Aus dem Fazit: “ ….. Als Hans Carl von Carlowitz 1713 die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder forderte, wurde diese in den nassauischen Territorien schon seit über 200 Jahren angestrebt. Auf dem Hintergrund, dass die Forstordnungen stetig aktualisiert wurden, zeichnet sich zwar eine Kluft zwischen juristischer Theorie und gelebter Praxis ab, doch auch Carlowitz‘ Ansinnen lässt die Frage nach Erfolg zunächst unbeantwortet. Besonders die genannten Strafen und Repressalien zeigen, wie wichtig den Herrschaften die Begründung neuer Waldbestände war. Das oft vorherrschende Bild des totalen Raubbaus, das rücksichtslose Aufbrauchen aller Holzreserven ist zumindest für die Frühe Neuzeit falsch. Richtiger ist: Sowohl der Bedarf an Holz als auch die Bemühungen um zukünftige Verfügbarkeit stiegen an – ein Aspekt, der sich in den Forstordnungen deutschlandweit widerspiegelt.“
Link zur Aufsatz (PDF): Poggel Nachhaltigkeit vor Carlowitz
Nachhaltigkeit vor Carlowitz – Das Begründen von Waldbeständen im Siegerland der Frühen Neuzeit von Thomas Poggel: ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
Die bekannte These „Die Welt ist nicht gut“ (Bellers u. Kunzmann 2015) ist zu ergänzen: „… und sie wird nicht dadurch besser, dass ich bei jedem Thema meinen Senf dazu gebe.“ Deshalb nur ganz kurz:
Zu einem Leitbegriff der noch jungen Forstwissenschaft wurde „Nachhaltigkeit“ am Anfang des 19. Jahrhunderts. Hier hätte sich für einen über Nassau schreibenden Autor der Hinweis auf G.-L. Hartig angeboten („… denn es läßt sich keine dauerhafte Forstwirthschaft denken und erwarten, wenn die Holzabgabe aus den Wäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist.“ Anweisung zur Taxation und Beschreibung der Forste, 2. Aufl. 1804, S. 1). Forsthistoriker haben später die Bagatelle (wieder)entdeckt, dass das umgangssprachliche Wort „nachhaltend“ schon von Carlowitz in einem ihrer literarischen Klassiker benutzt worden war. Aber natürlich konnte es (bzw. die substantivierte Form) auch nach Carlowitz weiterhin umgangssprachlich für alles mögliche verwendet werden. So auch vom Autor des hier eingestellten Artikels. Der Titel ist irreführend; es geht um frühneuzeitliche Holzeinsparung, nicht um Nachhaltigkeit im forstwirtschaftlichen Sinne als Prinzip der Aufstellung langfristiger Forsteinrichtungspläne.
P.K.
Sehr geehrter Herr Kunzmann,
besten Dank für Ihre Kritik.
1. Ebenfalls Dank für Ihren Literaturhinweis.
2. Es geht sehr wohl um Nachhaltigkeit im forstwirtschaftlichen Sinn. Dieser besteht darin, dass nur so viel Holz gehauen wird, wie im gleichen Zeitraum nachwächst. Wie im Aufsatz erwähnt, sind absolute Zahlen fast nicht zu belegen. Ihre gewünschten Forsteinrichtungspläne auf Grunddaten basierend wie z. B. Vorrat, Vornutzung, Alter und Ertragstafeln mit Bestockungsgraden, Bonitierungen etc. sind meines Wissens nach für die Frühe Neuzeit nicht existent und erst mit preussischer Herrschaft annähernd zu fassen. Ich kann im Detail z. B. nicht sagen, 1589 wurden auf Fläche xy ein nachhaltiger Hiebssatz angewandt und nur 50fm pro ha Holz gehauen. Stattdessen wurde im Aufsatz der Weg aufgezeigt, dass immer mehr Holz angepflanzt als geerntet wurde. Nicht mehr und nicht weniger.
