Hinweise zur jüngsten Kulturgeschichte des Kreises Siegen-Wittgenstein
Auf 25 Jahre „Kultur!Büro“ des Kreises Siegen-Wittgenstein blickten Landrat Andreas Müller, Kulturreferent Wolfgang Suttner und Jens von Heyden, ´Projektmanager und Verwaltungsleiter des Kulturhauses Lÿz, jetzt zurück. Mit dabei war auch Horst Schneider, der vor 25 Jahren als Wirtschaftsreferent den Aufbau des „Kultur!Büros.“ mit verantwortet hat.
Siegen-Wittgenstein im ausgehenden 20. Jahrhundert. Kulturelle Ödnis und keine Spielorte – so erinnern sich viele Zeitgenossen der 1970er- und 1980er-Jahre. Natürlich wurden hier und da Theatergruppen gesichtet, Konzerte gespielt, Ausstellungen kuratiert und sogar eine kleine Kabarettbühne versuchte ihr Glück. Doch im Vergleich zu anderen Städten und Regionen ließ Qualität und Quantität des Gebotenen oft zu wünschen übrig.
Für Siegen-Wittgenstein schlug die „Stunde der Erkenntnis“, als ein Gutachten im Rahmen der Zukunftsinitiative Montanunion die Kreisverwaltung aufrief, eine Einrichtung zu gründen, die die Kulturszene der Region erfassen und vernetzen und die vor allem neue kulturelle Highlights kreieren sollte. Für heutige Verhältnisse wegweisend schnell einigten sich Politik und Verwaltung auf die Einrichtung eines solchen Kulturbüros und ernannten am 1. August 1990 Wolfgang Suttner – bis dahin Lehrer an einem Siegener Gymnasium und durch verschiedene Kunstaktionen ein ‚enfant terrible‘ der Siegener Kulturszene – zum Kulturreferenten und Leiter dieses Büros.
Als Baustein regionalen Gebietsmarketings zunächst der Wirtschaftsförderung der Kreisverwaltung angegliedert, hieß Leitung in diesen Tagen eigentlich Selbstorganisation, bestand doch die Abteilung nur aus Suttner und seiner Assistentin. Umso erstaunlicher, dass das Kultur!Büro. 1991 mit der Sommerbühne für Siegen-Wittgenstein (ab 1992 Internationales Musik- und Theaterfestival KulturPur) bereits 10 Monate später ein kräftiges Ausrufezeichen hinter das Wort Kultur setzte.
Im selben Jahr, immerhin noch ein Jahr bevor auch das erste büroeigene Faxgerät in Betrieb genommen wurde, stießen mit Georg Klein und Ralf Gerecht zwei neue Mitstreiter zu der Verwaltungseinheit des Kreises, die alles andere als Verwaltung sein wollte und will. In seinem Leitbild versteht sich das „Kultur!Büro.“ bis heute „…nicht als Amtsstube, sondern als Ambiente für kreatives Arbeiten und Platz für kulturelle Dialoge und Visionen“. Hehre Ansprüche, die aber von Suttner und seinem kleinen Team schnell mit Inhalt gefüllt wurden.
Neben dem bis dahin in der Region neuen Festivalformat KulturPur als Zeltevent, wurde 1991 das sogenannte Kulturhandbuch erstmals aufgelegt, ein damals bundesweit einzigartiges und im Verlaufe der Jahre von Städten und Landkreisen mehrfach kopiertes Kompendium in Sachen Kultur. Bis heute führt das Kulturhandbuch – seit 2004 im Internet – Kulturkonsumenten und -produzenten zusammen, indem es Künstler, Veranstaltungsorte und Kulturvermittler der Region mit ihren jeweiligen Kontaktdaten auflistet und kategorisiert.
Bühnen- und Medienprojekte wie das Festival der internationalen Lautpoesie (1992) oder „In Medias Rubens“ (1992) wechselten sich mit besonderen Ausstellungen wie dem Skulpturenprojekt „Stahl und Bewegung“ (1991), der kuratierten Kunstschau „Einblick“ (1991/1994/1997) und deren Fortsetzung „Die Spitze des Eisbergs“ (2003 /2004) ab.
Daneben wurden Grundsteine im Kleinkunstbereich für eine weitreichende kulturelle Entwicklung gelegt. So bewirkte die frühe Förderung der Kabarettgruppe Widerha(r)ken das Entstehen des Kabarettduos Weigand & Genähr, die in Folge das LÿzMix-Varieté initiierten und so als ‘Keimzelle‘ zur Entstehung und Entwicklung des heutigen Kulturhauses Lÿz beitrugen.
