Im Zuge einer Anfrage an das Kreisarchiv zu den Geschehnissen des 20. Juli fiel der Blick auch auf Karl Neuhaus. Den derzeitig bekannten Forschungsstand liefert das hier bereits vorgestellte regionale Personenlexikon zum Nationalsozialismus in den Altkreisen Siegen und Wittgenstein:
„Neuhaus, Karl
* 22.7.1915, Laasphe, ev., Dr. Dr., Pfarrer, Gymnasiallehrer, NSDAP, SS, Stbf, Gestapo, Regierungsrat im RSHA, Amt IV/Amtsgruppe Kirchen, Juden und Sekten, L. der für den Vollzug der Sippenhaft verantwortlichen Gruppe XI in der Sonderkommission 20. Juli, Tätigkeit beim Kommandeur der Sicherheitspolizei (KdS) Posen (1944), wegen Mißhandlung verurteilt (1953)
BAB, Best. 3100 (NSDAP-Zentralkartei); V, 21.11.1929; Opfermann 2001, 242“
Folgende Literatur und Quellen sollten für die weitere, lohnenswerte Erforschung hinzugezogen werden:
Literatur:
Generell ist festzuhalten, dass die Literatur über den Widerstand im Umfeld des 20. Juli 1944 (insbesondere dzum „Kreisauer Kreis„) und die Publikationen zur Geschichte des Reichssicherheitshauptamtes auszuwerten sind.
– Werner Bucholz: Legal oder illegal – Recht in zwei Epochen, in: Pressestelle des Landgerichts Siegen (Hrsg.): Recht im südlichen Westfalen. Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Landgerichts Siegen, Siegen 1983, S. 33-41, zu Neuhaus S. 37-40
-Eugen Gerstenmaier: Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Berlin 1981, S. 203ff
–Hanns Lilje: Im finstern Tal, Nürnberg 1947
-Ulrich Friedrich Opfermann: Siegerland und Wittgenstein im Nationalsozialismus. Personen, Daten, Literatur, Siegen 2001, S. 242
–Thomas Schattner: Dr. Karl Neuhaus, der im Zuge des 20. Juli 1944 viele Familienmitglieder in „Sippenhaft“ nahm, wurde vor knapp 60 Jahren Lehrer an der August-Vilmar-Schule in Homberg, in: Rundbrief des Verein zur Förderung der Gedenkstätte
und des Archives Breitenau e. V. Nr. 31 (März 2012), S. 62 – 64
(PDF-Datei der Miszelle)
-Michail Shkarovskij: Die Kirchenpolitik des Dritten Reiches gegenüber den orthodoxen Kirchen in Osteuropa (1939-1945), Münster 2004
– Johannes Tuchel:„… und ihrer aller wartete der Strick.“ Das Zellengefängnis Lehrter Straße 3 nach dem 20. Juli 1944, 2014 (Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 7), S. 452
-Harald Welzer, ?Sönke Neitzel, ?Christian Gudehus: »Der Führer war wieder viel zu human, viel zu gefühlvoll“. Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht deutscher und italienischer Soldaten, 2011
Archive:
– Bundesarchiv, Nachlass Gerhard Ritter
N 1166/154 Remer-Prozeß Braunschweig, enthält u. a. Neuhaus, Karl, Dr., Regierungsrat, Siegen, 1954
-Bundesarchiv, Nachlass Kurt Rheindorf NL 263
Nr. 274 Historische Gutachtertätigkeit und Materialsammlungen für NS-Prozesse in Deutschland und zur Aufhellung politischer Vorgänge insbesondere aus der NS-Zeit. Neuhaus, Dr. Karl ehemaliger Regierungsrat, 1953-1954
– Bundesarchiv, Zentrale Rechtschutzstelle B 305
12690 Neuhaus, Karl
-Bundesarchiv, Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 18. November 1944, S. 302
-Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, Staatsanwaltschaft Siegen, Nr. 59 – 66, (Verfahren gegen Dr. Karl Neuhaus wg. Aussageerpressung, 1953)
-Hessisches Staatsarchiv Darmstadt S 1 (Biografische Informationen):
Karl Neuhaus:
Pfarrverwalter Lic.
16.04.1940 Studienrat
14.07.1942 Reichssicherheitshauptamt (Geheimes Staatspolizeiamt) Berlin
Quelle: Regierungsblatt 1940, Beilage 9, S. 62
Regierungsblatt 1942, Beilage 10, S. 49
– Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Hessisches Ministerium für politische Befreiung (501)
967, 1648 Spruch der Zentralspruchkammer Hessen gegen Dr. Lic. Karl Ludwig Neuhaus (Neuhaus war u.a. im RSHA an den Vernehmungen nach dem 20. Juli 1944 maßgeblich beteiligt), 1951
745 Urteil der Zentralspruchkammer Hessen gegen Lic. Karl Ludwig Neuhaus, ehemaliger Angehöriger des Reichssicherheitshauptamtes, 1953
-Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt, Pfarrerkartei (E-Mail v. 17.7.2014, 1216-4/Siegen, Kreisarchiv):
„Karl Neuhaus wurde am 22.7.1910 in Holzhausen bei Gladenbach geboren.