3. Und so sind diese paar Seiten zu betrachten, als Schlaglichter einer regionalen Alltagswelt, eingebettet in das größere Thema Carlowitz und Nachhaltigkeit.
Mit besten Grüßen
Thomas Poggel
Der Sinn, wiederholen Sie, besteht darin, „dass nur so viel Holz gehauen wird, wie im gleichen Zeitraum nachwächst“. Für diese Formulierung sind Sie nicht verantwortlich zu machen; sie geistert seit langem in verschiedenen geringfügigen Variationen aber mit jedesmal demselben logischen Grundübel durch die Medienwelt und wird immer aufs neue gedankenlos abgeschrieben. Was soll der erwähnte „Zeitraum“ bedeuten? Welchem anderen soll er „gleich“ sein? Was soll man sich unter dem abstrakten „Holz“ vorstellen? Die vielleicht einzige Möglichkeit, diese sprachliche Fehlgeburt so zu interpretieren, dass nichts Falsches herauskommt, führt zu der Aussage „Auf einer im Jahr x abgeernteten Fläche wird im Jahr x+n nicht mehr Biomasse gewonnen, als in den vergangenen n Jahren nachgewachsen ist“. Trivialer geht es freilich nicht! Aber ich vermute, dass sich hinter der Verklausulierung sowieso nur die bekannte Devise verbirgt: „Wälder sollen in der Gegenwart so behandelt werden, dass sie auch zukünftigen Generationen noch zur Verfügung stehen werden.“ Das ist nun allerdings banal. Ein vorhandener Wald bleibt solange ein Wald, wie er forstlich genutzt wird. Hören Nutzung und Pflege auf, ist er immer noch ein Wald, der allmählich verwildert. Bestand die letzte Kulturmaßnahme im völligen Kahlschlag, bildet sich eine natürliche Waldgesellschaft über die Zwischenstufe der Heide wieder heraus. Wenn ein Wald verschwindet, dann deshalb, weil außerhalb des Forstwesens stehende Interessenten (z.B. argentinische Viehfarmer oder deutsche Gewerbegebietsplaner) sich durchsetzen konnten, nicht deshalb, weil der Förster zu viel Holz schlagen ließ.
Ich bin nicht streitsüchtig und habe auch nicht die Zeit, seitenlang ins Detail zu gehen. Jeder Mensch darf „Nachhaltigkeit“ so interpretieren, wie er will. Ich selbst bleibe dabei, dass die zahllosen frühneuzeitlichen Forstregelungsversuche in Europa Ausdruck hausväterlicher Sparsamkeit waren, einer Tugend, die das kleine Haus des Familienoberhaupts ebenso wie das dem Landesvater unterstellte „große Haus“ des Staates ansprach. Wenn, wie damals gefordert worden war, jemand sein Grundstück mit einer lebenden Hecke umgab und kein gutes Bauholz für einen Lattenzaun verschwendete, war das vernünftige Ressourcenschonung, aber keine forstliche Nachhaltigkeit. Anlaß für die starke Verwissenschaftlichung im Forstwesen seit dem ausgehenden 18. Jahrhunderts war nun gerade die Wahrnehmung, dass simple Sparsamkeit, gesunder Menschenverstand und einseitig kameralistisch geprägte Forstpolitik den besorgniserregenden Verfall der Wälder bislang nicht hatten aufhalten können und erst recht nicht die für die Zukunft befürchtete oder lokal schon eingetretene Bauholzkrise (nicht Holzkrise schlechthin, auch nicht Energieholzkrise) abwenden würden. Mit der komplexen Forschung unter dem Leitmotiv „Nachhaltigkeit“ kam eine neue Qualität in die Behandlung des Forstwesens, die so in den vorangegangenen 2-3 Jahrhunderten eben noch nicht präsent war. Man stellte sich der enorm anspruchsvollen Herausforderung, Forsten so zu planen und zu pflegen, dass sämtliche Interessentengruppen – vom Küfer über den Zimmermann bis zum Schiffsbauer – kontinuierlich und über lange Zeiträume zu ihrem speziell benötigten Holz kamen, ohne sich gegenseitig etwas streitig zu machen. So entstanden um 1800 Pläne, die unter