Zu einer gemeinsamen Gedenkfeier zu Ehren Walter Krämers kamen jetzt zahlreiche Interessierte im Historischen Ratssaal in Siegen zusammen. Die Siegener Persönlichkeit wäre in diesem Jahr 130 Jahre alt geworden.
Die Stadt Siegen und der VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein hatten deshalb zu einem Empfang zur Erinnerung an den „Arzt von Buchenwald“ eingeladen. Positive Rückmeldungen zur Feierstunde kamen auch von verschiedenen Nachkommen von KZ-Überlebenden, die Walter Krämer ihr Leben zu verdanken haben und gerne an der Gedenkfeier teilgenommen hätten, dies aber aus gesundheitlichen Gründen nicht konnten.
Bürgermeister Steffen Mues begrüßte die Anwesenden und betonte, die Stadt Siegen stelle den Ratssaal zur Verfügung im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur und eines freiheitlichen demokratischen Diskurses: „Beides braucht einen ausgewiesenen Platz, idealerweise einen Platz in unserer Mitte. So wie seit 2014 den Walter-Krämer-Platz. Und wie heute den Ratssaal.“ Mues erinnerte in seiner Rede an das Wirken von Walter Krämer und zitierte einen Schlüsselsatz aus einem Aufsatz von Klaus Dietermann: „Im Lager Buchenwald beginnt etwas entscheidend Neues: Der Schlosser und der Parteifunktionär verwandeln sich, werden zum Helfer, der eine überragende ärztliche Kompetenz entfaltet und Hunderten, vielleicht Tausenden von Menschen das Leben rettet.“ Im Jahr 2000 hatte der Staat Israel Walter Krämer posthum den Titel „Gerechter der Völker“ verliehen und ihm damit die höchste Auszeichnung zuteil werden lassen, die Israel an einen Nichtjuden vergeben kann. „Walter Krämer hat im KZ Buchenwald nach heutigem Ermessen schlicht Übermenschliches geleistet.“
Krämer war 1933 aufgrund seiner Zugehörigkeit zur KPD vom NS-Regime in Schutzhaft genommen worden. Im KZ Buchenwald bildete der gelernte Schlosser und Berufspolitiker sich selbst zum Arzt aus. Walter Krämer organisierte seinen Arbeitsalltag wie ein Klinikarzt, und durchlief seine medizinische Ausbildung nicht nur im Selbststudium, sondern auch im Schnelldurchgang, das alles in der brutalen Schreckenswelt des Konzentrationslagers, so Mues weiter.
Rikola-Günner Lüttgenau Hauptredner des Abends
Nach der Eröffnung der Gedenkstunde sprach der Hauptredner des Abends, Rikola-Gunnar Lüttgenau, seines Zeichens stellvertretender Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. In seinem Vortrag ordnete er die wichtigsten und prägenden Stationen von Walter Krämer anhand des historischen Kontextes ein und erinnerte detailreich an dessen Leben und Wirken: „Walter Krämer geht noch weiter in seinem Widerstand. Er sabotiert das Abspritzen, die Tötungsaktionen der SS-Ärzte, nun nicht mehr nur heimlich und in Einzelfällen, sondern grundsätzlich.“
Er beendete seinen Vortrag mit einem (Aus-)blick auf die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen in den beiden deutschen Nachfolgestaaten des Dritten Reiches sowie mit Anmerkungen zur heutigen Gedenkstättenarbeit und ihren Aufgaben. „Wir müssen uns selber fragen, angesichts der heillosen Geschichte der NS-Verbrechen, was uns diese Geschichte heute noch angeht. Ein jeder muss diese Frage für sich selber beantworten. Und dass wir sie überhaupt stellen, sind wir nicht nur Menschen wie Walter Krämer schuldig, der seinen klaren Weg gefunden hatte, gegen den unbedingten Willen der Nationalsozialisten, die Grundsolidarität des Menschen mit dem Mensch aufzukündigen, Widerstand zu leisten. Wir sind es uns selber schuldig“, resümierte Rikola-Gunnar Lüttgenau.
„Sie haben wichtige Impulse gegeben“, dankte im Anschluss Joe Mertens vom VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein. Mertens erinnerte in seiner Ansprache an den oft schwierigen und langwierigen Prozess der Erinnerung an Walter Krämer in der Region: „Walter Krämer zu einer angemessenen Würdigung zu verhelfen, diese Anstrengungen gehen bis ins Jahr 1947 zurück.“ Aber die Auseinandersetzung um Krämer habe viel Öffentlichkeit geschaffen, noch zu Beginn in den 1990ern hätte viel Aufklärungsarbeit beispielsweise an den Info-Ständen geleistet werden müssen: „Das hat sich inzwischen ganz deutlich verändert. Ich würde sogar soweit gehen, dass Krämer inzwischen Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses dieser Stadt ist“, so Mertens.
Seit Dezember 2014 erinnert der Walter-Krämer-Platz am Kreisklinikum in Weidenau an den Siegener. Der Ort wurde geschaffen als Platz des Gedenkens und der angemessenen Würdigung, aber auch um künftige Generationen die Gräuel der nationalsozialistischen Terrorherrschaft nicht vergessen zu lassen.
Auch die musikalische Begleitung der Gedenkfeier stand im Zeichen der Erinnerung an Walter Krämer: Manuela Meyer (Sopran), Natalia Nazarenus (Klavier) und Dominik Engel (Geige) spielten Auszüge aus dem Themenkonzert „Sophie Scholl in Musik, Texten, Bildern“ unter der Überschrift „Schließ Aug und Ohr für eine Weil“. Die Musik würdigte die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um die Geschwister Sophie und Hans Scholl, die kurz vor Ende der Nazi-Diktatur hingerichtet wurden.
Quelle: Stadt Siegen, Pressemitteilung