Siegener Kreisdirektor in „stürmischer Zeit“ (1964-1969)
Herbert Krämer ist am 26. August 1931 als ältester Sohn des Bauunternehmers Paul Krämer und dessen aus Duisburg-Meiderich stammenden Ehefrau Margarete, geb. Böcking, in Freudenberg geboren.
Von April 1938 bis Ostern 1942 besuchte er die Volksschule in Freudenberg und von April 1942 bis Kriegsende die Oberschule für Jungen in Betzdorf/Sieg.
Nach Kriegsende wechselte er die Schule und besuchte von Januar 1946 bis März 1952 das Löhrtor-Gymnasium in Siegen. Dort bestand er am 10. März 1952 die Reifeprüfung. Vom Sommersemester 1952 an studierte er an der Universität in Bonn Rechts- und Staatswissenschaften. Die Rechtsgebiete Staats-, Verwaltungs- und Strafrecht interessierten ihn besonders. Während der Semesterferien war er bis zum Beginn des sechsten Semesters verschiedentlich als Werkstudent tätig; so arbeitete er zunächst als Hilfsarbeiter in einem großen Siegerländer Walzwerk, dann in der Hauptverwaltung der Schreib- und Büromaschinenfabrik „Siemag“ in Siegen-Eiserfeld und schließlich beim Finanzamt in Siegen. Nach dem vierten Semester war er zwei Monate lang zur informatorischen Beschäftigung beim Amtsgericht in Siegen.
Nach acht Semestern Studium in Bonn bestand er am 05. Dezember 1955 die erste juristische Staatsprüfung beim Justizprüfungsamt in Hamm mit dem Prädikat „befriedigend“. Danach begann er am 01. März 1956 mit dem juristischen Vorbereitungsdienst und war nacheinander bei dem Amtsgericht in Olpe, der Staatsanwaltschaft und dem Landgericht in Siegen, der Kreisverwaltung in Siegen, dem Amtsgericht in Siegen und dem Oberlandesgericht in Hamm tätig. Die Anwaltsstation absolvierte er bei Rechtsanwalt und Notar Schleifenbaum in Siegen.
Während der Ausbildung bei der Kreisverwaltung in Siegen hat er selbständig Verwaltungsgerichtsprozesse geführt und wurde auch zu Verhandlungen mit dem Innenministerium in Düsseldorf und der vorgesetzten Bezirksregierung in Arnsberg herangezogen. Ein wahlrechtlichen Beitrag in der Zeitschrift „Der Wochendienst“ des Gemeindetages Westfalen (Nr. 177 vom 15. Juli 1957) entstand in dieser Zeit.
Während eines Sonderurlaubs von zwei Monaten im Jahre 1956 und während des späteren Erholungsurlaubs schrieb er in Bonn bei Herrn Prof. Dr. Ballerstedt seine Dissertation über das Thema: „Die Haftung der Betriebsratsmitglieder aus Rechtsgeschäft und Pflichtverletzung“.
In der Referendarzeit war er nebenberuflich bei verschiedenen Siegerländer Zeitungen als freier Mitarbeiter tätig. Er hat Berichte und Kommentare vorwiegend kommunalpolitischer Art geschrieben.
Am 26. Februar 1960 bestand er die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt in Düsseldorf mit der Note „ausreichend“,
Seit dem 01. April 1960 war er bei Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. W. Müller in Olpe tätig. Dort sammelte er Erfahrungen im Grundstücksverkehr und im Vertragsrecht.
Nach dem Assessorexamen war Herbert Krämer vom 01.10.1960 bis zum 30.11.1962 zunächst als Angestellter, dann als Landesassessor bei der Straßen-Verwaltung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe tätig.
Am 29. März 1961 wurde er in seiner Heimatstadt Freudenberg zum damals jüngsten Bürgermeister Deutschlands gewählt. Von 1962 bis 1969 war er zunächst als Kreisassessor (01.12.1962), dann als Kreisrechtsrat (21.05.1963) und zuletzt als Kreisdirektor (23.04.1964) des Kreises Siegen beschäftigt. Laut der Dezernantseinteilung vom 05.05.1964 hat Krämer das Dezernent II (Sozialamt, Jugendamt, Ausgleichsamt, Alters- und Pflegeheim Weidenau und Finanzabteilung [ohne die Arbeitsgruppe wirtschaftliche Beteiligungen], Kulturpflege) inne. Ab Dezember 1965 übernahm Krämer die Verkehrsabteilung und gab die sozialen Aufgaben ab.
Seit 1964 vertrat er den Kreis Siegen in der Landschaftsversammlung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Er gehörte der SPD-Fraktion an.