Berücksichtigung teils langer Umtriebszeiten bis weit ins 20. Jahrhundert ausgearbeitet waren, leider aber schnell zu Makulatur werden konnten: Auch Forstexperten waren keine Propheten und konnten beispielsweise in der Segelschiff-Ära nicht voraussehen, dass demnächst kaum noch 150jährige Eichenstämme für Schiffsmasten benötigt würden, dafür aber nun hunderttausende aus jüngerem Buchenholz gesägte Eisenbahnschwellen. Im übrigen ging es bei diesen Sisyphusarbeiten um den Hochwald. Separate Niederwälder hatte man mit im Blick, aber da waren die Verhältnisse unvergleichbar simpler. In der Theorie konnte eine der Energieholzgewinnung dienende geregelte Niederwaldwirtschaft (solange sie nicht durch agrarische Nebennutzungen gestört wurde) gar nicht anders als „nachhaltig“ entworfen werden, weil es keine legitime Konkurrenz verschiedener Interessenten gab. Die Köhler wollten Holz von ganz bestimmter optimaler Stärke haben, was bei der auf Zeitintervallen beruhenden Staffelung von Schlägen eben das Hauen nach einem festen Turnus von meist 18 Jahren (mit standortabhängigen Abweichungen) erforderte. Die Produzenten von Kohlholz wären dämlich gewesen, wenn sie diesen Rhythmus sabotiert hätten. Leider sind Niederwälder so empfindliche Systeme, dass sie nur unter geschützten Laborbedingungen der Theorie gemäß konsequent ökonomisch nachhaltig funktionieren würden. In der offenen Außenwelt stehen Stockausschläge (wie jedes andere noch nicht widerstandsfähige Gehölz) unter so vielen störenden Einflußfaktoren, dass ihre späteren Erträge zu Beginn eines Turnus nicht prognostiziert werden können. Einem gut gepflegten älteren Hochwald wird ein Blitzeinschlag wenig anhaben; man verliert eben einen Baum unter vielen. Im Hauberg könnte der gleiche Blitz unschwer der Auslöser großflächiger Bestandsausfälle sein. Dies nur als ein Beispiel für etliche Faktoren (natürliche wie anthropogene), die innerhalb der kurzen Umtriebszeiten sehr drastisch wirken und zum völligen Kollaps führen können. Und schon kleinere Kalamitäten bringen das ganze System aus dem Takt. Dabei belasse ich es jetzt, und wenn Sie alles ganz anders sehen wollen, soll mir das auch recht sein. Danke jedenfalls für die Anregung.
Noch ein methodischer Hinweis: Wenn man über Rechtsgeschichte arbeitet, ist es sinnvoll, direkt auf die relevanten Rechtsquellen zuzugreifen und sich nicht mit sekundären Überblicksdarstellungen zu begnügen. Rühle von Lilienstern (Rühle ist übrigens Teil des Familiennamens) hatte die Texte der in seinem Weistum referierten „Gesetze, Ordnungen und Vorschriften“ zur Forstpolitik größtenteils schon in den Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten sukzessive abgedruckt. (Leider fehlt ausgerechnet die Ordnung betr. „Hauberge im Siegnischen“ vom 8.2.1718, die ihm anscheinend nicht im Volltext zugänglich gewesen war. Diese stand im Zusammenhang mit der Konsolidierung der Haubergsgüter, wenn es sich dabei nicht sogar um die legendäre und bisher nicht lokalisierte „Güldene Jahnordnung“ handelte). Die Fundstellen sind in dem zum Weistum gehörenden 90seitigen chronologischen Verzeichnis angegeben oder können den jeweiligen D.I.N.-Jahresregistern entnommen werden. Da das Weistum nur den Stand bis Ende 1802 wiedergibt, empfiehlt sich immer die Durchsicht der danach noch erschienenen D.I.N.-Bände. Im Jahrgang 1805, Sp. 617-622, findet man zum Beispiel die sicherlich von Hartig ausgearbeitete (wegen der französischen Besetzung dann nicht mehr wirksam gewordene) letzte Haubergsordnung für das Fürstentum Siegen.
