Konträre Stellungnahmen von Bundesregierung und Journalistenverbänden
„Der Deutsche Bundestag wird am morgigen Donnerstag nach zweiter und dritter Lesung über den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Bundesarchivrechts abstimmen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Durch die Neuregelungen erleichtern wir Wissenschaftlern und Journalisten, aber auch Privatpersonen den Zugang zu dem ungeheuren Fundus an Wissen, der in den Dokumenten und Unterlagen des Bundesarchivs gesichert ist. Gleichzeitig machen wir dieses Gedächtnis unseres Staates stark für die Erfordernisse des digitalen Zeitalters – etwa durch die Einrichtung eines digitalen Zwischenarchivs, das die Bundesbehörden entlastet und das Bundesarchiv in die Lage versetzt, frühzeitig und fachgerecht für eine digitale Langzeitarchivierung zu sorgen. Damit ist das Bundesarchiv gut aufgestellt, um auch in Zukunft seiner Kernaufgabe gerecht zu werden: Transparenz und Überprüfbarkeit staatlichen Handelns sicherzustellen.“
In der Novelle des Bundesarchivgesetzes sind unter anderem folgende Neuerungen vorgesehen:
• Die personenbezogene Schutzfrist wird von 30 Jahren auf zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person verkürzt.
• Bei Amtsträgern und Personen der Zeitgeschichte entfällt die Schutzfrist komplett, sofern nicht ihr schutzwürdiger privater Lebensbereich betroffen ist.
• Auch Angehörige haben künftig ein Recht auf Auskunft, wenn sie nach dem Tod einer Person, zu der das Bundesarchiv Unterlagen aufbewahrt, ein berechtigtes Interesse geltend machen können und der Wille der verstorbenen Person dem nicht entgegensteht.
• Stellen, die Archivgut abgeben, können künftig bei Schutzfristverkürzungen auch große Aktenbestände ohne aufwändige Einzelfallprüfung freigeben. (Voraussetzung ist, dass sie in einer allgemeinen Vereinbarung mit dem Bundesarchiv auf eine – bisher erforderliche – Beteiligung verzichten.)
• Alle Stellen des Bundes sollen ihre Akten nach spätestens 30 Jahren an das Bundesarchiv abgeben.
Der Gesetzentwurf setzt einen Beschluss aus dem aktuellen Koalitionsvertrag um. Aufgenommen wurden auch Anregungen und Konkretisierungen aus einer Expertenanhörung im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags.“
Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Mittwoch, 18. Januar 2017, 14/2017
Quasi zeitgleich publiziert der Deutschen Journalisten Verband seine Kritik: „Der Gesetzgeber muss die immer noch großzügigen Sonderregeln für den Bundesnachrichtendienst im Reformentwurf des Bundesarchivgesetzes streichen.
Das fordern der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), die dju in ver.di und Netzwerk Recherche aus Anlass der morgigen Abstimmung über den Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag. Die drei Journalistenorganisationen kritisieren, dass Geheimdienste auch nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien weiterhin Ausflüchte nutzen können, um zu verhindern, dass Unterlagen an das Bundesarchiv übergeben werden müssen und damit der Öffentlichkeit zugänglich sind. „Das macht eine lückenlose journalistische Recherche unmöglich“, erklärt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.
“Es liegt auf der Hand, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst kein Interesse an der journalistischen Aufbereitung seiner früheren Aktivitäten hat,“ betont Manfred Redelfs aus dem Vorstand von Netzwerk Recherche. „Das Gesetz liefert jetzt einen Freibrief zur Informationsverweigerung – gegen die einhelligen Empfehlungen aus der Expertenanhörung.“
Die drei Organisationen weisen darauf hin, dass die Bundesbehörden ihre Unterlagen nach spätestens 30 Jahren dem Bundesarchiv anbieten müssen. „Auch der Geheimdienst muss sich demokratischer Kontrolle und Transparenz beugen“, betont Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di. „Es gibt keinen Grund für eine BND-Klausel im Gesetz, dementsprechend muss der Bundestag diese streichen.“
Die vom Ausschuss empfohlenen Änderungen zum Informationszugang, wenn die Informationen nach einem Informationsfreiheitsgesetz dem Zugang offen gestanden haben, sind nach Überzeugung von DJV, ver.di und Netzwerk Recherche ein Schritt in die richtige Richtung.
Das bisher geltende Bundesarchivgesetz stammt aus dem Jahr 1988 und ist seitdem nicht wesentlich aktualisiert worden.“
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Links zur heutigen Debatte um das Bundesarchivgesetz:
1) Entschliessungsantrag der GRÜNEN zum Gesetzesentwurf: https://www.gruene-adressen.de/docs/EA_BundesarchivG_F9-17.pdf
2) „Geheimdienst-Akten für immer unter Verschluss? Bundestag entscheidet – Chef des Bundesarchivs: „Misstrauensbeweis“, Bild, 18.1.17, mit Interview des Bundesarchivpräsidenten zum Gesetzesentwurf: http://www.bild.de/politik/inland/bnd/akten-fuer-immer-unter-verschluss-49843472.bild.html
Ergebnis der gestrigen Bundestagsberatungen: