Dany Naveh (vormals Hausmann) geboren 1945 in Jerusalem, war erstmals in Siegen. Er wollte die Stadt sehen, aus der sein Vater Benno Hausmann vor 75 Jahren nach Palästina geflohen war. Aktueller Anlass der Reise war allerdings die Verlegung von Stolpersteinen für seine Großeltern mütterlicherseits in Kassel, Meta und Albert Oppenheim. Die Verlegung der kleinen Gedenksteine nahm der Kölner Künstler Gunter Demnig vor. Mehr als 40 000 solcher Steine hat er nun seit 1995 angefertigt. In unserer Region hatte er in diesem Jahr bereits Steine in Erndtebrück, Netphen und Kreuztal verlegt.Mit Dany Naveh waren seine Ehefrau Tally sowie seine Söhne Assaf und Yoar von Jerusalem nach Siegen gekommen. Der in New York lebende Sohn Amir war auf dem Frankfurter Flughafen dazugestoßen. Den eintägigen Besuch in Siegen gestaltete Klaus Dietermann, der Leiter des Aktiven Museums Südwestfalen. Er begann für die Familie an den Stolpersteinen in der Alten Poststraße 16, wo die Großeltern Saul und Fanny Hausmann bis zu ihrer Deportation im Juli 1942 nach Theresienstadt zuletzt gewohnt hatten. Diese Steine waren bereits am 19. Mai 2011 verlegt worden. „Am selben Tag ist zwölf Jahre vorher mein Vater in Jerusalem verstorben“, stellte Dany Naveh überrascht fest. Mitbewohner in dem kleinen Fachwerkhaus waren Schwager und Schwägerin Siegmund und Mathilde Hochmann, an die ebenfalls Stolpersteine erinnern. Sie hatten bereits drei Monate zuvor die Reise in den Tod nach Zamosc in Polen antreten müssen.
Das Ehepaar Saul Hausmann war 1919 von Lüdenscheid nach Siegen verzogen und gründete am Marburger Tor ein Schuhgeschäft. Schwager Siegfried Hochmann betrieb schräg gegenüber ebenfalls einen Schuhladen. Hausmanns wurden drei Kinder geboren:
Benno, 1913 in Lüdenscheid, Amalia 1921 in Siegen, sie lebt in Tel Aviv, und Leo 1923 in Betzdorf, wohin das Ehepaar von 1931 – 1937 das Geschäft verlegte, ehe es „arisiert“ wurde. Allen Kindern gelang die Ausreise nach Palästina.
Dany Navehs Vater hatte als Verkäufer von Konfektionswaren bei Leonhard Tietz am Markt und Michel Marx in der Kölner Straße gearbeitet. Zusammen mit seiner Ehefrau Alice, einer gebürtigen Kasselanerin, gründeten sie Anfang der 50er Jahre in Jerusalem am Jaffa Tor ein Konfektionsgeschäft für den gehobenen Bedarf. Dort wurden ihnen ihre beiden Kinder Daniel und Ruth geboren. Ruth war erstmals 2010 mit ihrer Cousine Ilana aus Sydney, wohin Leo Hausmann weitergezogen war, in Siegen zu Gast. Ruth war auch mit ihrem Ehemann zur Verlegung der Stolpersteine am Sonntag in Kassel aus Jerusalem angereist.
Das Ehepaar Naveh zeigte sich beeindruckt bei einer Führung durch das Aktive Museum Südwestfalen am Obergraben, wo nun seit fast 20 Jahren die Geschichte der Synagogengemeinde Siegen dokumentiert wird. Museumsleiter Klaus Dietermann zeigte den israelischen Gästen einige Dokumente, die Vater Benno Hausmann dem Lern- und Dokumentationsort am Platz der Synagoge überlassen hatte. Tief beeindruckt, so viele Einzelheiten aus ihrer Familiengeschichte gehört zu haben, verließ die Familie Siegen. Die Eltern hatten gegenüber ihren Kindern ihre leidvolle Geschichte – sowie die der Großeltern – weitgehend im Dunklen gelassen.
Bilder und Text: Klaus Dietermann. Danke!