Auch die Einrichtung einer Literaturreihe in eben jenem Lÿz geschah zunächst experimentell mit Lesungen im DaDa-Stil, dann immer professioneller hin zur heutigen LÿzLit-Reihe, die dann wiederum der Grundpfeiler für das biennal stattfinden europäischen Literaturfestivals vielSeitig (2010, 2012, 2014) wurde.
Das „Kultur!Büro.“ erkannte von Anfang an, welche kulturellen Entwicklungen sich abzeichneten, regte sie an, um Traditionen aufzuspüren und in Projekte und Kulturförderungen einzubinden und um zusammen mit Kommunen, Initiativen, Vereinen und Künstlern die kulturelle Eigenständigkeit der Region zu stärken. Es nahm Einfluss auf die Entstehung kultureller Erlebnisorte wie das Apollo-Theater und das Museum für Gegenwartskunst oder auch auf den Waldskulpturenweg von Bad Berleburg bis Schmallenberg, für den es einer der wesentlichen Ideengeber war.
Doch neben der Entwicklung kultureller Grundversorgung widmet sich das „Kultur!Büro.“ besonders gerne einer ausgewiesenen Kernaufgabe – der Durchführung innovativer Projekte mit überregionaler Ausstrahlung. Neben KulturPur oder vielSeitig beteiligte es sich in Auslandsprojekten mit dem Land NRW an „diaaloog cultuur – NL in NRW“ (1996) und an SkandinaVia, Dänemark in Siegen-Wittgenstein (1997), es konzipierte und realisierte die international beachteten Aktivitäten zu „100 Jahre erster Motor-Omnibus der Welt“ (1995) oder organisierte auch schon mal das WDR-Landesmusikfest in Siegen Wittgenstein.
Der größte Coup zahlreicher Kultur!Büro.-Projekte bleibt aber sicher die Kunstschau des Ex-Beatles Paul McCartney, der 1999 im eigens zum Kunstforum umgebauten Lÿz das erste Mal seine besten Bilder (Öl und Acrylmalerei) der weltweiten Öffentlichkeit präsentierte. Rund 40.000 Besucher zog es in die Ausstellung und auch Sir Paul war mehrere Tage zu Gast in Siegen-Wittgenstein. Rund um diese Zeit war Siegen weniger als Rubensstadt denn als Paul McCartney-City bekannt.
Heute liegen die Jahre des kulturellen Aufbaus längst hinter Wolfgang Suttner bzw. dem „Kultur!Büro“ und nach Georg Klein steht jetzt Jens von Heyden an der Spitze des „Kultur!Büro.“-Teams. Nahezu jede Kommune des Kreisgebiets hat inzwischen kompetente Kulturarbeiter, die ein Angebot auf die Beine stellen, das großen Metropolen in wichtigen Sparten Paroli bietet.
Sponsoring – Anfang der 1990er noch nahezu unbekannt im Kulturgewerbe hinter den sieben Siegener Bergen – gehört heute auch dank der Vorreiterrolle des „Kultur!Büro.s“ zum Alltagsgeschäft jedweder Veranstaltung. Es gibt ein großstädtisches Theater mit vielfach ausgezeichneten Produktionen und ein modernes Museum der Gegenwartskunst, das die Feuilletons durch seine Architektur und ausgestellte Kunst gleichermaßen beeindruckt.
Das „Kultur!Büro.“ mit seinen 10 festen Mitarbeitern ist mittlerweile eine Abteilung des Kulturreferats, zu dessen Geschäftsbereich inzwischen auch die Philharmonie Südwestfalen und das Kreisarchiv gehören.
Und wenn man Wolfgang Suttner fragt, welchen Herausforderungen sich sein Zögling „Kultur!Büro.“ in den nächsten Jahren stellen muss, geht der Kulturreferent des Kreises schnell wieder in die Offensive: „Die Aufgaben sind sicherlich komplexer geworden und es gibt mehr zu bedenken, wenn man heute kleine oder große Projekte auf die Beine stellen will. Ganz sicher sind auch die Verteilungskämpfe härter geworden, doch die Aufgaben sind genau die gleichen, die sie vor 25 Jahren waren. Die große Herausforderung liegt darin, Kultur nicht zu verwalten sondern mit Leidenschaft zu gestalten.“
Faktenblatt 25 Jahre „Kultur!Büro.“ als PDF: 25_Jahre_KB_Faktenblatt
Quelle: Pressemitteilung des Kreises Siegen-Wittgenstein, 30.7.2015