Vom Schwert bis zum Bergbau: Lese-Reise quer durch Westfalens Archäologie
Dass die Menschen in Westfalen in allen Epochen erfindungsreich, anpassungsfähig und gleichzeitig traditionsbewusst waren, spiegelt sich auch in der Archäologie. Der Band „Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 12“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zeigt das mit aktuellen Erkenntnissen in einer neuen Publikation. Das Spektrum reicht von der Bronzezeit bis in die frühe Neuzeit, vom Überleben in hochwassergefährdeten Gebieten bis zur Bestattungspraxis in der römischen Kaiserzeit.
Sieben Archäologen gehen in der Publikation den unterschiedlichsten Fragestellungen quer durch alle Epochen und Regionen nach. Die Beiträge sind jetzt sowohl einzeln als auch als Gesamtausgabe über Open Access im Internet zu haben. Jeder kann sich damit kostenlos in die wissenschaftliche Erforschung des in der Erde verborgenen kulturellen Erbes einlesen. Möglich macht das die Kooperation der LWL-Archäologie für Westfalen mit der Universität Heidelberg.
Wer Bücher lieber im festen Zustand zur Hand nimmt: Das ist weiterhin mit den gedruckten Exemplaren möglich, die es sowohl im LWL-Museum für Archäologie in Herne als auch beim Verlag Philipp von Zabern gibt.
- Der erste Beitrag beschäftigt sich mit Waffen in der Bronzezeit. Schwerter waren nicht nur zur Verteidigung gedacht, sondern hatten als kunstvoll gefertigte Objekte zudem eine symbolische Bedeutung. Ferner ließen sie keinen Zweifel über die gesellschaftliche Rolle ihrer Besitzer. Jan-Heinrich Bunnefeld untersucht die Zusammenhänge, in denen die Schwerter dieser Epoche in Westfalen entdeckt wurden. Er geht ihrer Herstellung und Funktion ebenso auf den Grund wie den weitreichenden geografischen Beziehungen, die sich aus Formensprache und Materialien bis in den Süden oder nach Westeuropa erschließen lassen.
- Wie sich die Westfalen bereits in der Eisenzeit vor den Auswirkungen von Wetter und Klima schützten, zeigt die Untersuchung von Thilo Schiermeyer. In Vreden-Gaxel (Kreis Borken) lebten die Siedler in unmittelbarer Nähe zum Fluss. Zahlreiche Speicher und Gruben lassen vermuten, dass die hochwassergefährdeten Niederungen intensiv für die Viehwirtschaft genutzt wurden. Untersucht werden auch jene Spuren im Boden, die Rückschlüsse auf die Wirtschaftsweise der Bevölkerung ermöglichen. Wie völlig anders der Speisenzettel damals aussah, zeigen in der Erde erhaltene Reste von Gerste, Rispenhirse, Emmer oder Kolbenhirse. Viehwirtschaft, die Nutzung des nahen Flusses, Kontakte in weiter entfernte Regionen anhand von Reibsteinen aus Basaltlava: Der Blick in den Boden ermöglicht spannende Perspektiven auf den Alltag dieser eisenzeitlichen Siedlung.
- Das tägliche Leben sah in der gleichen Epoche unweit von Lennestadt (Kreis Olpe) deutlich anders aus. Hier errichteten die Menschen eine Befestigung in stattlicher Höhe. Manuel Zeiler diskutiert die bisher gültigen wissenschaftlichen Erklärungen, warum die Bewohner der Region sich derartige Anlagen bauten, und findet eine Antwort. Er sieht den Grund dafür in den neuen Entwicklungen im Ackerbau, aus denen sich wiederum gesellschaftliche Veränderungen und die Abkehr von gewohnten Wirtschaftsstrukturen ergaben.
- Ebenfalls in der Eisenzeit entstand auf einem Höhenrücken bei Balve (Märkischer Kreis) eine weitere Befestigung. Eva Cichy hat die Anlage erforscht – insbesondere ihre ungewöhnliche Gestalt mit radial angelegten Außengräben. Hier dürften die Ausbeutung und Sicherung von Erzlagerstätten den Anlass für diesen außergewöhnlichen Bau gegeben haben.
- Traditionen spiegeln sich insbesondere in der Bestattungskultur. Der geht Patrick Körnemann in einem Gräberfeld in Dortmund-Asseln auf den Grund. Er untersucht Gräber aus der römischen Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit. Grabbeigaben wie Gefäße, Fibeln, Haarnadeln und Perlen stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Praxis der Bestattungen. Hier wurden die Menschen sowohl verbrannt und in Urnen beigesetzt, als auch Körperbestattungen angelegt. Damit ist die Nekropole eines der wenigen Beispiele in Westfalen für beide Bestattungsformen.
- Bräuche und Gewohnheiten lassen sich auch auf den Tischen und in den Küchen der Menschen. Was im Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit den Geschmack traf und sowohl die Speisentafel verzierte als auch in der Gebrauchskeramik üblich war, offenbaren Töpfereiabfälle aus Minden. Tobias Gärtner untersucht das Produktspektrum der Werkstatt und entdeckt zwischen Töpfen, Flaschen, ersten Tellern, Tisch- und Kochgeschirr Geschäftsstrategien aus der Zeit um 1500.
- Abschließend nimmt der Band „Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 12“ die Leser mit auf Entdeckungsreise unter der Erde, aber auch obertägig sind Manuel Zeiler und Rolf Golze den Spuren des Bergbaus im Kindelsberg im Kreis Siegen-Wittgenstein auf den Grund gegangen. Pingen und Mundlöcher, Halden, Schlacken, Strecken, Querschläge und Pumpen: Die Forscher dokumentieren, was hier bereits im 18. Jahrhundert eindrucksvolle, aber bislang wenig untersuchte Spuren hinterlassen hat.