Albert Ludwig Juncker – erster Präsident der IHK Siegen nach 1945

Führungspersonal der Industrie – und Handelskammer Siegen (IHK) waren bereits zweimal Thema hier auf siwiarchiv (Bernhard Weiss und Wieprecht von Kropff). Die folgende Zusammenstellung zu Albert Ludwig Juncker stellt nun Informationen über den ersten Präsidenten der Siegener (IHK) zusammen und liefert Hinweise zur weiteren Recherche:

geb. 2.12.1904 in Bochum , gest. 8.3.1987 in Siegen, evangelisch[1]
Albert Ludwig Juncker war gelernter Kaufmann[2] und u. a. bei der AEG tätig. 1926 trat er in den elterlichen Textilgroßhandel ein, dessen Mitinhaber Juncker 1945/1946 wurde.[3]
Albert Juncker war mit Jenny J. geb. Kahn[4] in „Mischehe“ verheiratet. Albert Juncker wohnte mit seiner Frau in der Gläserstraße 2 bis zu ihrem Umzug 1954 in die Sandstraße. 1934 wurde ihre Tochter geboren. Seine Frau Jenny wurde im September 1944 in Kassel-Bettenhausen, einem Arbeitslager – ein Außenlager des KZ Buchenwald – , interniert. Mehrfache Besuche in Kassel einer Siegenerin sind bekannt, sie überbrachte Gegenstände aus Siegen. Seine Tochter wurde rechtzeitig bei einem Bauern in der Nähe von Attendorn versteckt. Albert Juncker holte seine Frau während eines Luftangriffs aus Kassel und versteckte sich mit ihr ebenfalls dort.[5]
Kaufmann Albert Juncker, der nach dem Tod seines Vaters in Siegen die Textfirma Albert Juncker jun. führte, wurde als „Unbelasteter“ nach dem Umbruch 1945 Mitglied im Vertrauenssauschuss der Stadt und des Landkreises Siegen. 1945/1946 war es Stadtverordneter für die SPD in Siegen.[6]
Juncker war Leiter des Großhandelsverbands Siegen–Olpe–Wittgenstein.[7] Ebenso gehörte er der Vorstand des Landesverband Groß- und Einzelhandel an. Ferner gehörte er dem Vorstand des bergisch-märkischen Verkehrsverband an.
Ab 1945 gehörte er der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Siegen an[8].
Von August[9] 1946 bis 1952 übernahm Juncker die Präsidentschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Siegen.[10] Als solcher hat er sich sehr für eine Wiederbelebung der Wirtschaft und gegen drohende Demontagen [10% aller von Demontage betroffenen Objekten lagen im Siegerland; 11 von 28 betroffenen Werken blieben verschont] eingesetzt.[11] Als IHK-Präsident galt er als „rustikal und jovial“. Albert Juncker war Mitglied verschiedener Ausschüsse der IHKs in den westlichen Besatzungszonen[12] und Mitglied des Vorstandes der IHK NRW[13]
Juncker war von 1949 bis 1953[14] Mitglied des ersten Deutschen Bundestages. Er wurde für die Freie Demokratische Partei (FDP) über die Landesliste Nordrhein-Westfalen (7/54) gewählt.[15]

  • ordentliches Mitglied: Ausschuss für Verkehrswesen, Ausschuss für Sozialpolitik (Juni 1950 bis Oktober 1951), Ausschuss für ERP-Fragen (bis Juni 1951, danach stellvertretendes Mitglied),
  • ordentliches Mitglied[16]: Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Einfuhren in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Gebiet der Bundesrepublik, Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Ursachen der Grubenkatastrophe auf der Zeche „Dahlbruch“ in Gelsenkirchen (seit September 1951)
  • Stellvertretendes Mitglied[17]: Ausschuss für Wirtschaftspolitik, Ausschuss für ERP-Fragen (seit Juli 1951), Ausschuss für Außenhandelsfragen (seit September 1953)
  • Als Vertreter für die FDP/DVP gehörte er 1949 der Bundesversammlung an.[18]
  • Exkurs: IHK-Vizepräsident Theodor Siebel (1947 – 1953) gehörte von 1949 bis 1961 dem Bundestag als CDU-Mitglied an.

