zehn Antworten der Verwaltung an die SPD für den Umwelt-, Kultur- und Tourismusausschuss am 27.2.2019. Ein Beitrag zur Blogparade #Archivpolitik
1. Wie kommt die Verwaltung momentan der gesetzlichen Verpflichtung nach, ihr Archivgut in eigener Zuständigkeit zu archivieren?
Die Stadt Netphen unterhält gem. § 1 Ziffer 2 des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalens (ArchivG NRW) ein öffentliches Archiv. Verortet ist das Archiv bei dem Fachbereich I/3 Ordnung und Bürgerservice, Kulturbüro.
2. Wird eine rechtssichere Archivierung gewährleistet? Wenn ja: Wie?
3. Welche Unterlagen werden bzw. wurden der Archivierung zugeführt? Werden sowohl Papierdokumente als auch elektronische Informationen/Texte… erfasst?
Laut § 2 Abs. 7 ArchivG NRW hat die Archivierung die Aufgabe „Unterlagen zu erfassen, zu bewerten, zu übernehmen und das übernommene Archivgut sachgemäß zu verwahren, zu ergänzen, zu sichern, zu erhalten, instand zu setzen, zu erschließen, zu erforschen, für die Nutzung bereitzustellen sowie zu veröffentlichen.“ Nach Abs. 6 erfolgt die Auswahl der archivwürdigen Unterlagen ausschließlich nach fachlichen Kriterien durch das zuständige Archiv. Archivwürdige Unterlagen und Dokumente, die zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, sind dem Archiv anzubieten. Zurzeit werden ausschließlich Papierdokumente erfasst, eine Archivierung digitaler Dokumente findet nicht statt. Hiervon unberührt bleiben die bereits vorhandenen und eingesetzten elektronischen Fachanwendungen, wie beispielsweise das Personenstandsregister in den Standesämtern.
4. Verfügt die Verwaltung über eine elektronische Akte, die als digitale Schriftgutverwaltung genutzt wird?
Eine digitale Auflistung aller Archivdokumente ist vorhanden. Darin wird jedes Archivgut mit Bezeichnung, Alter und Aufbewahrungsort erfasst. Darüber hinaus werden wie zuvor beschrieben, elektronische Akten in den Fachanwendungen geführt.
5. Wo ist das Archivgut untergebracht und wie wird es vor möglichen Schäden geschützt?
Das Archivgut ist im Rathaus untergebracht. Die dafür vorgesehenen Behältnisse sind in feuerabweisenden und abschließbaren Schränken untergebracht. Sonstige archiv- oder heimatkundliche Gegenstände sind in den ehrenamtlich geführten Heimatmuseen Netphen, Dreis-Tiefenbach und Irmgarteichen ausgestellt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Bürgermeisterkonferenz vom 24.08.2018 verwiesen. Der digitale Datenbestand ist entsprechend der Vorgaben der jeweiligen Fachanwendungen bei der Südwestfalen-IT abgelegt und gesichert.
6. Wer hat Zugang zu den Dokumenten bzw. Sachen? Sind die allgemeinen Öffnungszeiten und der öffentliche Zugang gewährleistet?
Gem. § 6 Abs. 1 ArchivG NRW hat „Jeder“ nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht, Archivgut auf Antrag zu nutzen, soweit aufgrund anderer Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Zugang hat demnach jeder Bürger oder Heimatforscher, der ein nachvollziehbares Interesse auf Antrag bekundet. Das Kulturbüro steht zu den allgemeinen Öffnungszeiten des Rathauses zur Verfügung. Die Heimatmuseen zu deren Öffnungszeiten.
7. Wie verhindert die Verwaltung, dass aufbewahrungsrelevante Dokumente vernichtet bzw. aus dem Archiv gelöscht werden? Wird eine digitale Unterlagensicherung vorgenommen?
Gem. § 5 Abs. 2 ArchivG NRW ist Archivgut auf Dauer sicher zu verwahren. Seit Einrichtung des Archivs wurde der Bestand nicht gekürzt, alle Dokumente sind seit ihrer Einlagerung im Archiv verblieben. Eine digitale Unterlagensicherung wird nicht vorgenommen.
