Die “Siegener Beiträge” sind mit ihrem 24. Band erschienen. Das neue Jahrbuch der Geschichtswerkstatt Siegen e.V. widmet sich schwerpunktmäßig dem zeitgeschichtlichen Thema “1968” in Siegen. Dabei steht die Zahl lediglich als Chiffre für vielfältige Entwicklungen der 1960er Jahre in Politik und Gesellschaft, wie beispielsweise der Protest gegen den Vietnam-Krieg, die antiautoritäre Bewegung, die sexueller Befreiung oder der Kampf gegen die Notstandsgesetze. Inwieweit der “Geist” von 1968 auch durch Siegen wehte, versucht das Jahrbuch durch drei Artikel von Zeitzeugen einzufangen. Damit soll ein erster Anstoß gegeben werden, ein bislang unbeachtetes Thema der lokalen jüngeren Zeitgeschichte aufzuarbeiten.
Das Interview mit Manfred Zabel deckt seine Jahre als damals junger Studentenpfarrer in Siegen ab, beschreibt die überkommenen Strukturen und fängt die opponierende Stimmung der Zeit ein. Damit geben seine Erinnerungen zugleich eine Chronologie der Ereignisse in Siegen wieder.
Der damals siebzehnjährige Christoph Bode, Schülersprecher am Jungen-Gymnasium, hielt in seinem Tagebuch die turbulenten Ereignisse des Schülerinnenstreiks 1969 am Siegener Lyzeum fest. Er war weniger Akteur als sympathisierender, aber nicht unkritischer Beobachter des “Aufstands”, den er „neben den Protesten gegen den NPD-Landesparteitag am 16. November 1968 als das herausragende politische Ereignis der ‚1968er‘-Zeit in Siegen“ einschätzt. Sein Beitrag beantwortet zugleich die Frage, was haben die Jungen gemacht, als die Mädchen streikten.
In seinem sehr persönlich gehaltenen Beitrag lässt Harrie Müller-Rothgenger, damals ebenfalls Schüler am Siegener Jungengymnasium, seine Erinnerungen an diese Aufbruchzeit Revue passieren.
Abgerundet wird der zeitgeschichtliche Block von einer kurzweiligen Glosse, in der Peter Kunzmann amüsant darlegt, welche Argumente in den sechziger Jahren auch dafürsprachen, eine Universität in Siegen anzusiedeln.
Die beiden folgenden Beiträge reichen weiter zurück in die Vergangenheit. Hans Bernd Spies klärt uns in seinem Artikel über das richtige Todesjahr von Gustaf Graf zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf und der Beitrag von Bernd Plaum skizziert die Anfänge der organisierten Arbeiterbewegung im Siegerland 1869. Zu diesem Zeitpunkt ist sie weitgehend in den noch (sozial-)liberalen Hirsch-Dunkerschen Gewerkvereinen verwurzelt und orientiert sich an den genossenschaftlichen Ideen von Schulze-Delitzsch.
Der Gegenwart nähern wir uns wieder mit dem Artikel von Josef Wiesmann an, der die Entwicklung der Ed. Breitenbach GmbH in den Nachkriegsjahrzehnten beschreibt. Das auf Walzen- und Stahlformguss spezialisierte Unternehmen litt nicht nur unter den beschränkten räumlichen Verhältnissen, es wurde, wie andere Unternehmen der Branche auch, Opfer industrieller Umstrukturierungen während der „Kohle- und Stahl“-Krise in den 1980er und 1990er Jahre.