P.K.
Viel hilft bekanntlich nicht immer viel und so ist das unstrukturierte Herunterschreiben von Wissen und Unwissen nicht gerade sachlich und auf den Aufsatz bezogen. Ihr Beitrag liest sich eher nach dem Motto „Ich weiß was, ich weiß was!“.
1. Die Formulierung „Es wird nur so viel Holz gehauen, wie im gleichen Zeitraum nachwächst“ ist kein „Grundübel“ der „Medienwelt“, sondern derzeitig vertretene wissenschaftliche Lehrmeinung. Sie wird in der näheren Umgebung z. B. im Forstlichen Bildungszentrum Neheim und den einschlägigen Universitäten gelehrt.
2. „Was soll der erwähnte ‚Zeitraum‘ bedeuten? Welchem anderen soll er ‚gleich‘ sein? Was soll man sich unter dem abstrakten ‚Holz‘ vorstellen?“ Kurzfassung: Ich berechne den Zuwachs eines bestimmten Bestandes. Diese beträgt z. B. 6,3 Fm/ha im Jahr. Ein Hiebssatz müsste dementsprechend kleiner 6,3Fm/ha im Jahr sein, um als nachhaltig bezeichnet werden zu „dürfen“. Und was soll an Holz abstrakt sein? Alles Biologie, Chemie und Physik.
3. „Bestand die letzte Kulturmaßnahme im völligen Kahlschlag, bildet sich eine natürliche Waldgesellschaft über die Zwischenstufe der Heide wieder heraus.“ Falsch! Die von Ihnen angedeutete natürliche Sukzession definiert sich als I. Waldfreie Fläche, II. Vorwaldstadium mit Pionierbaumarten, III. Zwischenwaldstadium mit den Schlusswaldbaumarten und IV. dem Schlusswaldstadium mit Zerfalls- und Verjüngungsphase. Die Heide entsteht durch menschlich bedingten Nährstoffentzug (Vieh, abplaggen, verbrennen….), ist also alles andere als natürlich.
4. „Wenn, wie damals gefordert worden war, jemand sein Grundstück mit einer lebenden Hecke umgab und kein gutes Bauholz für einen Lattenzaun verschwendete, war das vernünftige Ressourcenschonung, aber keine forstliche Nachhaltigkeit.“ Wo ist der gravierende Unterschied zwischen Ressourcenschonung und forstlicher Nachhaltigkeit?
5. Was haben Kalamitäten – Ihr genannter Blitz – konkret mit dem Aufsatz zu tun? Dass biotische wie abiotische Schäden Bestände schwächen und Holz zerstören ist offensichtlich und kein sachdienlicher Hinweis und keine ernstzunehmende Kritik.
6. Sicherlich ist es immer von Vorteil archivalische Originale in Händen zu halten und nicht eine „Quellenedition“. Aber mal daran gedacht, dass es v. a. die zahllosen Heimatforscher, Ehrenamtlichen etc. sind, die die Siegerländer Vergangenheit am Leben halten und nicht selten Zeit und finanzielle Mittel fehlen? Es handelt sich hier um einen kurzen, wie gesagt schlaglichtartigen Aufsatz, nicht um eine Dissertation, die z. B. im Rahmen einer zweijährigen wissenschaftlichen Anstellung mit Forschungsgeldern finanziert wird.
