Nachkriegsbestände des Evangelischen Kirchenkreises jetzt erschlossen
Mehr als 2.000 Archivalien in hunderten von Archivkartons lagern jetzt wieder gut sortiert im Archivkeller des Kreiskirchenamtes in Siegen. In den letzten Monaten sind sie im Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld geordnet worden.
Am Mittwoch (31.10.2013) wurden die letzten Archivkartons zurück nach Siegen gebracht. Superintendent Peter-Thomas Stuberg und Verwaltungsleiter Oliver Berg erhielten das Findbuch zum Archiv überreicht. „Für historisch Interessierte gibt es hier einiges zu entdecken“, stellt Oliver Berg fest.
Der Evangelische Kirchenkreis Siegen, der seit 1818 besteht, hat eines der bedeutendsten Synodalarchive in Westfalen.
Es dokumentiert das evangelische Leben im Siegerland vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Das ist für kreiskirchliche Archive eher selten, weiß Claudia Brack vom Landeskirchlichen Archiv. Der Altbestand des Archivs wurde bereits in den 1950er Jahren erfasst und nun im Landeskirchlichen Archiv noch einmal überarbeitet. Er umfasst rund 450 Archiveinheiten und endet um 1930. Doch wer sich mit der Nachkriegsgeschichte des Kirchenkreises beschäftigen wollte, musste bisher lange suchen. Damit ist es nun vorbei.
Der Historiker Jürgen Recksiek hat unter fachlicher Begleitung der Archivarin Claudia Brack die Aktenüberlieferung aus der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg gesichtet, inhaltlich verzeichnet und über ein so genanntes Findbuch erschlossen. Etwa 600 Arbeitsstunden mussten für den Nachkriegsbestand aufgewandt werden. Finanziert wurde sein Einsatz u.a. von der Stiftung der Sparkasse Siegen für Kunst und Kultur. Stefanie Schierling, Pressereferentin der Sparkasse Siegen, machte deutlich, dass es der Sparkassenstiftung ein besonderes Anliegen sei, die Erhaltung und Nutzbarmachung solch wertvollen Kulturgutes zu unterstützen.
Superintendent Peter-Thomas Stuberg freut sich, dass in seinem Haus ein so bedeutsames Archiv untergebracht ist. Nun besteht eine nachvollziehbare Ordnung und die Archivalien sind der Öffentlichkeit zugänglich. Stuberg dankt sehr herzlich der Stiftung der Sparkasse Siegen für Kunst und Kultur, die die sorgfältige Archivierung mit einem kräftigen Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro erst möglich gemacht hat. 2.500 Euro hat sich der Kirchenkreis die Katalogisierung kosten lassen. Der Dank des Superintendenten gilt aber auch Gerhard Moisel, Synodalarchivpfleger des Kirchenkreises Siegen, der die Aufgabe zu seiner persönlichen Passion hat werden lassen. Bei ihm weiß er den Archivbestand in besten Händen.
Gerhard Moisel kann den Platz, den er nun in seinen Regalen im Keller des Hauses der Kirche in der Siegener Oberstadt wieder hat, gut brauchen für weitere Bestände. Gingen doch etwa 2.500 Ordner an Archivmaterial nach Bielefeld. Das Schriftgut wurde aus den Stehordnern herausgenommen und von Büroklammern befreit, um das Rosten zu verhindern. Zurück bekam er 400 Kartons mit Akten fein säuberlich registriert. Moisel: „Vieles existierte in mehrfacher Ausfertigung und verbrauchte Platz. Es wurden alle Duplikate entsorgt. Nur die Originale werden aufgehoben.“
Mit Hilfe dieses Findbuches können nun Akten zu bestimmten Themen gezielt ausfindig gemacht und in den Räumen des Kreiskirchenamtes, Burgstraße 21, eingesehen werden. So ist beispielsweise der Bau des Evangelischen Gymnasiums Siegen, das im nächsten Jahr sein 50. Jubiläum feiert, im Archiv des Kirchenkreises ausführlich dokumentiert. Sehr umfangreich ist auch das Material zum kirchlichen Vereinswesen, das im Siegerland besonders ausgeprägt ist.
Bei der Sichtung der Unterlagen trat auch so manche Begebenheit zu Tage, die heute eher zum Schmunzeln Anlass geben. So fand sich ein Brief des späteren Superintendenten Pfr. Hermann Romberg aus dem Jahre 1900, der einen Amtsbruder im Vorstand um die Predigt auf einer Festveranstaltung der „Ev. Kirchlichen Vereinigung“, bat, die mal im Kirchenkreis Siegen, mal im Kirchenkreis Wittgenstein stattfand. Wenn er dieser seiner Bitte nicht nachkommen könne, solle er den Brief an einen anderen Amtsbruder im Vorstand weiterreichen. Der Brief ging durch mehrere Hände. Schließlich erreichte er wieder den Superintendenten, ohne eine erhoffte Predigtzusage aber mit dem Hinweis, an Pfr. Romberg: „Seien Sie mal ein wenig Papst und citieren Sie den Bruder Rohrberg, …“ Wer sich nun der Festpredigt erbarmte, ist nicht bekannt.
1926 hatte die Geistlichkeit in Siegen das Problem zu erörtern, wie denn mit Mädchen zu verfahren sei, die mit einem Bubikopf als Frisur zur Konfirmation zu kommen gedächten. Es wurde hin und her beratschlagt. Auch der Superintendent schaltete sich ein. Man kam zu dem Ergebnis, dass aus theologischer Sicht gegen eine solche Frisur nichts einzuwenden sei.
Das kostbarste Dokument, das aus Bielefeld nach Siegen zurückfand, ist von Fürst Johann Moritz persönlich unterzeichnet. Es handelt sich um die „Ratio Ordo et Leges Conventuum Classicorum“ des Fürstentums Nassau Siegen – heute würde man das Schreiben als Geschäftsordnung der Kreissynoden bezeichnen.
Kontakt
Das Archiv des Kirchenkreises Siegen steht der Öffentlichkeit für die Benutzung zur Verfügung. Es wird betreut von Synodalarchivpfleger Gerhard Moisel (Tel. 0271/5004-281). Es ist geplant, das Findbuch demnächst auch im Internet zur Verfügung zu stellen.
Quelle: http://www.kirchenkreis-siegen.de/index.php?katid=1&newsid=844&PHPSESSID=8a6c896915a350c0c95f3b27ceea3e0f (14.11.2013)