„Das Stadtarchiv Siegen unternimmt seit 2008 verstärkte Anstrengungen, um dem drohenden Papierzerfall bei Akten des 19. und 20. Jahrhunderts entgegenzuwirken. Das dafür angewandte Verfahren der Massenentsäuerung von Archivgut verfährt dabei nach dem Prinzip des Eingriffs in die chemische Zusammensetzung der Papiersubstanz mit dem Ziel, papierimmanente Zerfallsprozesse aufzuhalten und günstige Ausgangsbedingungen für die zukünftige Erhaltung durch eine Neutralisierung zu erreichen. Zu diesem Zweck wurde auf Beschluss des Kulturausschusses im Jahr 2009 erstmals die genannte Haushaltsstelle eingerichtet.
Die konservatorische Strategie, die auf der Nutzbarerhaltung von Informationen durch Bewahrung des ursprünglichen Trägermaterials beruht, lässt sich allerdings nicht uneingeschränkt auf alle subsidiären Quellen übertragen: Ergänzendes Dokumentations- und Sammlungsgut muss nicht aus Rechtsgründen unabdingbar in seiner originären Form aufbewahrt werden, soll aber unter dem Gesichtspunkt der Bereitstellung ergänzender Daten vorrangig in seinem Informationsgehalt erhalten bleiben. Dies gilt insbesondere für regionale Adressbücher in ihrer Eigenschaft als Bibliotheksgut und die Bestände regionaler Zeitungen als wesentlichem Bestandteil der sekundären Überlieferung stadtgeschichtlicher Informationen im Stadtarchiv.
Für eine eigene Erhaltungsstrategie dieser unerlässlichen Datengrundlage jeglicher regionalgeschichtlicher Forschung sprechen vor allem folgende Gründe:
1. Die für den Druck der Tageszeitungen und der Adressbücher verwendeten minderwertigen Papierqualitäten sind auch nach einer Entsäuerungsbehandlung nicht auf Dauer zu erhalten.
2. Die Nutzungsintensität für Adressbücher und Zeitungen ist durch ihre leichte Zugänglichkeit und Auswertbarkeit gegenüber amtlichen Unterlagen schon heute so hoch, dass ungeachtet ihres Säuregehalts auch der erreichte Verschleißgrad der Papiersubstanz ein Ende der Nutzbarkeit erkennen lässt.
3. Der hohe Mitteleinsatz für eine Restaurierung kombiniert mit anschließender Entsäuerung wäre angesichts dieser Erhaltungsperspektive weder zweckmäßig noch wirtschaftlich darstellbar.
4. Die Zugriffsmöglichkeiten und -perspektiven steigen mit einer Digitalisierung so immens, dass neben der Datenerhaltung auch Nutzungskomfort und Verwertbarkeit in übergreifenden Recherchen völlig neue Nutzungsdimensionen eröffnen.
Das Stadtarchiv spricht sich deshalb für eine Erweiterung der Bemühungen um die Bestandserhaltung aus, die neben einer Fortsetzung der bereits praktizierten Massenentsäuerung auch auf eine Ersatzdigitalisierung bei besonders vielgenutzten und in ihrer Erhaltung stark gefährdeten Informationsquellen setzt. Die damit angestrebte Doppelgleisigkeit des Vorgehens resultiert aus der Erfahrung zunehmenden Handlungsdrucks, die auf der sich beschleunigenden Zustandsverschlechterung bei Adressbüchern und Zeitungsbänden beruht. Gleichzeitig soll die ebenfalls langfristig angelegte Massenentsäuerung beibehalten werden, um dem latenten Papierzerfall bei den im Original zu erhaltenden Akten und anderen Dokumenten umfassend zu begegnen.
Zur Erkundung der Leistungsfähigkeit einer digitalen Fassung und zur Ermittlung einer fundierten Kostenschätzung wurde deshalb durch das Stadtarchiv bei …. einem auf Scandienstleistungen ausgerichteten Unternehmen in Siegen, der Auftrag zur Digitalisierung eines regionalen Adressbuchs in der Ausgabe von 1935 erteilt. Das Ergebnis soll dem Kulturausschuss demonstriert werden. Die Gesamtkosten der Digitalisierung aller Adressbücher bis 1964 betragen 9.135 €; ….“
Der Kulturausschuss hat das Projekt einstimmig beschlossen.
Quelle: Stadt Siegen, Kulturausschuss v. 22.11.2016, Vorlage 1141/2016