In Zukunft vielleicht nicht alles unnötig verkomplizieren. Das ist in wissenschaftlicher Sicht auch kein guter Stil. Für konstruktive Kritik und streitbare Aspekte bin ich offen, aber nicht für jemanden, der sich anscheinend auf Kosten anderer gerne reden hört.
No offense! Die persönliche Note wird revidiert.
Gut so! Ich sah mich schon Zeigefinger hebend eingreifen.
Lieber Herr Wolf, vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich weiß, wie sehr Ihnen Ihr Blog am Herzen liegt. Um ihn nicht in Verruf zu bringen, ziehe ich mich aus der aktiven Teilnahme zurück und werde deshalb auch auf die Einsendung der Ihnen für die kommenden Tage angekündigten historischen Miszelle verzichten. Alles Gute, Ihr P.K.
Ich respektiere natürlich Ihre Entscheidung. Aber ein paar Worte des Bedauerns müssen Sie leider ertragen: Mit 74 Kommentaren waren Sie, lieber Herr Kunzmann, ein Garant für die Lebendigkeit des Weblogs. Ohne Kommentare, ohne Diskussion, ja auch ohne Aneinandervorbeireden ist ein Blog uninteressant. Zudem haben Ihre Kommentare mit ihren Literaturhinweisen, Quellenfunden und Ihren pointierten Einschätzungen dazu beigetragen aufgegriffene Themen zu vertiefen. Ich erinnere exemplarisch an die Einträge zu Heinrich Otto und Lothar Irle. Schade auch, dass wir hier auf die Miszelle verzichten müssen.
Vielleicht kehren Sie nach einer Zeit des „Blogfastens“ ja wieder zurück. Ich würde mich – wie viele Leserinnen und Leser des Blogs sicher auch – jedenfalls sehr freuen.
Mit Ihrer Replik hatten Sie ganz offensichtlich das Ziel, mich als ahnungslosen Spinner und Dummschwätzer vorzuführen; der pro forma angehängte Nachtrag ändert an der Wirkung des Ganzen auch nichts mehr. Da ich mich auf Siwiarchiv schon öfter zu Kommentaren habe hinreißen lassen, ist ja vorauszusehen, dass sich manche permanent im Hintergrund bleibenden Voyeure nun schadenfroh die Hände reiben: „Endlich hat es diesem Klugscheißer mal jemand so richtig gegeben!“ Nun gut, irgendwie bin ich ja selbst schuld.
Von meinen Ausführungen habe ich nichts zurückzunehmen, wenn auch die angestrebte Kürze wohl auf Kosten der Verständlichkeit ging. In meinem fortgeschrittenen Alter darf ich mir mittlerweile die Freiheit erlauben, ein wenig Vertrauen in das zu setzen, was ich mir in den zurückliegenden Jahrzehnten erarbeitet habe. Wenn Sie hier mit Ihren forstpraktischen Spezialkenntnissen auftrumpfen, um in der öffentlichen Meinung einen Expertenstatus geltend zu machen, ficht mich das nicht an. Ich habe nie behauptet, z.B. eine Ertragsberechnung vornehmen oder mit der Boussole umgehen zu können. Aber das von Ihnen gewählte große Thema ist schließlich kein Monopol praktizierender Forstwirte (auch wenn manche Vertreter der „Zunft“ das vielleicht für sich beanspruchen). In einer ausführlichen Abhandlung hätte ich mich in aller Breite auf Belege gestützt. Naiverweise war ich davon ausgegangen, dass Sie hinter meinen fragmentarischen Andeutungen mehr als lediglich persönliche Phantasieprodukte vermuten würden.
Damit ist von meiner Seite dieses sinnlose Aneinandervorbei-Reden beendet. Wenn Sie das letzte Wort haben wollen, überlasse ich es Ihnen ohne weitere Erwiderung.