April 1934 1. Theologische Prüfung in Herborn;
November 1935 2. Theologische Prüfung in Darmstadt;
10.11.1935 Ordination;
1. 3.1935 Verwalter der Pfarrei Dornholzhausen, Dekanat Nassau;
ab 1. 4. – 30.6.1935 auf eigenen Antrag zur Fertigstellung einer Liz.-Arbeit beurlaubt und v. Dienst in Dornholzhausen entbunden;
ab 25.7. – 15. 9.1935 Verwalter der Pfarrei Marienfels, Dekanat Nastätten;
ab 16.9.1935 Aushilfe, Marktkirche in Wiesbaden;
ab 13.11.1935 Verwalter der I. Pfarrei an der Marktkirche in Wiesbaden;
ab 1.4.1936 Verwalter der II. Pfarrei Langen;
ab 1.1. – 7.1.1938 zur Erteilung v. Religionsunterricht an der Horst-Wessel-Schule in Offenbach beurlaubt;
14.6.1940 auf eigenen Antrag entlassen;
Später war er Regierungsrat im Reichssicherheitshauptamt in Berlin;
am 8.3.1954 Verzicht auf die Rechte (befindet sich im Landgerichtsgefängnis in Siegen).“
Medien:
In der regionalen Presse wurde der Prozess vor dem Siegener Landgericht aufmerksam verfolgt, Artikel erschienen laut Ulrich Opfermann (s.o.) an folgenden Tagen:
– Siegener Zeitung: 10.12.1953, 11.12.1953, 12.12.1953, 14.12.1953, 15.12.1953, 16.12.1953, 17.12.1953
– Volks-Echo: 1.12.1953
– Westfälische Rundschau(Ausgabe Siegen): 9.12.1953, 12.12.1953, 14.12.1953, 15.12.1953
– Westfälische Rundschau(Ausgabe Wittgenstein): 11.12.1953
– Westfalenpost (Ausgabe Siegen): 11.12.1953, 12.12.1953, 14.12.1953, 16.12.1953
Auch überregional wurde der Prozess wahrgenommen (s. Schattner S. 64). Online verfügner ist „Gerstenmaier. Das Spiel ist aus“, in: Der Spiegel, 10/1954, S. 9-15, Link zur PDF-Datei des Artikels
Es liegt ein Druckfehler des Geburtsjahres von Dr.Dr.Karl Neuhaus vor:Das Geburtsjahr war 1910 und nicht 1915! Leider sind keine weiteren spätere biographischen Daten vermerkt, auch nicht in dem Text von Thomas Schattner. Es gibt allerdings Vermutungen.
Die Biographie von Neuhaus zu erforschen, ist aufgrund der vielfältigen, von einander abweichenden Angaben aufwändig. Eben bis zum Geburtstag hin muss alles überprüft werden. Allerdings ist das Jahr 1910 wohl korrekt; es wird übrigens bereits im Eintrag selbst bereits erwähnt.
Vielen Dank für Ihre Antwort. Lässt sich die spätere Tätigkeit nach Ende der Verurteilungszeit ausmachen und wann, bzw wo Herr Dr. Neuhaus verstorben ist?
Neuhaus verlegte seinen Lebensmittelpunkt vom wittgensteinschen Laasphe, da er dort nur schwer Arbeit fand, nach Bonn, wo er in Adressbücher zuletzt als Prokurist geführt wurde. Am 21.12.2000 ist er in Wertheim verstorben.
Das Geburtsjahr von Dr. Dr. Karl Neuhaus war nach den vorliegenden Dokumenten eindeutig : 22.07.1910 !!
Siehe hierzu
– Urteil der großen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 15.12.1953
– Vernehmung von Neuhaus durch die Staatsanwaltschaft beim
Kammergericht Bonn am 11.08.1972
– Lebenslauf als Anhang zur Dissertation von Karl Neuhaus
(Tag der mündlichen Prüfung 22.07.1940 )
Vielen Dank für die Berichtigung! In der Einleitung des Eintrages wurde bemerkt, dass es sich um den damals aktuellen regionalen Forschungsstand handelte. Ich verweise auf folgenden weiteren Eintrag auf siwiarchiv, der bereits das richtige Geburtsdatum enthält: http://www.siwiarchiv.de/?p=7450 . Beide Einträge hatten und haben zum Ziel, dass man sich intensiver mit der Biographie des Neuhaus beschäftigt.
Bei meinen Recherchen über Dr. Karl Neuhaus, den ich damals als Lehrer
sehr geschätzt habe, bin ich auch auf ein Foto gestoßen, das ich Ihnen gern zur verfügung stellen kann.
Vielen Dank für das freundliche Angebot! Ich habe Ihnen einen E-Mail dazu gesendet.
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Arbeite an Lebenslauf von P. Alfred Delp SJ. Karl Neuhaus hatte ihn gefoltert. Beim Prozess gegen K.N. 1953 in Siegen wurde P. Delp Verletzung des Beichtgeheimnisses während der Aussageerpressung verleumderisch nachgesagt.
Wer weiß davon mehr. Herrn Rudolf Heider, der wohl ein Foto von K.N.hat, konnte ich nicht finden. Ebenso Hubertus Picard.
Peter Kern
67117 Limburgerhof
s.a. Daniela Gniss: Der Politiker Eugen Gerstenmaier 1906–1986, Düsseldorf 2005, S. 146-147, Link zur PDF: https://kgparl.de/wp-content/uploads/2005/01/der-politiker-eugen-gerstenmaier-1906-1986_eine-biografie.pdf