Heute vor 52 Jahren: Hatten „Scheinwohnsitze“ im Wahlkreis Siegen-Wittgenstein Folgen bei der Bundestagswahl 1972?

Das Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein erhielt unlängst eine telefonische Anfrage, ob dort der „Wahlbetrug“ bei der Bundestagswahl 1972 bekannt sei und wo man eventuell etwas dazu erfahren könne. Bei der Wahl sei es im heutigen Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein (u. a. Siegen, Hüttental, Eiserfeld, Kreuztal, Burbach, Laasphe) zu Unregelmäigkeiten gekommen. Das Fernsehmagazin „Report Mainz“ hatte am 13. November 1972 kurz vor der Wahl berichtet, dass es im Siegerland wegen sog. „Scheinwohnsitze“ zu einer Verfälschung des Wahlergebnisse gekommen sei. Im Kreisgebiet hatten sich ungewöhnlich viele Berliner – besonders aus dem Partnerbezirk Spandau – vor der Wahl angemeldet. Berliner Bürgerinnen und Bürgern war es 1972 nicht gestattet, an Bundestagswahlen teilzunehmen (kein aktives Wahlrecht); es sei denn, dass sie einen weiteren Wohnsitz in der Bundesrepublik haben.
In der o. g. Sendung befragte Moderator Franz Alt u. a. die damalige SPD-Bundestagskandidatin Waltraud Steinhauer.
Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages und auch das Bundesverfassungsgericht stellten fest, dass die begründeten Vorwürfe keine relvante Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten.

Erste Recherchen brachten folgendes Ergebnis, das zu einer vertieften Beschäftigung (z. B. Auswertung der lokalen Presse) einlädt:

Rechercheergebnis
Archive:

Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2.21.1. Nr. 138 (Bundestagswahl 19.11.1972 Wahlprüfungsangelegenheiten, enthält nur: Bundestagsdrucksachen)
Stadtarchiv Siegen E Nr. 2871, 5095, 5096, 5100, 5101; 158 Nr. 1256, 1259 (Hüttental); 159 Nr. 122 (Eiserfeld))
ULB Münster, Rudolf Schöpper, “Ik hab noch einen Koffer…. im Siegerland”, 15.11.1972, Digitalisat: https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/urn/urn:nbn:de:hbz:6:1-176187
Archiv der Konrad Adenauer Stiftung, UID 44/1972, S. 2, Link: https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_25316_1.pdf/63b007b2-11e8-a256-2afb-174539cfb69e?version=1.0&t=1539702629355
Landesarchiv NRW, Findbücher NW 0272, 0348, 0539,0850
WDR, Historisches Archiv, Bundestagswahl 1972 Sig. 140
ZDF, Historisches Archiv, Bundestagswahl 1972 Bestand Chefredakteur, Sig. 6/0014
Bundestag, Wahlprüfungsausschuss, s.u.a. https://dserver.bundestag.de/btd/07/019/0701955.pdf
Bundesarchiv, Bundesverfassungsgericht, s. a. https://openjur.de/u/210658.html
Archiv Friedrich Ebert Stiftung, SPD Bundestagsfraktion

Literatur
SPIEGEL 48/1972: „Übrigens Eisberg. Wird die Bundestagswahl angefochten? Das ist die Frage, seit offenkundig geworden ist, daß Berliner aller Parteien in Westdeutschland am Rande der Legalität mitwählten.“ (Link); 46/1973: „Platz zum Schlafen. Wegen der Teilnahme West-Berliner Bürger an der Bundestagswahl 1972 fürchten Bonner Parlamentarier neuen Ärger mit der DDR.“ (Link)
Jürgen W. Falter, Die Bundestagswahl vom 19. November 1972, Zeitschrift für Parlamentsfragen von. 4 Nr. 1, März 1973, S. 115-132
Max Kaase, Die Bundestagswahl 1972: Probleme und Analysen, in: Politische Vierteljahresschrift vol. 14 Nr. 2 1973, S.145 – 190
Ludolf Eltermann/Helmut Jung/Werner Kaltefleiter: Drei Fragen zur Bundestagswahl 1972, APuZ 46 1973
Werner Kaltefleiter, Zwischen Konsens und Krise. Eine Analyse der Bundestagswahl 1972, Bonn 1973
Max Kaase, Einige Bemerkungen zu Ausgangslage, Wahlkampfstrategien und Ergebnis der Bundestagswahl 1972, Mannheim 1973

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