Photographische Industrielandschaften, Architekturen und Porträts
Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln
in Kooperation mit dem Studio Becher und der Landeshauptstadt Düsseldorf
IM KUNSTARCHIV, DÜSSELDORF-KAISERSWERTH, Suitbertus-Stiftsplatz 1 (Eingang Stiftsgasse 2), 40489 Düsseldorf
Laufzeit: – 20. September 2020, Öffnungszeiten: Sa–So 14–18 Uhr
Das Kunstarchiv ist auf Grund der aktuellen Corona-Krise bis auf Weiteres geschlossen.
„Bemerkenswerte Aufnahmen, die für Bernd und Hilla Becher zentrale Inspirationsquellen waren, stehen im Fokus der Präsentation und treten zugleich mit ausgewählten Werken des Photographenpaars in einen Dialog. Die Photographien von Peter Weller und August Sander, deren für diese Ausstellung ausgewählten Arbeiten in die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts fallen, begeisterten Bechers nachweislich bereits in den Anfängen ihrer Arbeit in den frühen 1960er-Jahren.
Die Ausstellung mit über 70 Exponaten zeigt inhaltliche und methodische Korrespondenzen im Schaffen der drei photographischen Positionen auf. Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin und Kuratorin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, ist sehr glücklich, die drei Positionen erstmals in dieser Kombination auszustellen: „Becher, Weller, Sander – das sind drei Positionen, die uns ein wesentliches Kapitel unserer industriellen Entwicklung in klarsichtigen Bildern nahebringen; in Bildern, die von der bewundernswerten Hingabe und Fähigkeit ihrer Autoren berichten ebenso wie von den Menschen, die sich – wie bei Sander – entweder selbst der Kamera stellten und sich durch ihre Einflussnahme auf ihre Umgebung, ihre Bauten und Konstruktionen mitteilen. So wird für uns eine Zeit und Atmosphäre spürbar, in der gleichzeitig sowohl das bäuerliche Leben, das Handwerk als auch industrielle Betriebe wirksam waren.“
Die dokumentarische Beschreibung von Industrielandschaften im Westerwald und im Siegerland findet sich im systematischen Schaffen von Weller und zugleich auch in jenem von Bechers wieder, sogar motivische Analogien können veranschaulicht werden. Die Ansicht der Herdorfer Friedrichshütte, von Bernd und Hilla Becher 1963 aufgenommen, bietet beispielsweise einen guten Vergleich mit Peter Wellers Aufnahme desselben Werks von 1913. Augenscheinlich wird die Weiterentwicklung des Hüttenwerks, das zu den größten des Siegerlandes zählte. Und nicht zuletzt ist Herdorf der Geburtsort von August Sander, dessen Kindheit und Jugend in eine Zeit fällt, als die Bergwerke und Hütten des Siegerlands noch höchst produktiv waren.
Die Ansichten des Photographen Peter Weller (* 1868 in Hommelsberg, Kreis Altenkirchen, † in 1940 Düsseldorf) entstanden ab 1900 bis in die Anfänge des Ersten Weltkriegs (1914–1918). Sachlich präzise führte er die Berg- und Hüttenwerke vor Augen, die seinerzeit ganz wesentlich die Identität und den Stolz der Region ausmachten. Denn ihr Bodenschatz, das Eisenerz, und die daraus gewonnenen hochqualitativen Eisen- und Stahlprodukte sorgten in der Gegend über Jahrzehnte hinweg für eine hohe, auch internationale Anerkennung. Wellers Photographien, die ein anschauliches Bild der besonderen Landschaft zwischen Natur und Industrie vermitteln, sind Ansichten eines Menschen, der seine Motivwelt von Kindesbeinen an erlebt hatte und wertschätzte. Die Bedeutung Wellers Photographien, insbesondere ihre methodischen, über den reinen Regionalbezug hinausreichenden Voraussetzungen wurden seit den 1970er-Jahren erkannt. Dies vor allem dadurch, weil auf Hinweis von Bernd und Hilla Becher Ansichten von Peter Weller als Neuabzüge auf der documenta 6 (1977) einbezogen wurden.