Kunzmann
PS 1: Ihr oberlehrerhaft triumphierendes „Falsch!“ akzeptiere ich insofern, als meine ganz nebensächliche Erwähnung der Heide in dieser Knappheit mißverständlich war. Wenn Waldflächen nach langer Übernutzung des Bodens wegen zu starker Rentabilitätsabnahme aufgegeben werden, liegt die für das Entstehen einer (vorübergehenden) Heidevegetations-gesellschaft nötige Voraussetzung der Nährstoffarmut vor. Aber Sie haben natürlich recht, ein aus anderen Gründen gerodeter Wald verwandelt sich nicht automatisch in eine Heide.
PS 2: Wenn Ihnen das Aufsuchen sehr leicht zugänglicher gedruckter Quellen zu mühsam ist, können Sie sich den Aufwand des Publizierens doch ganz sparen; etwas erwähnenswertes Neues entdecken Sie dann sowieso nie. Ich kann nicht verhehlen, dass ich die weit verbreitete wiederkäuende Art historischer „Heimatforschung“, deren Akteuren Lokalpatriotismus viel wichtiger als Erkenntnisgewinn ist, nicht sympathisch finde.
1. Mein Ziel war es nie, Sie als „Spinner und Dummschwätzer“ vorzuführen. Sie sind mir erst seit Ihrem ersten Kommentar zu meinem Aufsatz „bekannt“.
2. Es ging weder darum, irgendeinen „Expertenstatus geltend zu machen“, noch „oberlehrerhaft [zu] triumphieren(…)“ oder ein letztes Wort haben zu wollen.
3.Dieses gibt es – zum Glück – vermutlich in keiner Wissenschaft. Und nur ein kleiner, bescheidener wissenschaftlicher Beitrag war mein Aufsatz. Ich habe primär das „Weisthum“ und die Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten „befragt“ und thats it! Es sind Facetten, nicht mehr und nicht weniger. Eine größere Arbeit würde sicherlich in die Archive nach Wiesbaden, Münster, Den Haag, Siegen etc. führen.
4. Sie haben darauf reagiert, wofür ich Ihnen danke, und Ihre Sicht der Dinge dargelegt. Meinungen treffen aufeinander, der eine weiß dies, der andere weiß jenes. Das ist Wissenschaft! Es geht hier um Inhalte, nicht um persönliche Reputation.
5. Als Historiker, der an „Ihrer“ Universität ausgebildet worden, aber nun einmal Sauerländer ist, sind mir lokalpatriotische Absichten fremd. Und letztlich ist eine „wiederkäuende (…) ‚Heimatforschung‘“ – sofern sie denn betrieben wird – weniger schlimm als die Alternative: Weniger Kultur, weniger Geschichte. Der Staat, das Land spart an dieser Stelle als erstes. Verdienen Sie mit Heimatforschung Ihren Lebensunterhalt und ich ziehe meinen virtuellen Hut!
Übrigens, Herr Kunzmann, mein Beitrag über die Funktion der Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten erscheint in den nächsten Nassauischen Annalen. Bin da ja schon sehr auf Ihre Kritik gespannt :-)!
Nachhaltigkeit – oder was?
Bei diesem interessanten Thema für die Region will ich nicht abseits stehen und meinen Beitrag dazu leisten, dass zwar nicht die Welt, aber immerhin das Siegerland ein wenig besser wird.
1. Back the roots, soll heißen, lasst uns die Originaltexte nutzen und nicht die verkürzte Form aus zweiter Hand. Rühle von Lilienstern schrieb im Weisthum: „Jeder soll um seine Wiesen und Gärten jährlich 12 Stämme von 9 Fuß Länge und armsdicker Stärke setzen.“ Hier beginnen schon die Missverständnisse: 12 Stämme von was, von Bäumen aus dem Hoch- oder Niederwald oder von Sträuchern? Wenn man dazu mehr wissen will, muss man schon den Originaltext in die Hand nehmen. Rühle von Lilienstern berief sich auf eine Ordnung aus dem Jahr 1498, die Graf Johann für die beiden Ämter Siegen und Dillenburg erlassen hatte. Nachzulesen ist diese Ordnung im Corpus Constitutionum Nassovicarum: das ist; Sammlung der Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Ausschreiben […], 1. Band, Dillenburg 1796, Sp. 31-64.
