Sohn suchte in Bad Berleburg Spuren des Wemlighäuser Pfarrers von 1934 bis 1939
In Zwölferreihen wie auf dem Reichsparteitag in Nürnberg komme man nicht in den Himmel, dorthin gelange man nur als Einzelner – das sagte der evangelische Berleburger Pfarrer Paul-Gerhard Bachmann am ersten Advent 1935 in einer Predigt. Das führte dazu, dass das Konsistorium in Münster Post aus Berlin bekam. Der Reichs- und Preußische Minister für die kirchlichen Angelegenheiten schrieb Ende April 1936: „Es ist mir mitgeteilt worden, daß der Pfarrer Bachmann aus Berleburg verschiedene Predigten gehalten hat, die geeignet sind, bei der staatstreu eingestellten Bevölkerung Verärgerung hervorzurufen, und die auch den Eindruck erweckt haben, daß die gesamte SA herabgesetzt werden sollte. Über seine Predigt am 1. Dezember 1935 herrschte unter den Kirchenbesuchern allgemein Empörung, weil sie offensichtlich eine Herabsetzung des Reichsparteitages enthielt. Ich bitte, von dort aus eine Untersuchung einzuleiten und in geeigneter Weise einzugreifen, damit ich nicht gezwungen bin, staatpolizeiliche Maßnahmen zu ergreifen.“
Im Advent 2016 brachte die Post jetzt einen DIN-A4-Umschlag ins Berleburger Haus der Kirche. Sein Absender: Hans Bachmann. Der Sohn von eben jenem Paul-Gerhard Bachmann. Hans Bachmann war im Sommer in Bad Berleburg, besuchte das Archiv der Stadt und des Wittgensteiner Kirchenkreises. Der inzwischen 78-jährige, gebürtige Berleburger, der ebenfalls Pfarrer wurde, wollte sich ein Bild von seinem Vater machen, denn Hans Bachmann war nicht einmal zwei Jahre alt, als sein Vater starb. Und so zeichnete er auf 18 Seiten ein Lebensbild von Paul-Gerhard Bachmann. Dieses war in dem DIN-A4-Umschlag und enthielt auch die Geschichte über die Predigt, die den Nazis nicht gefiel.
Zunächst beleuchtet Hans Bachmann in seiner Arbeit die Dinge, die Paul-Gerhard Bachmann wichtig waren: „Mein Vater, der in einem konservativen, deutsch-national geprägten Elternhaus groß geworden war und der nach dem Abitur bei den Überlegungen seiner Berufswahl zunächst den Offiziersberuf favorisierte, hatte von daher gewiss eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber dem Militär.“ Dennoch habe er sich gegen die zwischenzeitlich angepeilte Übernahme eines Militärpfarramtes entschieden und fasste stattdessen die zweite Berleburger Pfarrstelle ins Auge: „Das Presbyterium nahm seine Bewerbung mit positiver Tendenz entgegen und bat ihn um eine Probepredigt, die er am ersten Adventssonntag 1933 in der Stadtkirche in Berleburg hielt. Am 15.12.1933 erfolgte dann durch das Presbyterium bei einer Enthaltung seine Wahl zum Pfarrer der Berleburger Kirchengemeinde mit der Zuständigkeit für die Landgemeinden in Schüllar und Wemlighausen.“
In seinen Ausführungen geht Hans Bachmann auf das weitere Leben seines Vaters in Berleburg ein. Auch die Ermittlungs-Ergebnisse, die das Konsistorium nach Berlin meldete, zitiert der Sohn: „Im vorliegenden Fall haben wir Pfarrer Bachmann zum Ausdruck gebracht, dass die Fassung seiner Predigt auch bei seiner Darstellung ungeschickt gewesen ist; dass sie staatsfeindlichen Charakter gehabt hat, vermögen wir nach dem Bericht des Pfarrers, der uns mündlich von dem Vorsitzenden des Presbyteriums als zutreffend bestätigt ist, nicht festzustellen.“ Und Hans Bachmann ist froh über diese Rückendeckung für seinen Vater: „Vor allem war die Drohung staatspolizeilicher Maßnahmen gegen ihn aus der Welt, die möglicherweise Ausweisung, Haftstrafe oder äußerstenfalls sogar KZ hätten bedeuten können.“
Und dennoch machte sich Paul-Gerhard Bachmann am 21. Juli 1939 auf den Weg in den Hunsrück, um an der Beisetzung von Pastor Paul Schneider, dem Prediger von Buchenwald, teilzunehmen. Dieser war in dem Konzentrationslager eines gewaltsamen Todes gestorben. Sechseinhalb Wochen später war auch Paul-Gerhard Bachmann tot. Der 33-Jährige wurde zu einer militärischen Übung beordert. Bei einem längeren Fußmarsch in der Sommerhitze und mit voller Kampfesausrüstung erlitt er einen Zusammenbruch und starb tags drauf am 29. August – drei Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Hans Bachmanns Schlussfazit fällt in dem Lebensbild von seinem Vater Paul-Gerhard Bachmann eindeutig aus: „Durch die Einsichtnahme und die Auswertung der Archivunterlagen, die mir zur Verfügung standen, hat sich für mich ein doch recht deutliches Bild meines Vaters ergeben. Vor allem habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Theologische Erklärung von Barmen aus dem Jahre 1934 mit ihrem eindeutigen Bekenntnis zur Heiligen Schrift als der einzigen Quelle religiöser Offenbarungen sein Denken und Handeln stark bestimmt hat. Dadurch hatten die Pfarrer der Bekennenden Kirche gerade in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus während des Kirchenkampfes einen klaren theologischen Standort.“
Quelle: Kirchenkreis Wittgenstein, Neuigkeiten v. 24.12.2016
[In der Matrikel der Universität Rostock findet sich ein Paul-Gerhard Bachmann, der am 9.12.1905 in Wernigerode als Sohn eines als Sohn eines Studienrates bzw. Professors geboren wurden. Sein Abitur erlangte er am Schiller-Gymnasium in Münster i.W.. Bevor er sich im Oktober 1925 in Rostock einschrieb, hatte er die Theologische Schule in Bethel besucht. Die Exmatrikalution ist auf den 27.7.1926 datiert.]