Geschichten über Häuser sucht die Volkskundliche Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) für ihr Projekt „Hausgeschichten“. Ein Haus zu bauen, zu kaufen, bewohnbar zu machen oder wieder abzugeben ist ein einschneidendes Erlebnis, das man nicht vergisst. Dementsprechend kursieren Hausgeschichten in vielen Familien. Sie erzählen von geglückten oder miss-glückten Grundstückskäufen, von enormen Eigenleistungen, von den vielen kleinen Desastern auf einer Baustelle, aber auch vom unverkäuflichen Elternhaus, das einmal als Alterssicherung dienen sollte.
„Hausgeschichten handeln von erfüllten oder unerfüllten Träumen, von Erwartungen und Hoffnungen und von vielerlei Glück und Unglück“, weiß Christiane Cantauw, Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission. „Wir wollen solche Geschichten sammeln, weil wir der Bedeutung von Häusern über die Erlebnisse und Erfahrungen der Menschen, die darin wohnen, nachgehen möchten“, so die LWL-Volkskundlerin weiter.
Cantauw nennt eine solche mündlich erzählte Hausgeschichte aus dem Münsterland, deren Verschriftlichung im Archiv der Kommission aufbewahrt wird: „Der Interviewpartner berichtete mir, dass er sein Haus nach dem Krieg in Eigenarbeit aufgebaut hat. Vom Brennen der Ziegelsteine über das Mauern bis hin zu Drainage- und Dachdeckerarbeiten hat er wirklich alles selbst gemacht. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ein einschneidendes Erlebnis war in diesem Zusammenhang wohl, dass der Bürgermeister mit seinem Bruder an der Baustelle vorbei ging. Der Interviewpartner arbeitete im Keller, war also nicht zu sehen. Da hörte er, wie der Bürgermeister zu seinem Bruder sagt, dass das Grundstück mit dem halbfertigen Haus sicher bald zum Verkauf stehe. Da müsse man die Augen aufhalten. Der Eigentümer habe sich wohl zu viel vorgenommen. Das schaffe der nie. Dieses Gespräch machte bei dem Berichterstatter wohl alle Kräfte mobil. Das Haus wurde noch zum Jahresende fertig und er zog mit seiner Frau und den drei Kindern ein. Die Geschichte wird in seiner Familie noch heute bei allen möglichen Gelegenheiten erzählt und man kann den Stolz auf das Erreichte deutlich heraushören.“
Ein Teil der gesammelten Hausgeschichten soll in einem Sammelband veröffentlicht werden. Außerdem sind Veranstaltungen rund um die Hausgeschichten wie beispielsweise Lesungen geplant. „Viele Geschichten lassen sich vielleicht auch mit Fotos oder Zeichnungen illustrieren“, hofft Cantauw. Da sind die Baustellenfotos, ein Ausschnitt aus einer Bauzeichnung, Bautagebücher oder die Einladungsschreiben zur Hauseinweihung. Sie alle erzählen ihre ganz eigenen Hausgeschichten. „Vielleicht können die Schreiber ihre Geschichten mit solchen Abbildungen ergänzen. Das wäre eine tolle Bereicherung“, so Cantauw.
Die LWL-Volkskundler bitten sowohl alte wie auch junge Häuslebauer und Häusle-Erträumer, ihre Geschichten der Volkskundlichen Kommission zuzusenden. „Dabei ist es nicht wichtig, ob die Geschichten lang oder kurz, hoch- oder plattdeutsch, maschinen- oder handschriftlich verfasst sind. Wir interessieren uns ebenso für Geschichten, die von der Vorkriegszeit handeln wie für Berichte aus den 2000er Jahren. Wichtig ist allein, dass die Geschichten von den besonderen Beziehungen zwischen Häusern und Menschen handeln“, erklärt Cantauw.
Wer am Projekt mitwirken möchte, kann seine Hausgeschichte bis zum 16. September 2016 einschicken. Adresse: Volkskundliche Kommission für Westfalen, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Scharnhorststraße 100, 48151 Münster oder per Mail an Christiane.Cantauw@lwl.org.
Hintergrund
Der Schreibaufruf ist Teil des Verbundforschungsprojektes „Der Lauf der Dinge oder Privatbesitz? Ein Haus und seine Objekte zwischen Familienleben, Ressourcenwirtschaft und Museum“ des Bundesministeriums für Bildung- und Forschung (http://www.hausfragen.net).
Die literarischen Hausgeschichten sollen Teil eines Workshops sein, der am 24./25. November 2016 gemeinsam von der Volkskundlichen Kommission und StadtBauKutur NRW (http://www.stadtbaukultur.nrw.de) in Coesfeld veranstaltet wird. Der Workshop soll ein Forum bieten, in dem das lokale und regionale Wissen – die Wohn- und Lebenserfahrungen der Hausbesitzer, die Horizonte der kommunalen Verwaltungen und Entscheidungsträger sowie beispielhafte Erprobungen neuer Wohnformen in Kontakt kommen können. Dabei wird die historische Dimension ebenso berücksichtigt wie aktuelle Perspektiven.
Quelle: LWL, Pressemitteilung, 3.5.2016