Jubiläumsband zum 75jährigen Bestehen des Westfälischen Wirtschaftsarchivs präsentiert verborgene Schätze zur Westfälischen Wirtschaftsgeschichte
Aus Anlass seines 75-jährigen Bestehens im Jahr 2016 hat das Westfälische Wirtschaftsarchiv (WWA) eine Quellenedition zur westfälischen Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte erarbeitet. Zehn Kapitel mit 352 Quellen auf 811 Seiten: Das sind die äußeren Fakten zu einem Buch, das eindrucksvoll auf die Vielfalt der Bestände des Archivs aufmerksam macht. Die älteste Quelle, ein Geschäftsbuch des Handelshauses Harkort, stammt aus dem Jahr 1674. Von hier aus spannt sich der Bogen bis zum Bau des Kernreaktors THTR-300 in Hamm-Uentrop, der 1983 den Testbetrieb aufnahm. Systematisch behandelt werden neben ausgewählten Persönlichkeiten der westfälischen Wirtschaft die Themen Kapital und Finanzmarkt, Technik und Produktion, Arbeit und soziale Lage, Märkte und Marktkommunikation, Handel und Versicherungen, Wirtschaft und Politik, Energie und Umwelt sowie Verkehr und Transport. Die Kapitel werden jeweils von ausgewiesenen Fachkennern befreundeter Universitäten eingeleitet, mit denen das WWA eng kooperiert.
„Wirtschaftliche Überlieferungen sind heute ein wichtiges Kulturgut, das es zu pflegen gilt. Viele Unternehmen, die Geschichte geschrieben haben, gibt es nicht mehr und hätten auch keine historischen Spuren hinterlassen, wenn vor 75 Jahren gegründete Westfälische Wirtschaftsarchiv nicht als Auffangstelle bereit gestanden hätte“, betont Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund und Vorsitzender der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv. Das Archiv wurde mitten in den Kriegswirren des Jahres 1941 gegründet. „Einerseits sollten wertvolle historische Dokumente vor den näher rückenden Bombeneinschlägen gerettet werden. Die Archivgründung war aber auch eine letzte, wenn auch kleine Bastion gegen die Allmacht des NS-Staates. Der nämlich versuchte, auch die Archive der Kammern und der privaten Wirtschaft unter seine Kontrolle zu bringen“, berichtet Joachim Punge, Vizepräsident der IHK zu Dortmund und Vorsitzender der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte, Förderverein des Archivs.
„Mit der vorliegenden Quellenedition möchte das WWA auf die Vielfalt seiner Überlieferungen aufmerksam machen. Die ausgewählten Dokumente zeigen, dass in unseren Magazinen noch zahlreiche ungehobene Schätze verborgen sind, die zum Teil überraschende und neue bzw. nur wenig bekannte Aspekte der Westfälischen Wirtschaftsgeschichte beleuchten“, so Dr. Karl-Peter Ellerbrock, seit nunmehr 20 Jahren Direktor des WWA. Die Verdichtung von über zehn Regalkilometern Akten zu einem Buch von etwa 800 Seiten setzt ein klares Konzept und seine konsequente Umsetzung voraus. „Dazu haben wir einen umfassenden Kriterienkatalog hinterlegt, in dem, dem aktuellen Forschungsstand folgend, die wichtigsten Entwicklungen, Ereignisse und Problemzusammenhänge aufgenommen wurden. Insgesamt 31 unterschiedliche Quellentypen finden Berücksichtigung“, so Ellerbrock.
Das Buch gibt eine Fülle neuer Einsichten. Mit der Einzelhändlerin Josefine Urlichs aus Dortmund oder dem langjährigen Syndikus des Fachverbandes der Jute-Industrie in Emsdetten, Otto Seidel, betreten zum Beispiel zwei Unternehmerpersönlichkeiten zum ersten Male die Bühne der Wirtschaftsgeschichte. Ebenso „unbekannt“ ist wohl auch die Erfindung des Stahlrohrdrehstuhls durch die Firma Drabert in Minden, wodurch der moderne Büromöbelmarkt revolutioniert wurde. Und auch die Quellen aus den erst jüngst ins WWA gekommenen Archiven der Sparkasse Münsterland-Ost und seiner Vorläufer, der Franz Kaldewei GmbH in Ahlen oder der Westfalenhallen Dortmund hat die Forschung bislang noch so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen. Das gilt auch für die bedeutenden Nachlässe des Bergbaupioniers Eduard Kleine, des ehemaligen ZDH-Präsidenten Paul Schnitker, des europäischen Bierkönigs Felix Eckhard oder von Klaus Knizia, der das Kernkraftwerk in Hamm Uentrop initiiert hatte.
Karl-Peter Ellerbrock (Hg.): Westfälische Wirtschaftsgeschichte. Quellen zur Wirtschaft, Gesellschaft und Technik vom 18. bis 20. Jahrhundert aus dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv, 811 Seiten, zahlreiche, vierfarbig gedruckte Abbildungen, Aschendorff Verlag, Münster 29,95 €
Quelle: Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Homepage