Der mittelalterliche und neuzeitliche Grundriss der Stadt Siegen ist Denkmal des Monats Mai des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Hintergrund der Auszeichnung: In weiten Teilen der Siegener Oberstadt gehen die Verläufe von Wegen und Straßen, sowie die Lage städtebaulicher Dominanten noch auf die Phase der Stadtgründung vor etwa 800 Jahren sowie die folgenden Jahrhunderte zurück.
„Während die Bebauung über die Jahrhunderte zahlreichen Veränderungen unterliegt, ist die Grundrissstruktur historischer Siedlungskerne zumeist sehr beständig“, sagt Nico Vincent Völkel vom LWL-Denkmalfachamt. Er ist Experte für die städtebauliche Denkmalpflege, deren Anliegen die Bewahrung und behutsame Entwicklung historischer Siedlungsareale sowie die Betrachtung des Denkmals im Raum ist.
Anlässlich des 800-jährigen Stadtjubiläums hat Nico Vincent Völkel sich intensiv mit Siegens Stadtentwicklung beschäftigt. „Die heutige Struktur und Gliederung der Oberstadt decken sich in ihren Grundzügen weitgehend mit den ältesten Kartendarstellungen“, fasst der Denkmalpfleger zusammen. „Der Verlauf der in Teilen noch erhaltenen Stadtmauer bestimmt zusammen mit den topografischen Vorgaben die Ausdehnung des Stadtgebiets. Als wichtigste Verkehrswege dienen nach wie vor die Kölner, die Löhr- und die Marburger Straße, die früher von den drei Stadttoren zum Marktplatz führten. Die erste Nennung von Straßen und Quartieren, die auch heute noch identifiziert werden können, erfolgte 1404. Dazu gehört etwa das noch ablesbare Quartier ‚Zum halben Mond‘ mit entsprechender Form.“
Bis heute vermittelt die von Kriegszerstörungen weitgehend verschonte sogenannte Altstadt einen Eindruck von der kleinteiligen und von engen Gassen geprägten Struktur des mittelalterlichen Siegens. Doch auch in der wiederaufgebauten Oberstadt, so der Städtebauexperte Völkel, hat sich diese Struktur erhalten. Nachdem etwa 80 Prozent des Stadtgebiets im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, entschied man sich für einen Wiederaufbau auf Grundlage des überlieferten Stadtgrundrisses. Mit Ausnahme der Kirchen, des Unteren Schlosses und des Rathauses verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion historischer Bauten. „Die Zahl unmaßstäblicher späterer Eingriffe hielt sich in Grenzen“, so Völkel. Der Denkmalpfleger wirbt für einen unvoreingenommenen Blick: „Das Erscheinungsbild der Oberstadt wird heute bisweilen kritisch bewertet und in einen Gegensatz zur als ’schön‘ wahrgenommenen Altstadt gestellt. Anstelle von Fachwerkarchitektur herrscht hier eine schlichte und unauffällige Neubebauung vor. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich die Tatsache, dass die Struktur des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Siegens in ihren Grundzügen auf dem Großteil des Siegbergs fortdauert.“
Hintergrund
In diesem Jahr feiert Siegen sein 800-jähriges Bestehen. Die Stadt nimmt dabei Bezug auf die Teilungsurkunde von 1224 zwischen dem Grafen von Nassau und dem Kölner Erzbischof. Siegen wird dort als neuerbaute Stadt bezeichnet.
Obwohl die Besiedlung des Stadtgebietes bereits seit dem Frühmittelalter belegt ist, kann man davon ausgehen, dass die Neugründung auf dem Siegberg, auf welche sich die Urkunde bezieht, zwischen 1170 und 1220 erfolgt ist. Es ist anzunehmen, dass die Nassauer Grafen mehr oder weniger planmäßig vorgingen und die Stadt im Schutz der wohl ebenfalls um 1200 entstandenen Burg, aus der sich das Obere Schloss entwickelt hat, errichteten.
Städtebauliche Konstanten, die den Grundriss und das Stadtbild maßgeblich bestimmen, sind das Obere und Untere Schloss, das Rathaus sowie die Martini-, Nikolai- und Marienkirche.
Im 16. und 17. Jahrhundert erfuhr die Stadtstruktur durch Brände und die Ausweitung der Befestigungsanlagen sowie den Bau des Unteren Schlosses und der Marienkirche um 1700 größere Veränderungen.
Quelle: LWL, Pressemitteilung vom 2.5.2024