8. Wer ist innerhalb der Verwaltung für die Archivierung zuständig? Wie sieht die Qualifizierung für eine entsprechende Archivarbeit aus?
Der Fachbereich I/3 Ordnung und Bürgerservice ist zuständig für das Archivwesen. Entsprechende Fortbildungsmaßnahmen werden wahrgenommen. Das nächste Seminar zum Thema „Geschichtsforschung und -vermittlung auf lokaler Ebene“ findet am 02.04.2019 in Dorsten statt.
9. Wird eine Beratung seitens des LWL oder des Kreisarchivs zur Verbesserung der Archivarbeit in Anspruch genommen?
Die Sitzungen des Arbeitskreises der Archivare im Kreis Siegen-Wittgenstein finden regelmäßig statt. Die nächste Sitzung ist für den 20.05.2019 terminiert. Etwaige Anregungen der Archivare werden an die entsprechenden Gremien/Stellen weiter geleitet.
10. Welche Möglichkeiten zur Professionalisierung des Themas Archiv in Netphen werden gesehen? Und welche Nutzungsmöglichkeiten eines Archivs könnten aufgebaut werden? (Aufarbeitung, Ausstellungen in Schulen, ggf. Projekte im Bereich politische Bildung?)
Im Zuge der Digitalisierung sollte auch das Archiv Berücksichtigung finden. Kultur- und heimatgeschichtliche Gegenstände werden in den Heimatmuseen ausgestellt und können dort zu den Öffnungszeiten oder per Terminabsprache besichtigt werden.
Quelle: Stadt Netphen, Ratsinformationssystem, Mitteilungsvorlage 26/2019
Zur Stadtarchiv in Netphen s. a. siwiarchiv v. 29.1.19
Es scheint schlecht zu stehen um die Archivierung – und das heißt das amtliche Gedächtnis – in Netphen. Wenn es gut stünde, wäre klar, wovon man redet; das ist es aber offensichtlich nicht. Denn die Antworten wie die Fragen werfen neue Fragen auf. Ein Beispiel: Pkt. 4: „eine elektronische Akte, die als digitale Schriftgutverwaltung genutzt wird“ = gemeint ist vermutlich ein E-Akten-System, also: elektronische Aktenführung. Geantwortet wird, dass eine „digitale Auflistung aller Archivdokumente“ vorhanden ist. Unklar: Geht es hier um Registratur- oder Archivgut? Also um ein Registraturprogramm (für die Unterlagen der laufenden Verwaltung) oder ein Archivinformationssystem (für archivwürdig bewertete Unterlagen im Archiv). Wohl eher ersteres, denn im Folgenden geht es ja um „elektronische Akten in den Fachanwendungen“. Nun enthält aber das als Beispiel angeführte Personenstandsregister nun gerade keine Akten – es ist ja ein Register.
Worum geht es also überhaupt? Vermutung der Kommentatorin: Es gibt keine vollständige Aktenführung auf Papier mehr, sondern diverse elektronische Anwendungen, File-Ablagen, E-Mail-Accounts etc. Eine offizielle und strukturierte E-Akten-Anwendung gibt es aber auch nicht. Wenn vom „Archiv“ die Rede ist, ist ein (sehr kleiner Alt-)Bestand von Papier-Unterlagen gemeint, der in ein paar Schränken verwahrt wird. Ob ordnungsgemäße Aussonderung von Unterlagen der Verwaltung (Anbietung an das zuständige Archiv nach Ablauf der Ausbewahrungsfrist, Übernahme der als archivwürdig bewerteten Unterlagen als Archivgut in das Archiv) stattfindet, ist unklar – vermutlich wohl nicht. Und das dürfte für die papiernen wie für die digitalen Unterlagen gelten.
Bei der Archivierung geht es um das Gedächtnis und die Geschichte einer Kommune – bis zum Ende des 20. Jahrhunderts vor allem dokumentiert in Papier-Unterlagen, danach zunehmend digital. Letzteres nimmt weniger Platz weg, aber alle anderen Aspekte einer Archivierung sind komplizierter als bei Papierunterlagen. Wenn ein so unklares Verständnis von Archivierung besteht, wie es die Antworten zum Ausdruck bringen, sieht es schlecht aus für das Gedächtnis der Stadt.
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