Wegen einer chronischen Halskrankheit musste er oft in südlichen Ländern (z. B. Italien, Österreich, Schweiz) weilen.

Quellen
Zeitungen:

  • Westfalenpost, 31. März 1951

Online:

Literatur:

  • Traute Fries/ Hartmut Prange: „Hier geschieht niemanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
  • Otto Gerhard: 100 Jahre Industrie- und Handelskammer Siegen, in: „Siegen im Wiederaufbau. 725 Jahre Stadt Siegen. 100 Jahre Industrie- und Handelskammer, 1.- 2. Oktober 1949“, [Festschrift] Siegen 1949, S. 17 – 25.
  • Cornelius Neutsch: Einmischung und Mitgestaltung. Die Arbeitgeberverbände in Siegen-Wittgenstein seit 1945, Siegen 2013
  • Siegerländer Heimatkalender 1988, S.38
  • Rudolf Vierhaus: Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949 – 2002. Band 1: A-M, München 2002, S. 395

 

Hinweise zur weiteren Recherche:

  • „Die Volksvertretung. Handbuch des Deutschen Bundestages. Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. Stuttgart, Cotta 1949, Darmstadt 1985“
  • Archiv des Liberalismus: Korrespondenz mit Juncker in einer Akte des FDP-LV NRW, die über den Kreisverband Siegen angelegt wurde.
  • Jürgen Weise: Kammern in Not, zwischen Anpassung und Selbstbehauptung: die Stellung der Industrie- und Handelskammern in der Auseinandersetzung um eine neue politische und wirtschaftliche Ordnung 1945-1956 : dargestellt am Beispiel rheinischer Kammern und ihrer Vereinigungen auf Landes-, Zonen- und Bundesebene, 1989
  • Eisenbahndirektion Wuppertal: 1850 – 1950, Hundert Jahre Eisenbahndirektion Wuppertal, 1950, S. 107
  • Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, K 104/Regierung Arnsberg, Wiedergutmachungen, Nr. 26820, 1945-1960
    • Aktenart: Entschädigungsakte
    • Name: Juncker
    • Vorname: Jenny
    • Geburtsname: Geburtsname: Kahn
    • Geburtsdatum: 24.01.1906
    • Geburtsort: Weidenau
    • Geburtsland: Deutsches Reich / Bundesrepubl
    • Zusatzinformationen: ANTRLAND D / ANTRORT Siegen / ANTRNAT D zum Zeitpunkt des Erstantrags
    • VERFLAND D / VERFORT Siegen / VERFNAT D zum Zeitpunkt der Verfolgung
    • Verfolgungsgrund: Juden
    • Zwangsmaßnahme: Arbeitslager, 1944, -1945, ZA Kassel-Bettenhausen 29.09.1944 – 04.1945
    • Beschlagnahmung/Entzug beweglicher Vermögensgegenstände, Verlust der Wohnungseinrichtung nach Räumung
    • Der Ehemann Albert Juncker scheint keinen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt zu haben.
  • Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, S 172/FDP, Kreisverband Siegen, 1, 1946-1950
    • Protokolle der Vorstandssitzungen des FDP-Kreisverbandes Siegen
    • Enthält u.a.: Protokoll der öffentlichen Versammlung und des Kreisparteitages am 26.11.1949: Rede von MdB Albert Juncker (Ergebnis der Bundestagswahlen, Koalitionsverhandlungen der CDU, Stellungnahme zu bundespolitischen Fragen im Bundestag
  • Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, FDP-Kreisverband Siegen und Deutsche Jungdemokraten Kreisverband Siegen 2, 1951-1954
    • Protokolle der Vorstandssitzungen des FDP-Kreisverbandes Siegen
    • Enthält u.a.: Sitzungen am 24.5.1951, am 15.6.1951 zusammen mit dem Ortsvorstand Siegen und dem kommunalpolitischen FDP-Kreisausschuss, am 6.7.1951: Gemeindenachwahlen, Rede von MdB Albert Juncker, Satzung des Kreisverbandes, Delegierte zum Landesparteitag, Bund der Fliegergeschädigten
  • Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv S 22 7 a (Siegel und Werbemarken),
    • darin leider ohne Datum der Vermerk auf einen Wilhelm Fries und Albert Juncker aus Siegen. Wahrscheinlich existiert hier noch ein Werbedruck o.ä. zur elterlichen Textilfabrik.
  • Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv K 5 Nr. 829 [1950-52] (IHK Münster),
    • darin ein Hinweis auf einen Schriftwechsel
  • Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv K 17 Nr. 40 [1946-49] (IHK Lippe zu Detmold),
    • darin ein Hinweis auf einen Schriftwechsel zur Bildung von Wirtschaftskammern auf Länderebene mit Stellungnahme der IHK Detmold
  • Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv K 17 Nr. 41 [1948-49] (IHK Lippe zu Detmold),
    • darin auch ein Hinweis auf einen Schriftwechsel mit dem Präsidenten der Kammervereinigung und den NRW-Kammern über ihre Stellungnahme zu den Wirtschaftskammern
  • Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv K 17 Nr. 46 [1949-1950] (IHK Lippe zu Detmold),
    • darin ein Hinweis auf eine ausführliche Korrespondenz mit dem Präsidenten des DIHT Petersen.
  • Jahresberichte der IHK zu Siegen
  • Bundestag, Dokumentations- und Informationssystem, Link: https://dip.bundestag.de/
  • Bundestag, Endgültige Plenarprotokolle, Link: https://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle

