1917 in Stadt und (Um-)Land Siegen.“
Eine Ausstellung des Siegerlandmuseums im Oberen Schloss und der Universität Siegen, ab dem 12. November 2017
Der Erste Weltkrieg hat als „Urkatastrophe“ den weiteren Verlauf der Geschichte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt. Danach war die Welt eine andere. Die anfänglich verbreitete Kriegsbegeisterung schlug mit der Zeit in Desillusionierung und Kriegsmüdigkeit um.
Die Ausstellung setzt an diesem Punkt an und konzentriert sich besonders auf das Jahr 1917 in Stadt und (Um-)Land Siegen, das allgemein als Wendejahr des Krieges gilt. Um dieser Momentaufnahme eines „Weltenbrandes“ in der Provinz Tiefe zu geben, werden wesentliche Transformationsprozesse in den Blick genommen. Es wird gezeigt, wie die Menschen in der Region mit den Versorgungsengpässen und den neuartigen Anforderungen umgingen, die der Krieg in seinem dritten und anbrechenden vierten Jahr an sie stellte. Sie bildeten den Rahmen, in dem sich der Alltag gestalten ließ. Wie ging das in der Heimat? Wie an der Front? Wie bei dem Kriegsgedenken und den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs?
Mangel ‒ schmecken, prüfen, verwalten
hören, sehen, spüren
Die Menschen prüften das knappe Angebot an Lebensmitteln und teilten sich die erreichbaren Güter sorgsam ein, die Stadt reglementierte Abgaben und kriminalisierte Verstöße, die Zeitungen mahnten zum richtigen Umgang mit den kostbaren Ressourcen.
Der Mangel war im Alltag überall spürbar durch ungewohnte Geräusche – „der dröhnende Schritt derer, die jetzt Holzschuhe tragen“, neue Bilder – Schlange stehende oder umherziehende Menschen auf der Suche nach Essbarem oder Kleidung, nun alltägliche Empfindungen – Hunger durch nicht sättigende Lebensmittelrationen.
Die Geschichte des Mangels an der Heimatfront wird anhand bisher nicht gezeigter Objekte thematisiert. Ob ein Milchprüfer zur Überprüfung der Qualität knapp gewordener – und nicht selten „gestreckter“ – Milch, Fotografien, die den Alltag der Menschen beleuchten oder Holzschuhe, die im Krieg als Notschuhe angefertigt wurden – diese Objekte werden auf ihre Funktion befragt und zeigen, wie die Menschen versuchten, den Veränderungen in ihrem Alltag zu begegnen.
Front – überstehen, überleben, überliefern
1917 schien die anfängliche Kriegseuphorie, mit der die Soldaten in der Hoffnung eines schnellen Sieges losgezogen waren, gebrochen. Die zunehmende Technisierung des Krieges brachte in der Medizin ebensolche Veränderungen mit sich. Der tägliche Kampf um das Überleben und der Alltag in den Schützengräben spiegelten sich in verschiedenen Schriften und Objekten der Soldaten. Einfache Schnitzereien und lyrische Texte aus den Schützengräben dokumentieren den Umgang mit der sich radikalisierenden Situation an der Front. Das Metropoltheater hingegen zeigte den Menschen in der Heimat ein anderes Bild von der Front.
Hier stehen die Erfahrungen der Soldaten an der Front im Vordergrund. Diese fanden u.a. in autobiografischen Zeugnissen oder Kriegslyrik ihren Ausdruck. Neben zahlreichen Objekten nimmt die Lyrik hier einen besonderen Platz ein. Anhand zweier Gedichte von Soldaten aus dem Siegerland werden unterschiedliche Deutungen des Krieges analysiert. Das erste stammt von 1914 und lässt die patriotische Gesinnung zu Kriegsbeginn durchblicken. Das zweite wurde im Jahr 1917 verfasst. Die Sprache ist nüchtern, Entbehrungen und der Tod an der Front werden thematisiert. Die Gedichte sind vertont worden und werden als Quellen für die Einstellungen der Soldaten gegenüber des Krieges thematisiert.
Diesen Zeugnissen der Soldaten wird der Propagandafilm „Bei unseren Helden an der Somme“ gegenübergestellt. Dieser Film wurde 1917 im gesamten Deutschen Reich gezeigt. Er lief auch im Siegener Metropol-Theater. Durch die Gegenüberstellung der Dokumente werden unterschiedliche Perspektiven auf den Krieg thematisiert und reflektiert.
Rückschau – konstruieren, erbauen, erinnern
Wer später auf den Krieg zurückschaute, tat das aus einer jeweils eigenen Sicht. Die Denkmäler etwa, die in Siegen und Umgebung nach dem Ersten Weltkrieg erbaut wurden, verdeutlichen das eindrucksvoll. Die Intention der Erbauer unterschiedlicher Denkmäler steht hier im Vordergrund. Was wollten die Erbauer bewirken, indem sie den Fokus entweder auf die Trauer um die gefallenen Soldaten oder auf militärische Symbolik legten?
Diese Fragen werden anhand von Fotografien unterschiedlicher Denkmäler diskutiert. Ziel ist dabei, die Symbolik der Denkmäler zu hinterfragen und zusammen mit den Schülerinnen und Schülern die Funktion der Denkmäler und ihre politischen Sinnstiftungen zu diskutieren.
Danach – darstellen, deuten, vereinnahmen
„Denkt euren Toten!“ – der Titel des Gedichtes Adolf Wurmbachs eröffnete eine Diskussion über die politische Färbung der 700 Jahresfeier am 9. August 1924 in Siegen. Das Gedicht mit der Aussage, „jeder einzelne trage die Verantwortung für die Katastrophe des Ersten Weltkriegs“, sahen zahlreiche Kriegsvereine und ehemalige Regimenter als Abwendung vom Patriotismus und gar Verrat. Ein Ausspruch Adolf Hitlers, präsent durch eine Notiz am Maibaum der Stadt Siegen, der auf dem Marktplatz anlässlich des Jubiläums aufgestellt war, zeigt eine andere Seite. Dieser nimmt Deutungen vorweg, die nach 1933 in Deutschland alleinige Geltung besitzen sollten.