Schautafeln, Dokumente, Exponate sind im Berleburger Haus der Kirche bis Ewigkeitssonntag zu sehen
Am Freitag wurde im Haus der Kirche des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein die Ausstellung „Unser Volk betet wieder – wenigstens am Anfang des Krieges“ eröffnet. 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte Staatsarchivdirektor Dr. Johannes Burkardt viele Dokumente und Exponate jener Zeit aus dem Wittgensteiner Kirchkreis-Archiv zusammengestellt. Hinzu kamen elf Schautafeln, die sehr konzentriert Archivmaterial aus Siegerland und Wittgenstein thematisch zusammenfassten. Die Frage über allem: Welche Rolle spielte damals die Kirche? Zwei Tage vorm Volkstrauertag wurde die Ausstellung eröffnet. Durch die Eröffnung führte der Wittgensteiner Synodalassessor Dieter Kuhli, die musikalische Gestaltung übernahm Dr. Ulf Lückel.
Für den Wittgensteiner Superintendenten Stefan Berk war dieses bewusst gewählte zeitliche Zusammentreffen Anlass, in einer kurzen Besinnung zu Beginn der Ausstellung einen kritischen Blick auf den Volkstrauertag zu werfen. Knapp 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, so dass heutzutage die allermeisten Menschen in Deutschland keine Erinnerung an einen persönlich erlebten Krieg haben. „Ein Trauertag des Volkes ist das schon lange nicht mehr. Und die Reden ähneln sich von Jahr zu Jahr – nur dass der Abstand immer größer wird.“
Genau diesen Abstand verringerte Johannes Burkardt mit seinem 45-minütigen Vortrag zur Ausstellungeröffnung. Eben weil seine 20 Zuhörer all die Orte, von denen er dabei sprach, kannten. Für die Schilderungen des Kriegsanfangs zitierte der ehrenamtliche Archivar des Wittgensteiner Kirchenkreises Berichte des Erndtebrücker Pfarrers Hans Balke und seines Fischelbacher Kollegen Georg W. Behrmann. Bei aller Verzagtheit der Menschen, ermutigten die System-Träger die Einberufenen, wie man bei Behrmann liest: „Zumeist der Pfarrer, aber auch andere sprachen dort noch ein kräftig Wort von Gottvertrauen und Liebe zu Kaiser und Reich. Kräftig erscholl das dreimalige Hoch auf Kaiser und Reich. Und mit Gesang ging’s über die Gemeindegrenze dem Gestellungsorte zu.“
Und Superintendent Gustav August Dickel machte bereits in der Wittgensteiner Kreissynode 1913 – in Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 100 Jahre zuvor – deutlich: „Wer aber die deutsche Geschichte aufmerksam verfolgte, dem kann es nicht verborgen bleiben, dass jene glorreichen Siege der Befreiungskriege im engsten Anschluss an die Kirche errungen wurden, welche in erster Linie dazu mitwirkte, dass aus der Not der Zeit und der Schmach des Vaterlandes die bewunderungswürdige Erneuerung des religiösen Lebens geboren wurde.“
Dementsprechend zeichneten die Wittgensteiner Christen Kriegsanleihen, Johannes Burkardt sprach über eine „aktive Kriegsfinanzierung durch die Gemeinden“ und die „Bewerbung dieser Anleihen von der Kanzel“. Sein Stand für 1915: in Arfeld mit 10000 Mark, in Berleburg mit 32000 Mark, in Birkelbach mit 3000 Mark, in Elsoff mit 10900 Mark, in Erndtebrück mit 5000 Mark, in Feudingen mit 6000 Mark, in Girkhausen mit 10000 Mark, in Laasphe mit 11300 Mark, in Raumland mit 4000 Mark, in Schwarzenau mit 2300 Mark, in Weidenhausen mit 2000 Mark, in Wingeshausen mit 5000 Mark, in Wunderthausen mit 10000 Mark.
So waren nicht nur die Wittgensteiner Pfarrer. Generell stellte Johannes Burkardt als damalige Haltung gegenüber dem Ersten Weltkrieg fest: „Er ist ein Krieg der Medien, der Propaganda, der Intellektuellen. Damit auch ein Krieg der Theologen, die sich in allen kriegführenden Staaten vereinnahmen lassen: Man sieht sich im Recht, man führt einen Verteidigungskrieg, somit einen gerechten Krieg. Da man im Recht ist, muss Gott mit einem sein. Er muss folglich gegen die Anderen sein.“
Doch auch wenn die Rolle der Kirche gerade zu Beginn des Ersten Weltkriegs kritisch zu sehen ist, so gab es Veränderungen. Und aus der Distanz von 100 Jahren stand für Johannes Burkardt fest: „Wir sind immer noch die Evangelische Kirche, aber eine andere als 1914.“ Und ohne sich über die Menschen von damals zu erheben, möge man dankbar sein für diese Veränderungen.
Auch Stefan Berk stimmte die Ausstellung nachdenklich: „Vielleicht bleibt ein Volkstrauertag am Ende doch wichtig. Vielleicht muss man gerade in diesem Jahr mitgehen, gerade, wenn man diese Ausstellung gesehen hat. Wenn man versteht, wie leicht Frieden und Recht, Würde und Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben und anderen Zwecken geopfert werden können.“
Der Leitende Theologe erinnerte an das christliche Grundverständnis: „Der Monatsspruch des November besteht aus Ausrufezeichen, die Jesaja, der Prophet, vor bald zweieinhalb Tausend Jahren unter das Volk geworfen hat: ‚Lernt Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen!‘ Von allein bleibt das Gute nicht. Von allein werden das Recht und die Gerechtigkeit nicht blühen. Frieden braucht Engagement. Das ist eine der bitteren Lehren aus den Konflikten und furchtbaren Kriegen des letzten Jahrhunderts: Leben braucht Engagement. Versöhnung braucht Mut. Was Jesaja fordert, ist unsere Sache als Christinnen und Christen.“
Um zum Volktrauertag-Gedenken zu gehen, ist es für dieses Jahr zu spät. Die Ausstellung im Berleburger Haus der Kirche, Schloßstraße 25, kann indes noch bis zum Ewigkeitssonntag, 23. November, besucht werden. Zu den üblichen Öffnungszeiten: montags bis freitags zwischen 8 und 16 Uhr. Führungen durch die Ausstellung können – auch außerhalb dieser Öffnungszeiten – für Gruppen ab fünf Personen vereinbart werden. Ansprechpartner für Termine während der Woche ist der Laaspher Pfarrer Dieter Kuhli unter Tel. (02752) 9293, für Wochenend-Termine Dr. Johannes Burkardt unter Tel. (02751) 3921 oder in Münster unter Tel. (0251) 1312868.
Quelle: Pressemitteilung des Evang. Kirchenkreises Wittgenstein, 17.11.2014
Pingback: Ausstellung „Unser Volk betet wieder – wenigstens am Anfang des Krieges“ in Freudenberg | siwiarchiv.de