[1]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571; Fries, Traute/ Prange, Hartmut: „Hier geschieht niemanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
[2]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571
[3]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571
[4] (geb. 24.01.1906, gest. 1. Mai 1990: Mutter Paula Kahn geb. Kohen [*21.1.1860 in Meppen], Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit)
[5]Fries, Traute/ Prange, Hartmut: „Hier geschieht niemanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
[6] Fries, Traute/ Prange, Hartmut: „Hier geschieht niemanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
[7]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571
[8]Vierhaus, Rudolf. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Berlin 2002, S. 395
[9]Fries, Traute/ Prange, Hartmut: „Hier geschieht niemanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
[10]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571
[11]Fries, Traute/ Prange, Hartmut: „Hier geschieht neimanden Unrecht“. Zur Geschichte von Dr. Artur und Else Sueßmann und der Familie ihrer Tochter Annemarie Meyer. Eine Dokumentation, Siegen 2010, S. 46-48
[12]Vierhaus, Rudolf. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Berlin 2002, S. 395
[13]Vierhaus, Rudolf. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Berlin 2002, S. 395
[14]Wikipediaeintrag
[15]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571
[16]Vierhaus, Rudolf. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Berlin 2002, S. 395
[17]Vierhaus, Rudolf. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Berlin 2002, S. 395
[18]Schumacher, Martin(Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946 – 1972, Berlin 2006, S. 571

Ein Gedanke zu „Albert Ludwig Juncker – erster Präsident der IHK Siegen nach 1945

  1. Auf den Artikel „Schicksalsjahre einer Familie“ von Traute Fries in der Heimatland Beilage der Siegener Zeitung vom 28.1.2022 sei verwiesen, da dort weitere Angaben zu Albert Juncker und dessen Famile enthalten sind.
    Ein Blick in die Siegener Kreistagsprotokolle des Jahres 1946 ergab folgendes: Albert Juncker war seit Februar 1946 Mitglied des Ausschusses für das Straßenverkehrsamt und Mitglied des gemeinsamen Ausschusses für den Wiederaufbau von Stadt- und Landkreis Siegen (bis Oktober 1946). Im April 1946 wurde Juncker als von Seiten der Stadt Siegen als Mit glied derr Entanzifizierungsspruchkammer vorgeschlagen.

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