ein bauliches Denkmal der Zwangsarbeit in Siegen während des „Dritten Reiches“
In der Fludersbach, am südwestlichen Stadtrand von Siegen, entstand während des „Dritten Reiches“ ein sogenanntes Hilfskrankenhaus für erkrankte „Ostarbeiter“. Mit einem heutigen Krankenhaus war dieses Barackenlager nicht zu vergleichen, medizinische Hilfe gab es dort kaum. Hunderte Menschen – Männer, Frauen und Kinder – starben und wurden auf einem eigens eingerichteten Friedhof bestattet.
Von diesem „Hilfskrankenhaus“ ist heute kaum noch etwas zu sehen und niemand gedenkt dort der Opfer: Der Friedhof (Flurstück 2130) liegt versteckt und ist nur wenigen bekannt, die Baracken wurden im Zweiten Weltkrieg teilzerstört. Nach 1945 waren noch mehrere Bauten erhalten (vgl. Luftbild von 1951). In den 1960er Jahren entstand am Ort der Baracken ein Supermarkt, der Teile des „Hilfskrankenhauses“ integrierte. Einige der Kellerräume der Baracken sind – offenbar mit originalen Ausstattungselementen – bis heute erhalten.
Mit dem geplanten Abriss des Kaufland-Gebäudes besteht die Gefahr, dass die letzten baulichen Zeugnisse dieses Ortes zerstört werden. Die LWL-Archäologie für Westfalen hat das Areal einschließlich der bewahrten Bauteile als sogenannte Vermutete Bodendenkmäler eingestuft, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Nach Ansicht der Fachbehörde handelt es sich um einen wichtigen „Ort der Erinnerungskultur zu Zwangsarbeit in der NS-Zeit“ (denkmalfachliche und denkmalrechtliche Bewertung der LWL-Archäologie vom 21.6.2024).
Bis heute existieren im städtischen Raum keine Hinweise auf den massenhaften Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in Siegen zwischen 1941 und 1945. Vor diesem Hintergrund kommt den wenigen erhaltenen Zeugnissen in der Fludersbach besondere Bedeutung zu. Allein sie verweisen noch auf diesen Ort und sollten erhalten werden, um die Geschehnisse vor dem Vergessen zu bewahren und einen Gedenkort zu etablieren. Die Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Kellerräumen sowie eventuellen weiteren baulichen Resten des „Hilfskrankenhauses“ gilt es in der Stadtgesellschaft zu diskutieren. Diskutiert wurde im Rahmen der Lehre im Sommersemester 2024 im Masterseminar „Denkmalpflege“ (u. a. beim Gastvortrag von Anke Binnewerg über Schutz, Erhaltung und Vermittlung von Zwangslagern) sowie im Seminar „Stätten des Nationalsozialismus in Siegen“
Zum Diskurs: Ein Positionspapier finden sie hier.
Quelle: Universität Siegen, Architekturgeschichte, Neuigkeiten
s.a. https://www.siwiarchiv.de/die-fludersbach-als-gedenkort-zur-zwangsarbeit-im-siegerland-entwickeln/
Siegener Zeitung v. 11.05.1998:
„Seit 1947 erhob sich auf dem Hermelsbacher Friedhof ein vier Meter hoher Obelisk, der an das Schicksal der hier begrabenen 377 (379) Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erinnerte, die im Zweiten Weltkrieg in Siegen umgekommen waren.“ Es waren 19 Soldaten und 360 Zwangsarbeiter u. Zwangsarbeiterinnen. Etwa 70 % der Bestatteten waren Ukrainer. Da das Mahnmal marode war, wurde es 1998 von der Stadt Siegen – nach Beschluss in den städtischen Gremien – erneuert mit Unterstützung der Gesellschaft für deutsch-ukrainische Begegnung, der Gustav-Heinemann-Friedensgesellschaft, des Aktiven Museums Südwestfalen und der Gesellschaft „Dialog“. Im Zuge der Erneuerung wurde erstmals eine Tafel in ukrainischer Sprache angebracht. Zuvor war nur von sowjetischen oder russischen Brüdern die Rede, dabei waren die meisten Opfer Frauen und KInder (47). Der neue Obelisk wurde von Steinmetz Rainer Paul angefertigt. An der erneuten Einweihung nahm der Ukrainische Botschafter teil, dessen Vater als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert worden war.