Unter Punkt 41 „Von der Wyden setzen“ werden im Stil der Zeit recht weitläufig und umständlich die Untertanen (Hausväter) der Ämter angehalten, jedes Jahr um ihre Wiesen und Gärten „uffs aller Wenigste“ 12 „wyden stemme“ von einer bestimmten Größe (9 Fuß lang und armdick) zu setzen.
2. Es handelt es sich nicht um beliebige Holzstämme, nicht um Eichen oder Buchen, sondern um Weiden, die anzupflanzen waren (diesen wichtigen Hinweis unterschlägt RvL – warum auch immer). Dieser Sachverhalt führt zu der Frage: warum Weiden? Welche Bedeutung könnten Zeitgenossen den Weiden gegeben haben, laut Wikipedia sind sie „schnellwüchsig“ und „relativ kurzlebig“. Sie besitzen also Vorteile und Nachteile. Ihre Schnellwüchsigkeit entlastete sicherlich andere Waldungen.
3. Meine Vorstellung, wie die Verordnung praktisch umgesetzt worden ist, stößt aber an Grenzen. Offenbar sind mehrjährige (armdicke) Weidenstämme (andernorts ausgegraben?, wohl kaum, da die Weiden tiefgründig wurzeln) als Setzlinge an der eigenen Grundstücksgrenze wieder eingepflanzt worden. 12 Stück pro Jahr, über mehrere Jahre, bis alles eingehegt war. Wie ging es dann weiter? Den abgeholzten / abgestorbenen Teil wieder durch neue Anpflanzungen ersetzen?
Bei einer geschätzten Häuserzahl von ein- bis zweitausend (1000 allein im Amt Siegen, vgl. Geschichte des Netpherlandes, S. 43) um 1500 in den beiden Ämtern macht das 12 – 24.000 mehrjährige Weidenstämme pro Jahr, die gepflanzt worden sind. Wo kamen die her? Führte das nicht anfänglich zum Raubbau an Weiden, bis man zum Teil auf die angepflanzten Weiden selbst zurückgreifen konnte und sich alles auf einem höheren Niveau neu einzupendeln begann? Wurde überhaupt der Ordnung nachgelebt? Fragen über Fragen, aber keine Antworten.
4. Ein spannendes Thema, ohne dass der beliebig und inflationär genutzte Nachhaltigkeitsbegriff herangezogen werden müsste. Wer den Begriff nutzt, muss sich zu Recht mit den anregenden Fragen von Herrn Kunzmann und mit einigen neueren Büchern zum Thema auseinandersetzen.
5. Die hier verbreitete optimistische Sicht der Heimatgeschichtsschreibung teile ich ganz und gar nicht. Dazu nur soviel: Sie, die Heimatgeschichtsschreibung, nutzt gerne die Ergebnisse zweiter Hand, wiederholt sie gebetsmühlenartig und lässt jegliche Auseinandersetzung mit der (wissenschaftlichen) Literatur vermissen. Soweit mein Urteil dazu, nach mehr als drei Jahrzehnten regionalgeschichtlicher Forschung.
Sehr geehrter Herr Dr. Plaum,
1. die von Ihnen zitierte Verordnung von 1498 wurde von mir lediglich als Einstieg genommen und Ihre Fragen nach den Baumarten und die Motivation eben diese zu pflanzen wurden anhand von meinen Ausführungen mit den späteren Verordnungen beantwortet. Und ja – anhand des Weisthums. Aber immerhin ist das geradliniger als von „Back [to] the roots“ zu sprechen und wenige Sätze später Wikipedia zu zitieren. Weide finden Sie bei mir genauso wie Schnellwüchsigkeit.