Die Exponate von Bernd und Hilla Becher (* 1931 in Siegen, † 2007 in Rostock / * 1934 Potsdam, † 2015 Düsseldorf) gehen sämtlich auf Aufnahmen aus dem Siegerland zurück, photographiert zwischen 1961 und 1972, wobei die Entscheidung für die Ausführung der Abzüge im Format von 50 x 60 cm auf die Zeit Ende der 1980er-Jahre zurückgeht. Gezeigt werden sowohl Beispiele zum Thema der Fachwerkhäuser, als auch zum Thema der Industrielandschaften. Die Arbeit der Bechers im Siegerland ist zu Teilen biographisch motiviert, da Bernd Becher aus Siegen stammte, und seine Bildwelt früh vom industriellen Umfeld, den komplexen Hütten- und Bergwerksanlagen dieser Gegend inspiriert war. Zunächst richtete sich ab 1959 die gemeinsame Arbeit des Künstlerpaars auf das Thema der Fachwerkhäuser aus dem industriellen Lebensumfeld, wobei die Bauten so systematisch präzise wie wirklichkeitsnah veranschaulicht werden sollten. Daraus resultierte zum einen eine formal stringente Bildsprache, zum anderen ein Bildkonvolut, das Zeugnis eines hohen Geschichtsbewusstseins ist.
Max Becher, selbst Künstler und Photograph, erinnert sich gut daran, wie akribisch seine Eltern jeden Arbeitsschritt überdachten: „Wenn auch beim Photographieren nicht alles planbar ist, so haben beide doch mit hohem Anspruch an sich selbst und enormer Geduld versucht, ihre Motive gezielt zu finden und genau zum richtigen Zeitpunkt abzupassen. Eine Menge unterschiedlicher Koordinaten waren dabei zu beachten, die in Kürze kaum aufzählbar sind. Ihre Aufnahmen können, wenn man so will, mit realistisch aufgefassten Porträts verglichen werden, worauf die Gestalt, die typischen Merkmale und das Befinden einer Person genau ablesbar werden. Generell ging es ihnen um klare, sachlich korrekte und dokumentarische Photographien, die zusammengestellt in Bildreihen möglichst prägnant über bestimmte Phänomene des profanen Lebens, bevorzugt der Montanindustrie, berichten: über Bauformen, über Entwicklungen, über Ideen und Zeitgeist. In der Ordnung all dessen ist ihnen letztlich eine eigene Bildästhetik von hoher Prägnanz gelungen. Für mich gibt es vieles, das ich erst jetzt in ihrer Arbeit entdecke oder unter neuen Gesichtspunkten anschaue. Keine Frage, dass mir die Ausstellung ihrer Photographien sehr wichtig ist.“
Das Serielle ebenso wie der typologische Blick auf die Wirklichkeit kennzeichnet zudem die empathischen wie analytischen Porträtphotographien von August Sander (* 1876 in Herdorf, † 1964 in Köln). Von ihm werden nicht allein Bauern-, Handwerker- und Arbeiterporträts sowie Bildnisse von Kleinstädtern aus seinem Kulturwerk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ gezeigt – die „Jungbauern“, der „Konditor“ oder auch das Motiv „Handlanger“ sind legendär –, sondern auch solche, die in seiner Heimatgegend im Siegerland, so in der kleinstädtischen Ortschaft Herdorf, entstanden und weitgehend unbekannt sind.
Biographie und Werkgenese liegen auch bei August Sander nah beieinander. So finden sich in seinem berühmten Opus Magnum „Menschen des 20. Jahrhunderts“ sehr viele Personen wiedergegeben, die er über längere Zeit kannte oder mit denen er gelegentlich sogar verwandt war. Bereits in der Frühzeit in seinem Heimatdorf Herdorf präferiert der 16 jährige Autodidakt im Gegensatz zu vielen professionell tätigen Berufsphotographen das Porträtieren in der Natur, im Zuhause oder am Arbeitsplatz der Menschen. Damit suchte er Momente, die eine ungezwungene Begegnungssituation ermöglichten ebenso wie das Arbeiten mit natürlichem, möglichst wenig kontrastreichem Licht. Strahlen die von den Abgebildeten eingenommenen Posen somit eine große Selbstverständlichkeit aus, so kann aber davon ausgegangen werden, dass der Aufnahme Absprache und Justierung vorausgingen. Dies nicht zuletzt auch, weil August Sander (wie auch Weller und Bechers) mit einer schweren Großbildkamera und Stativ arbeitete, was eine beidseitige Konzentration auf die Aufnahme erforderte.
Die Photographien von Peter Weller sind Neuabzüge, die unter Begutachtung von Bernd & Hilla Becher entstanden und teilweise zum ersten Mal ausgestellt werden. Die Neuabzüge, die Motive von August Sander vorstellen, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Enkel des Photographen Gerd Sander und des Weiteren in Eigenregie der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Einige Sander-Motive werden in der aktuellen Ausstellung erstmals präsentiert. Die Photographien von Bernd und Hilla Becher sind Neuabzüge aus dem Studio Becher, unter der Leitung von Max Becher.
Quelle: Stadt Düsseldorf, Pressemitteilung