Zunächst wechselte Herbert Krämer als Stadtkämmerer nach Bielefeld (01.02.1969). Bald darauf wurde er Stadtdirektor (02.07.1969), am 1. Januar 1974 schließlich Oberstadtdirektor. Laut handschriftlichen Notizen in einer Akte des Bielefelder Stadtarchivs nahm er u. a. folgende Aufgaben wahr: Vorsitzender des Verwaltungsrates und des Kreditausschusses der Sparkasse Bielefeld, Mitglied des Verbandsvorstandes/Verbandsvorsitzender des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Aufsichtsratsmitglied der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH, Vorstandsvorsitzender des Zweckverbandes Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Ostwestfalen-Lippe, Mitglied des Presseausschusses und des Personalausschusses des Deutschen Städtetages, Mitglied der Landschaftsversammlung und des Landschaftsausschusses, Vorsitzender des Verkehrsausschusses für Straßenwesen (des Städtetages NRW?), Mitglied des Verwaltungs- und Planungsausschusses der Landesplanungsgemeinschaft und Mitglied des Verwaltungsrates des Westfälischen Provinzial-Feuer-Sozietät und der Westfälischen Provinzial-Lebensversicherungsanstalt.
Die Duisburger SPD hatte bei ihm angefragt, ob er als Oberstadtdirektor nach Duisburg kommen wolle. Nach Beratungen u. .a. mit Parteifreunden wie dem damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau und dessen Finanzminister Diether Posser wechselte Herbert Krämer von 01.10.1978 bis 30.11.1986 als Oberstadtdirektor ins Rheinland. Der Duisburger Oberbürgermeister Josef Krings hob bei der Verabschiedung Kärmers folgende Leistungen hervor: ein Profilgewinn für die Stadt, die Schaffung eines wirtschaftsfreundlichen Klimas in der Stadtverwaltung, die Neugestaltung der Innenstadt, die Städtepartnerschaft mit Wuhan und die Weiterentwicklung der Universität. Vor allem der Kampf gegen die Zerrüttung der städtischen Finanzen – auch in überörtlichen Gremien – brachten ihm den Ruf eines SPD-Spitzenbeamten in der Kommunalpolitik ein. Für seine Verdienste um die Stadt wurde ihm der Ehrenring Duisburgs verliehen. Am 04.07.1991 verlieh ihm die Universität Duisburg die Ehrendoktorwürde (Dr. sc. pol.).
1980 wurde Herbert Krämer in den Aufsichtsrat der Mannesmann-Röhren-Werke berufen. Als große Überraschung galt dann seine Wahl zum Vorstandsmitglied der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG, hatte sich doch der SPD-Mann Krämer gegen die Genossen in Düsseldorf und mit den Stimmen der kommunalen Aktionäre mit neun gegen einer Stimme durchgesetzt.
Seine berufliche Tätigkeit endete am 30. November 1996 als Vorstandsvorsitzender der RWE Entsorgung AG in Essen. Ferner er war bis 1995 Mitglied des Aufsichtsrates der Nukem GmbH und bis 1996 der Preussag AG. Von 1987 bis 1997 gehörte er dem Aufsichtsrat der Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen AG (VEW) an. Mitglied der Aufsichtsräte der RWE Energie AG und der Rheinelektra AG (heute: Lahmeyer AG) war er ebenfalls. Schließlich gehörte er dem Beirat der Hochtief AG an.
Herbert Krämer pflegte seine Hobbys Golf, Reisen und klassische Musik. Im Ruhestand war er lange Jahre Vorsitzender bzw. Ehrenvorsitzender des Vereins Pro Ruhrgebie. Mehr als ein Jahrzehnt war Krämer Vorsitzender des Freundeskreises des Wilhelm-Lehmbruck-Museums in Duisburg. Dem Vorstand der Köhler-Osbahr-Stiftung zur Förderung von Kunst und Wissenschaft gehörte er u. a. als stellvertretender Vorsitzender an. Ferner war er Mitglied des Rotary-Clubs Duisburgs Rhein Ruhr.
Aus seiner ersten Ehe gingen 2 Kinder hervor.
In der Nacht zum 9. Februar 2015 ist Herbert Krämer auf Teneriffa verstorben.
Benutzte Quellen:
Stadtarchiv Bielefeld, Bestand Oberbürgermeister Nr. 478: Empfänge des Oberbürgermeisters (1978-1979), [Verabschiedung des Oberstadtdirektors Krämer am 28. September 1978]
Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein, Personalakte Herbert Krämer, Sammlung Organisationspläne
Häming, Josef: Die Abgeordneten des Westfalenparlaments 1826–1978 (Westfälische Quellen und Archivverzeichnisse, Bd. 2), Münster 1978, S. 398 (Nr. 864)
Siegener Zeitung 26.08.2006
Westfalenpost 26.08.2006
Neue Ruhr Zeitung 30.09.1978 (?), 05.08.1986, 08.11.1986
Westdeutsche Allgemeine Zeitung 11.07.1980, 01.07.1986
UDH-Zeitschrift 1/91
http://www.anti-atom.de/kraemer.htm http://www.anti-atom.de/kraemer.htm: (Forschungsprojekt Energiepolitik, Jürgen Sattari)
Arbeitsgemeinschaft Freudenberger Heimatverein e.V., 10.2.2015
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