhandenen Zeugnisse werde ich Ihnen dann übersenden.
Da ich möglichst meine Sachen von hier aus nach Eiserfeld schicken möchte und auch ein Fahrrad besitze, wäre ich Ihnen dankbar um genaue Post- und Expressanschrift. Bahnstation ist Siegen oder Eiserfeld?
Ich hoffe, daß alles reibungslos verläuft und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit!
Es grüßt Sie freundlich
………, den 1.4.51
Wollte mich um die Stellung als Hausgehilfin bewerben, die ich in der Rundschau gestern gelesen habe. War fast ein Jahr in einem Kinderheim in (?) Meschede Haus Dortmund (?) als Hausgehilfin tätig. Mein Abgang erfolgte wegen Übersiedlung zu meinem kriegsversehrten Sohn dem ich den Haushalt führen mußte. Da er sich verheiratet hatt so bin ich gezwungen mir mein Brot zu verdienen. Bin Witwe seit 1945, 4o Jahre alt fühle mich noch sehr kräftig und gesund. Das ist doch schließlich die Hauptsache. Ich kann natürlich 2 Zeugnisse bei der Vorstellung vorzeigen. Würde mir bestimmt die größte Mühe geben ihre Arbeiten zur vollsten Zufriedenheit ausführen.
Mit freundlichem Gruß
(Autorin + „Übersetzerin: Dagmar Spies)
s. a. https://www.siwiarchiv.de/2013/03/heilstatte-hengsbach-11/
Falls es interessiert: Zum „Haus Dortmund“ in Meschede (kein Kinderheim, sondern eine Jugendherberge): http://www.s-teutenberg.homepage.t-online.de/meschede/haus_dortmund.html
Interessanterweise diente es im Krieg vorübergehend dem Stadtarchiv Dortmund zur Auslagerung von Urkunden.
Das Gebäude wird heute noch/wieder als Jugendherberge genutzt.
PS: Bei dem „Herrn Landesrat“ scheint mir der vorletzte Buchstabe eher ein i zu sein?
1) Vielen Dank für die Ergänzung!
2) Ja, es könnte auch ein i sein. Allerdings findet sich kein bekannter Eigenname, der so endet in Münster. Auf eine Anfrage beim LWL-Archivamt haben wir verzichtet.
Dazu brauchts nicht das Archivamt: Wird wohl Helmut Naunin gewesen sein, Erster Landesrat von 1954-1969.
Danke für die Ergänzung! Übrigens ein Bild Naunins findet sich im Bildarchiv des LWL-Medienzentrums. Sein Nachlass verwahrt das das LWL-Archivamt unter der Bestandssignatur 909. Naunins Personalakte befindet sich ebenfals dort: Best. 132/C 11 A K 374
Zur Verabschiedung Naunins in den Ruhestand findet sich ein Eintrag im archivamtblog: https://archivamt.hypotheses.org/11018 .
Darf man fragen, ob die Bewerbungen erfolgreich waren? Ich weiß zwar nicht, was damals üblich war, aber der dritte Brief scheint mir doch ziemlich unbeholfen formuliert zu sein (besonders für eine Bewerbung); die Schreiberin hatte anscheinend nicht allzu viel Erfahrung im Schreiben „offizieller“ Briefe. Wobei man vermutlich bei einer „Hausgehilfin“ weniger strenge Maßstäbe angelegt haben dürfte, als bei einem Beruf, wo es auf Schreibfähigkeiten ankommt?
Ich freue mich übrigens, wieder ein paar Beispiele aus den bearbeiteten Unterlagen in Form von Abbildungen zu sehen, zumal ich mir vorstellen kann, dass das nicht nur einen gewissen Aufwand bedeutet, sondern dass aus Datenschutzgründen auch darauf geachtet werden muss, nicht „zu viel“ zu zeigen. Ich hoffe, die Reihe wird noch etwas fortgesetzt? Es sind ja anscheinend bisher erst die Personalakten behandelt worden, und wenn ich es richtig verstehe sind noch Akten aus diversen anderen Bereichen vorhanden.
Abschließend noch eine eher allgemeine Frage: Wissen die Stellen, von denen die Akten stammen, in der Regel vorher Bescheid, welche Akten später im Archiv landen, und können dann dementsprechend etwas sorgfältiger arbeiten? Nicht, dass es der Normalfall wäre, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Verwaltungsakten im Extremfall auch aus einem Haufen Notizzetellen und anderer kleinteiliger Unterlagen verschiedener Formate bestehen könne, zusammengehalten von hunderten Heftklammern. Nachdem ich ja nun weiß, dass im Archiv die ganzen Klammern entfernt werden müssen, kann ich mir vorstellen, dass solche Akten eine ziemliche Arbeit bedeuten würden. und hinterher stünde man vor dem Problem, diverse lose kleine Zettelchen zu haben, die zu klein zum Einheften sind.
PS: Auch wenn es schon etwas spät ist: Ich wünsche Allen Mitarbeitern des Kreisarchivs Siegen-Wittgenstein ebeso wie allen anderen Lesern hier frohe Ostern!
Vielen Dank für die Ostergrüße!
