Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen übernimmt Contergan-Sammlung

„Mit dem Namen Contergan ist einer der größten Arzneimittelskandale in der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden. Die umfangreiche Privatsammlung dokumentiert die verheerenden Auswirkungen des Medikaments, seine lange Nachgeschichte und die Folgen für die Betroffenen seit über 60 Jahren.

Teil der Contergan-Sammlung: Eine Kinderarmprothese, ein Contergan-Pillenröhrchen und eine Contergan-Verpackung. Zu sehen sind die Objekte auch in der Ausstellung „MuseumMobil. Wir suchen Ihre NRW-Geschichte“, die ab 24. März wieder durch NRW tourt. © Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen / Andreas Lange

Das nordrhein-westfälische Pharmaunternehmen Grünenthal aus Stolberg bei Aachen vertrieb seit 1957 das rezeptfreie Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan. In den frühen 1960er Jahren stellte sich heraus, dass das Präparat die Föten massiv schädigt, wenn es in der frühen Schwangerschaft eingenommen wird.

Allein in Deutschland kamen durch das Präparat laut Angabe des Bundesverbands Contergangeschädigter e. V. rund 5.000 Kinder mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen auf die Welt. Die Anzahl der nichtregistrierten Betroffenen liegt Schätzungen zufolge weit höher.

Ein zweieinhalb Jahre dauernder Prozess, der die Verantwortung für den Skandal aufklären sollte, endete im Dezember 1970 mit der Einstellung des Verfahrens. Noch heute sind tausende Betroffene auf Prothesen, medizinische Hilfen, Assistenz und Pflege im Alltag angewiesen.

Catia Monser baute Sammlung über Jahrzehnte auf

Die 1961 in Düsseldorf geborene Catia Monser, selbst Contergan-Geschädigte, hat in fast fünf Jahrzehnten rund 100 Objekte zusammengetragen – darunter Prothesen, sämtliche Darreichungsformen von Contergan und Contergan-forte in Originalverpackungen, Beipackzettel, Werbeartikel der Firma Grünenthal – sowie eine umfangreiche Bibliothek mit rund 900 Büchern zum Contergan-Skandal.

Die Sammlung dokumentiert die schwerwiegenden medizinischen Folgen des Mittels, den Verlauf des Strafverfahrens gegen Verantwortliche der Firma Grünenthal sowie die Arbeit von Opferverbänden.

Der Bestand enthält außerdem Requisiten des zweiteiligen Fernsehfilms des Westdeutschen Rundfunks zum Contergan-Skandal aus dem Jahr 2007 sowie Pressematerial und persönliche Dokumente der Sammlerin und Buchautorin.

„Ich freue mich sehr, dass meine Sammlung zu Contergan, die ich über Jahrzehnte aufgebaut habe, nun einen festen Platz in der Sammlung des Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen erhält“, sagt Catia Monser.

„So bleibt der Contergan-Skandal ein Teil unseres kollektiven Gedächtnisses und gerät nicht in Vergessenheit. Das ist nicht nur für uns Betroffene wichtig, sondern auch für künftige Generationen, um aus den Fehlern und Versäumnissen zu lernen, die das Leben unzähliger Geschädigter geprägt haben und noch heute prägen“, erläutert die Sammlerin weiter.

Herausragender historischer Stellenwert

Für Dr. Gabriele Uelsberg, Mitglied im Präsidium der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, besitzt die einzigartige Sammlung von Catia Monser einen herausragenden historischen Stellenwert: „Der Contergan-Skandal hatte weltweite Auswirkungen, geht aber von Nordrhein-Westfalen aus“, erläutert Uelsberg.

„Die Vielfalt der Themen und Objekte der Sammlung von Catia Monser ist beeindruckend. Sie ermöglicht es, den Contergan-Skandal in seiner ganzen Komplexität darzustellen, mit all seinen medizinischen, juristischen, moralischen und menschlichen Facetten“. … “

Quelle: Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung v. 3.2.23

Warum erscheint dieser Beitrag auf siwiarchiv? Der Anwalt Carl-Hermann Schulte-Hillen (28.3.1929 – 14.1.2017) stammte aus Siegen. Gemeinsam mit dem Humangenetiker Dr. Widukind Lenz hat er Anfang der 1960er Jahre den Contergan-Skandal ins Rollen gebracht und viele Eltern betroffener Kinder gegen das verurachende Pharmaunternehmen vertreten. 1963 gründete er den Bundesverband Contergangeschädigter e. V., den er vier Jahr als Vorsitzender leitete. 1964 bis 1979 war er zweiter Vorsitzender des des Interessenverbandes körpergeschäigter Kinder e.V. Bezirk Siegerland.

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