Am 1. Dezember 1946 hatte die Militärregierung die Verordnung Nr. 57 erlassen, welche die Befugnisse der Landesregierung und deren rechtliches Verhältnis in Bezug auf die Militärregierung regelte. Der Landtag durfte nun Gesetze erlassen, die britische Militärregierung musste diese aber erst absegnen.
Ebenso im Dezember 1946 waren die Sitze im Landtag neu aufgeteilt worden. Dies geschah unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Amtsvertretungs- Kreistags- und Gemeindewahlen. Für das Siegerland saßen Hedwig Finger und Bernhard Meuser im Landtag (beide CDU).
Nachdem am 5. März 1947 endgültig ein von der Militärregierung akzeptiertes Landeswahlgesetz verabschiedet werden konnte, fanden am 20. April im neuen Bundesland Nordrhein- Westfalen die ersten Landtagswahlen statt.
Zwei der 150 Wahlkreise lagen im Landkreis Siegen, nämlich der Wahlkreis 128 für Siegen-Stadt und Land-West, zu welchem natürlich die Stadt Siegen gehörte, sowie die Ämter Weidenau, Freudenberg und Eiserfeld. Als Kreiswahlleiter fungierte hier Siegens Oberstadtdirektor Max Baumann. Wahlkreis 129 (Siegen- Land- Ost) umfasste die Stadt Hilchenbach und die Ämter Keppel, Ferndorf, Netphen, Wilnsdorf und Burbach. Kreiswahlleiter war Kreisfinanzdirektor Dr. Moning aus Kreuztal.
Offiziell begann der Wahlkampf Anfang März, wenige Tage nachdem die Militärregierung den Landrat des Landkreises Siegen schriftlich darüber informiert hatte, dass die Militärregierung zwar über politische Versammlungen der Parteien im Voraus zu informieren sei, laut besagter Verordnung Nr. 57 eine Genehmigung aber nicht mehr benötigt werde.
Ein großes Thema der SPD war der Kampf gegen den Kapitalismus und somit der Einsatz für eine „Sozialisierung“, also die flächendeckende Verstaatlichung bzw. Vergesellschaftung von Unternehmen, in diesem Fall der der Grundindustrie. Schließlich wurde im Kapitalismus die mögliche Wurzel für wiedererblühenden Faschismus und erneutes Kriegstreiben gesehen. So schrieb die Westfälische Rundschau am 2. April 1947: „Wer die kapitalistischen Parteien wählt oder wer eine Partei wählt, die eine Diktatur anstrebt, der wählt den Krieg!“
Die CDU als Regierungspartei hatte im Wahlkampf besonders wegen der Lebensmittel- und Rohstoffknappheit um die Gunst der Bevölkerung zu kämpfen. Einen Ausweg aus dem Elend und die Garantie für Frieden sah man im festen Glauben. „Der Zusammenbruch unseres Volkes und die grenzenlose Not“, so Landrat Büttner bei einer Parteiversammlung, „seien im tiefsten Grunde verursacht durch die Abwendung vom Christentum. Unser Volk werde entweder zum Christentum zurückkehren oder endgültig in die Irre gehen.“
Die Notlage machte auch vor dem am 8. und 9. Februar 1947 in Siegen stattfindenden Kreisparteitag der CDU nicht halt. Die Westfalenpost wies daraufhin, dass während der Mittagspause des Parteitages zwischen 13-14 Uhr Kaffee ausgeschenkt werde. Zubrot und wenn möglich auch Tassen seien selber mitzubringen.
Das Wählen musste noch eingeübt werden. So gab die Westfälische Rundschau ihren Lesern kurz vor der Wahl detaillierte Anweisungen zum Umgang mit Stimmzetteln: „Durch ein Kreuz […] kennzeichnet der Wähler denjenigen Bewerber auf dem Stimmzettel, für den er seine Stimme abgeben will.“
Im Wahlkreis 128 gingen 35820 Menschen zur Urne, was einer Wahlbeteiligung von 68,14% entsprach. Im Wahlkreis 129 betrug die Wahlbeteiligung 67,3% (=29778 Wähler).
Die CDU gewann die Wahl in NRW und auch im Landkreis Siegen konnte sie, wenn auch wie auf Landesebene mit teilweise herben Verlusten, die meisten Stimmen, nämlich 27607, (beide Wahlkreise zusammen) auf sich vereinen und somit zwei Landtagsabgeordnete stellen. Für den Wahlkreis I ging Otto Rippel aus Hagen nach Düsseldorf, für den Wahlkreis II der amtierende Landrat Josef Büttner.
Die weiteren Ergebnisse: SPD: 22852 Stimmen, DRP (Deutsche Rechtspartei): 6544 Stimmen, KPD: 4448 Stimmen, FDP: 4147 Stimmen.
Auch Hedwig Finger aus Siegen erhielt ein Landtagsmandat; allerdings diesmal für den Landkreis Recklinghausen/Land.
Damals wie heute: die Westfalenpost meldete am 25. April, dass die Wahlplakate, „die in rauhen Mengen die Häuserwände und Bretterzäune bedecken“, bald von der Stadtverwaltung entfernt werden würden. „Die Kosten dieser Aufräumungsarbeit haben die Parteien übernommen.“
Text: Sonja Schäfer, Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein
Quellen:
Amtliche Bekanntmachungen/ Official Notices- Herausgegeben von der britischen Militärregierung, 1947, Stadtarchiv Siegen
Westfalenpost 1947, Stadtarchiv Siegen
Westfälische Rundschau 1947, Stadtarchiv Siegen
Bestand Landratsamt des Kreises Siegen, Staatsarchiv Münster (Mikrofilm: Stadtarchiv Siegen)
Bastian, Daniell: Westdeutsches Polizeirecht unter alliierter Besatzung (1945-1955), Tübingen [2010]
Blanchet, Philippe: Die CDU des Siegerlandes- Entstehung und Entwicklung 1945-1949, Siegen 1979
Schiemer, Hansgeorg: 60 Jahre CDU im Siegerland und in Wittgenstein, Siegen 2006