Zu dem Erfolg der Bewerbungsschreiben kann nichts sagen, gehe aber davon, dass diese erfolgreich waren, da sonst keine Personalakten entstanden wären.
Aus archivrechtlichen Gründen ist das hier vorgestellte Schriftgut anonymisert. Auf eine Berichterstattung aus den Personalakten zu verzichten, wäre aber bei einer Berichterstattung über die Bestandsbearbeitung kontraproduktiv gewesen. Für die abschließende Bestandsbearbeitung (Findbuch) sind Aussagen über den Dokumentationswert eines Bestandes sowieso erforderlich. Nichts anderes ist das, was bisher hier geschehen ist.
Die Bearbeitung der Sachakten steht tatsächlich noch aus und die Berichterstattung wird fortgesetzt.
Die archivische Einflussnahme auf die konkrete Aktenführung einer Verwaltung ist in der Regel gering. Ferner ist einer der wichtigsten Ziele archivischer Überlieferungsbildung die Dokumentation des Verwltungshandels, also auch der mehr oder weniger gelungenen Aktenführung. Die von Ihnen erwähnten Post-it-Zettel müssen ggf. in geeigneten Umschlagen an entsprechender Stelle in der Akten überliefert werden.
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Mein Kommentar war auch in keinster Weise als Kritik an dem Vorgehen gedacht. Auch wenn ich zugegebenermaßen nicht viel Ahnung von der genauen Gesetzeslage habe (bin kein Jurist), scheinen mir die hier gezeigten anonymisierten Ausschnitte völlig unproblematisch, es weiß ja niemand, um wen es sich jeweils handelt. Vielmehr wollte ich zum Ausdruck bringen, dass ich Verständnis dafür habe, dass man so eine Akte nicht mal eben komplett einscannen und hochladen kann (auch wenn ich es interessant fände, einfach mal „durchzublättern“).
Bei den hier gezeigten Bewerbungen finde ich übrigens auch die alte Handschrift der zweiten und dritten Bewerbung interessant, das ist ja nur in einer Abbildung erkennbar, nicht in einer Abschrift. Ich habe versucht, es zu lesen, es fällt mir allerdings schwer. Ist aber sicherlich eine Frage der Gewohnheit. (Kleinkarierterweise ist mir allerdings aufgefallen, dass es statt „noch per Eilboten“ „auch per Eilboten“ heißen müsste.)
Wird die Sache mit dem „Findbuch“ in einer späteren Folge erklärt? Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, wie die Akten inhaltlich so erschlossen werden, dass man hinterher weiß, wo man findet, was man sucht.
1) Die archivrechtlichen Regelungen sind leider leider sehr restriktiv. Ob etwas problematisch ist oder nicht, liegt bei der betroffenen Person. Eine nicht anonymisierte Fassung einer Personalakte kann ohne Zustimmung der Person 10 Jahre nach Tod der Person bzw. 100 Jahre nach Geburt publiziert werden.
2) Da für Sachakten eine Frist von 30 Jahren gilt, könnte vielleicht eine interessante Sachakte publiziert werden.
3) Danke für den Hinweis auf den Verleser! Er wurde korrigiert.
4) Das Findbuch wird zu gegenbener Zeit erklärt werden.
Die Fristen für die Personalakten sind tatsächlich deutlich länger als erwartet. Einerseits ist das sicherlich bedauerlich, aber andererseits beruhigt es mich ehrlich gesagt auch etwas.
Ich bin zwar in Sachen Datenschutz nicht gerade übervorsichtig, aber ich fände es doch etwas unschön, wenn irgendwelche Unterlagen, die private mich betreffende Angelegenheiten enthalten, einfach veröffentlicht werden würden. Solange es nur fremde Leute zu Gesicht bekommen, wäre es mir noch egal; aber man wüsste ja nicht, ob es nicht zufällig jemand findet, der mich kennt, und das wäre mir unangenehm. Ist nicht so, dass ich großartige Geheimnisse hätte, aber ein bisschen Privatsphäre muss trotzdem sein.
Ich warte dann dann mal ab, was die zukünftigen Artikel bringen bezüglich des ominösen Findbuchs. ;-)
1) Das auch für Kommunalarchive maßgebliche Archivgesetz des Landes NRW können Sie hier einsehen.
2) Eine knappe Findbuch-Definition finden Sie bei Wikipedia.
Ach, das ist Ländersache?
Dann schaue ich lieber bei Niedersachsen: http://www.tu-chemnitz.de/uni-archiv/info/gesetze/archgesetze/archgnieders.pdf
Die Fristen sind aber anscheinend die gleichen.
Baden-Württemberg dürfte auch noch Papierkram über mich haben: http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~n31/benutzer/archbw_dt.htm
Wiederum die gleichen Fristen, außer, dass es bei Personalakten, wenn das Todesdatum nicht bekannt ist, 90 statt 100 Jahre sind.
Ich kann also beruhigt sein, es scheint in ganz Deutschland vergleichbare Fristen zu geben.
Ja, die Fristen der Länder sind recht einheitlich. Allerdings muss ich noch auf das Bundesarchiv hinweisen; dort gelten sogar noch längere Fristen: § 5 (2) Bundesarchivgesetz.