„25 Jahre AIDS-Beratung im Kreis Siegen-Wittgenstein“

Fotoimpressionen zur Ausstellung:



„AIDS bekommt man nicht vom Schmusen. Und beim Sex schützen Kondome.“ Ein Plakat mit dieser Aufschrift hat Ende der 80er Jahre in Siegen-Wittgenstein zu einem mittleren Skandal geführt – erinnert sich Volker Schneider. Der 54-jährige ist heute in der Suchtprävention des Kreises tägig, in den 80er Jahren hat er als Jugendschützer gearbeitet. „Im Jahr 1987 hatte ich die Aufgabe, einen Jugendkalender mit Terminen und Informationen für die Mitarbeiter der Jugendarbeit zu erstellen. Weil AIDS und HIV damals ein neues, sehr brennendes Thema war, habe ich mich entschieden, ein Plakat der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur AIDS-Prävention in dem Kalender abzudrucken – mit diesem Text ‚AIDS bekommt man nicht vom Schmusen. Und beim Sex schützen Kondome.‘“

Der Sturm, der dann über Volker Schneider hereinbrach, hatte ihn völlig kalt erwischt: „Der Jugendwohlfahrtsausschuss hat den Kalender auch bekommen und ihn als jugendgefährdend eingestuft. Sigurd Hofacker, damals Leiter des Jugendamtes, wurde beauftragt, den Kalender wieder aus dem Verkehr zu ziehen – es ging um 1.000 Exemplare. Allerdings waren viele schon verteilt, von daher lief die Rückholaktion ins Leere“, erzählt Schneider.

Für die Medien war dieser Vorfall natürlich ein gefundenes Fressen. Das Magazin „Tip“ druckte das Kreishaus verhüllt mit einem übergestülpten Kondom ab. Das Plakat und die Reaktionen der Kreistagsmitglieder war wochenlang Gesprächsstoff.

Diese heute kaum noch nachvollziehbare Geschichte ist in einer Ausstellung dokumentiert, die jetzt bis zum 20. Juni im Foyer des Kreishauses in Siegen zu sehen ist. Anlass für die Ausstellung: Vor genau 25 Jahren hatte die Bundesregierung beschlossen, dass jedes Gesundheitsamt die Stelle einer „AIDS-Fachkraft“ einrichten soll. In der Ausstellung werden Dokumente zur AIDS-Beratung und Präventionsarbeit in Siegen-Wittgenstein und landesweit aus dem vergangenen Vierteljahrhundert gezeigt: an Hand von Presseartikeln und Plakaten lassen sich veränderte Einstellungen und der Umgang der Gesellschaft mit HIV und AIDS sehr gut nachvollziehen.

Erster AIDS-Berater des Kreises Siegen-Wittgenstein war Reiner Jakobs, heute Leiter der Zukunftsinitiative „Leben und Wohnen im Alter“. „Es gab damals eine absolute Verunsicherung“, erinnert er sich: „Niemand wusste so genau, wie man sich ansteckt oder vor AIDS schützen kann.“ Deshalb hat Jakobs auch bereits früh mit Aufklärungs- und Präventionsprogrammen in Schulen begonnen. Aber auch die wurden durchaus skeptisch gesehen: „Ich musste bestimmt zehn Mal bei Direktoren antreten und erklären, was wir hier machen und wieso wir Kondome unter den Schüler verteilen – und das obwohl sich die meisten in den 80er schon als liberal und unverklemmt gefühlt haben“ erzählt Jakobs. Zu seinen schwierigsten Aufgaben zählte damals die Betreuung von HIV-Patienten. „In den ersten fünf, sechs Jahren hatten wir sicherlich zwölf Betroffene hier in Siegen-Wittgenstein. Damals war die Diagnose für viele noch gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Denn von den medizinischen Möglichkeiten und der Lebenserwartung, die HIV-Patienten heute haben, waren wir noch Lichtjahre entfernt.“ Das Engagement von Reiner Jakobs ging damals auch deutlich über seine berufliche Aufgabe hinaus. So gehörte er zu den Initiatoren und Gründungsmitgliedern der AIDS-Hilfe Kreis Siegen-Wittgenstein e.V..

Heute ist Katrin Bamberger die AIDS-Beraterin des Kreises – inzwischen seit vier Jahren. „Das Klima heute ist völlig anders als vor 25 Jahren“, sagt sie. „Es gibt zwar immer noch Menschen, die ein grundsätzliches Problem damit haben, über Sexualität und HIV zu sprechen. Gerade aber bei meiner Präventionsarbeit in Schulen merke ich, dass die jungen Leute diesem Thema überwiegend unverkrampft und offen gegenüber stehen. Interessanterweise hat sich aber gerade das Vorurteil, sich durch Küssen anzustecken, bis heute hartnäckig gehalten‘“, erzählt die AIDS-Beraterin – was deutlich macht, dass Aufklärung und Präventionsarbeit nach wie vor unerlässlich sind.

Darüber hinaus gibt es für Katrin Bamberger einen weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit: „Mit modernen Medikamenten erreichen HIV-Patienten inzwischen eine annährend normale Lebenserwartung und können praktisch normal am Alltagsleben teilnehmen. Und dennoch gibt es Diskriminierung und Ausgrenzung. Für die Betroffenen ist das ein ganz großes Problem. Und hier müssen wir nach wie vor Vorurteile abbauen und uns für Solidarität mit HIV-Positiven einsetzen“, so Bamberger. ….“
Kreis Siegen-Wittgenstein, Pressemitteilung v. 1.6.2012

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