2. „Wie ging es dann weiter? Den abgeholzten / abgestorbenen Teil wieder durch neue Anpflanzungen ersetzen?“ Es ging durch vegetative Vermehrung – Stockausschlag (und Wurzelbrut) – weiter. Die Weide wurde gepflanzt und nach mehreren Jahren abgehackt/-geschnitten. Aus diesem Stock schlugen neue, mehrere Triebe aus. Das gleiche Prinzip wie beim Hauberg und bei Kopfbäumen. Ein Einpflanzen neuer Bäume war nicht notwendig.
3. Ein weiteres Mittel den Bedarf zu decken, waren die von mir angedeuteten ersten „Baumschulen“, die Pflanzgärten, in denen Bäume für Wiederaufforstungen herangezogen wurden.
4. „Wurde überhaupt der Ordnung nachgelebt? Fragen über Fragen, aber keine Antworten.“ Gleichfalls im Rahmen der benutzten Quellen beantwortet: Die stetige Aktualisierung der Verordnungen und die Beschäftigung der Obrigkeit mit der Thematik deutet darauf hin, dass es eine Kluft zwischen Theorie und Praxis gegeben haben muss. Wenn im alltäglichen Leben alles „rund“ läuft, dann bedarf es keiner Anstrengung, Bestehendes zu ändern.
5. Das Diffamieren des Begriffes „Nachhaltigkeit“ macht das, was darunter verstanden wird, nicht weniger sinnvoll. Selbst wenn „Nachhaltigkeit“ inflationär gebraucht wird, so ist diese Wirtschaftsweise, egal in welchem Bereich, nicht verkehrt. Wenn Sie nach dem Prinzip „Nach mir die Sintflut!“ leben wollen, dann bitte.
6. Der Einwand der bescheidenen Literaturrecherche ist berechtigt.
7. Optimistische Heimatgeschichtsschreibung ist dem Aufsatz fremd. Der „Siegerländer“ ist nicht besser oder schlechter als wer anderes. Mein Fazit erwähnt, dass die Region nur ein Fallbeispiel ist und reichsweite Forstordnungen in dieselbe Richtung gingen.
Mit besten Grüßen
Thomas Poggel
Sehr schön. Passend dazu:
„Was das Goethe-Zitat für den Bildungsbürger des 19. Jahrhunderts war, das ist die Nachhaltigkeit für den umweltbewußten Deutschen von heute: ein wohlklingender Referenzpunkt ohne tiefere Bedeutung. […] Zur Nachhaltigkeit ist, so scheint es, alles Sinnvolle gesagt und auch ein guter Teil des Sinnlosen. […] Der Rekurs auf die Geschichte wirkt vor einem solchen Hintergrund wie der Wunsch nach einem terminologischen Defibrillator.“
Frank Uekötter [Guter Mann. Radkau-Schüler], Ein Haus auf schwankendem Boden: Überlegungen zur Begriffsgeschichte der Nachhaltigkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 64 (2014), Nr. 31-32 (Themenheft Nachhaltigkeit), S. 9-15, hier S. 9 – Link zur PDF: http://www.siwiarchiv.de/wp-content/uploads/2015/03/APuZ_2014-31-32_online.pdf.
Meiner Meinung nach berechtigen Pseudonyme à la „Hans Wurst“ nicht die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Diskussion.
Pardon, meiner Meinung nach hat der Hans Wurst nicht diskutiert, sondern lediglich einen in der wissenschaftlichen Welt anerkannten Umwelthistoriker zitiert. Merci.
Zur allgemeinen Position zu anonymen Kommentaren auf siwiarchiv s. http://www.siwiarchiv.de/?page_id=103#comment-39848
Übrigens: Carlowitz war bereits zweimal Thema auf siwiarchiv:
1) Ausstellung “300 Jahre forstliche Nachhaltigkeit”
2) Hans-Carl von Carlowitzs „Sylvicultura Oeconomica“ in Wittgensteiner Schlossbibliotheken