Neuer Klick in die Vergangenheit
In seinem „Klick in die Vergangenheit“ widmet sich das Stadtarchiv Siegen regelmäßig verschiedenartigen Episoden der städtischen Geschichte. Besondere Anlässe, historische Ereignisse oder bislang unbekannte Aspekte sollen durch informative Onlineartikel präsentiert werden. Auf der Website www.stadtarchiv-siegen.de erfährt man in der neuen Ausgabe des „Klicks in die Vergangenheit“ Details über die kontroversen Diskussionen um die Errichtung einer Kriegergedenkstätte in Siegen nach dem Ersten Weltkrieg.
Die Zeit der „Weimarer Republik“ zwischen der Novemberrevolution 1918 und der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 war vielfach geprägt durch politische Konflikte und gesellschaftliche Umbrüche. Der vollständige Zusammenbruch Deutschlands, die zermürbenden Bedingungen des Versailler Friedensvertrags und die damit verbundene Kriegsschuldfrage stellten eine enorme Hypothek für die Staatsräson dar. Auch im Siegerland war das gesellschaftliche Leben von Orientierungslosigkeit und Unsicherheit geprägt. Als identitätsstiftendes Element gemeinsamer Trauerbewältigung sollten Kriegergedenkstätten für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs errichtet werden. Nachdem im gesamten Kreis Siegen bereits in den frühen 1920er Jahren die ersten Ehrenmale errichtet worden waren, echauffierten sich immer mehr Siegener Bürgerinnen und Bürger während der gesamten „Weimarer Zeit“ über die Tatenlosigkeit ihrer Stadtverwaltung.
In Trupbach hatte man das Kriegerehrenmal bereits am 1. Mai 1920 eingeweiht. Es folgten Birlenbach (29. Mai 1921), Niederschelden (13. August 1922), Achenbach und Dillnhütten (jeweils am 15. November 1922), Gosenbach (29. November 1922), Geisweid (18. November 1923), Eisern (27. Juli 1924), Weidenau (5. September 1926), Seelbach (29. Juli 1928) und Kaan-Marienborn (9. September 1928). Doch die heutigen Stadtteile der Universitätsstadt Siegen waren damals noch eigenständige Gemeinden innerhalb der Ämter Weidenau und Eiserfeld und gehörten folglich noch nicht zur „Krönchenstadt“.
Dabei waren auch in Siegen schon in den letzten beiden Kriegsjahren 1917/18 ganz im Duktus patriotischer Gesinnung Pläne herangereift, „dauernde Zeichen des Dankes für unsere gefallenen Helden auch in der Heimat zu errichten, seien es Heldenhaine oder Denkmäler und Ruhmeshallen“. Besonders den stadtbildprägenden Häusling hatte man als möglichen Standort für eine projektierte Gedenkstätte auserkoren. Weithin sichtbar könne man auf der Bergkuppe quasi ein „Nationaldenkmal“ für das gesamte Siegerland in die landschaftliche Gestaltung integrieren, so der Tenor vieler Initiatoren wie Dr. Hans Kruse (1882-1941). Selbst der Siegener Architekt Paul Giesler (1895-1945) wandte sich vor fast genau 90 Jahren im Februar 1925 an die Öffentlichkeit, um für die Errichtung eines monumentalen „Kampfdenkmals“ zwischen Obergraben und Kölner Tor zu plädieren. Seine Bemühungen dienten vorrangig jedoch einer Instrumentalisierung öffentlicher Gedenkkultur unter der Doktrin nationalsozialistischen Gedankenguts. Giesler sollte bis zu seinem Suizid im April 1945 zu den Protegés der politischen Nazi-Elite unter Adolf Hitler gehören. Auch wenn 1928 unter seiner Regie das Kriegerehrenmal in Seelbach eingeweiht werden sollte: in der Stadt Siegen selbst konnte man sich während der Weimarer Zeit nicht auf eine Stätte der Erinnerungskultur an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs verständigen.
Das Stadtarchiv Siegen lädt alle Interessierten ein, einen „Klick“ in die Vergangenheit zu werfen. Parallel findet in einer Glasvitrine im Lesesaal des Stadtarchivs eine begleitende Präsentation statt, die ausgewählte Exponate zur Biografie Gieslers und zur politischen Erinnerungskultur während der „Weimarer Republik“ zeigt. Der Eintritt ist frei!
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