Zur Geschichte des Siegener Mädchengymnasiums.“ Vorstellung: Sonderband der „Siegener Beiträge – Jahrbuch für regionale Geschichte“.
Die Siegener Geschichtswerkstatt gibt in diesem Jahr einen Sonderband der Siegener Beiträge heraus. Darin stellt der Autor, Tobias Gerhardus, die Geschichte des Siegener Mädchengymnasiums, des heutigen LYZ, vor.
Das Gebäude an der St.-Johann-Straße blickt auf eine nunmehr fast 130jährige Geschichte zurück. 1886 wurde das neu errichtete Schulgebäude der Städtischen Höheren Töchterschule eingeweiht. Der vorliegende Sonderband zeichnet nun vor allem die Baugeschichte des Gebäudes nach.
Trotz dieser vermeintlichen Beschränkung haben sich in der Bearbeitung zahlreiche thematische Aspekte eröffnet, die die Siegener Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in vielfältiger Weise lebendig werden lassen. So galt es natürlich auch, die Entwicklung der seit 1842 bestehenden Anstalt entsprechend zu würdigen, um die Entstehungsgeschichte des Gebäudes verstehen zu können. Ebenso mussten die Rahmenbedingungen der preußischen wie auch der städtischen Bildungspolitik in die Darstellung eingebunden werden. Darüber hinaus werden immer wieder schlaglichtartig Aspekte der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung der Stadt Siegen beleuchtet. Und nicht zuletzt treten auch die in der politischen Verantwortung stehenden Siegener Persönlichkeiten in den Vordergrund. Die zeitgebundenen, mitunter stark kontrastierenden Motive und Einstellungen zur Frauenbildung zeichnen einen weiteren interessanten Aspekt nach.
Der Sonderband bietet also keine umfassende Schulgeschichte, kann aber durchaus als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen gesehen werden. Immer wieder stieß der Autor Tobias Gerhardus bei seinen Recherchen auf interessante Aspekte, die einer weiteren Untersuchung bedürfen. So sind die wichtigsten Protagonisten, die Schülerinnen, kaum in den Mittelpunkt gerückt worden. Ebenso wissen wir nur Unzureichendes über das Lehrerkollegium. Wie haben sich Schulreformen niedergeschlagen? Wie hat sich der Nationalsozialismus ausgewirkt? Wie hat die Schulgemeinde die so genannte „Stunde Null“ 1945 erlebt? Und wie konnte der Schulbetrieb in den Nachkriegsjahren wieder aufgenommen werden? Auch eine umfassende Aufarbeitung des Schulstreiks von 1969 steht nach wie vor aus.
Zum Autor: Tobias Gerhardus kommt aus dem Nachbarkreis Altenkirchen. Nach dem Abitur am Neunkirchener Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium hat er an der Universität Siegen das Studium der Geschichte und Politikwissenschaften mit dem Magister Artium abgeschlossen. Obwohl in der freien Wirtschaft tätig, bleibt er der lokalen Geschichte verbunden und arbeitet weiter an Themen der Stadtgeschichte, speziell auch des Mädchengymnasiums.
Quelle: Pressemitteilung der Geschichtswerkstatt, 14.10.2015
Es ist immer wieder verblüffend zu sehen, welch denkwürdige, in der Heimatpresse eifrig gelobte Novitäten die Siegener Lokalhistoriographie hervorbringt. Der vorliegende Fall betrifft ein „Büchlein“ (S. 7), das, wie es aussieht, seinen Verfasser und Gegenstand vor dem Leser ängstlich zu verbergen sucht; Einband und Titelblatt geben darüber keine Auskunft!
Den Namen des Autors enthüllen die beiden Herausgeber – der Stadtarchivar und der Leiter der Geschichtswerkstatt Siegen – erst in ihrem Vorwort. Sie stellen Tobias Gerhardus als einen Mann der „freien Wirtschaft“ aus dem „Nachbarkreis Altenkirchen“ vor (S. 8). Wer die Ohren spitzt, erfährt: Gerhardus war ‒ nach Besuch der Philosophischen Fakultät Siegen ‒ Praktikant im Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein und bekam, obschon bildungshistorischer Laie, den Auftrag, einen „Zeitstrahl“, eine „kurze Chronik“ des „Lӱz“ zu erarbeiten; daraus erwuchs das besagte „Büchlein“. Gerhardus ist Jungunionist, Ratsherr, Kreistagsabgeordneter, CDU-Stadt-, Kreis- und Bezirksvorstandsmitglied und, wie die Spatzen von den Westerwälder Dächern pfeifen, auf dem Sprung, über kurz oder lang in den Landtag von Rheinland-Pfalz einzuziehen. Es scheint, als wollten die Herausgeber den unbedarften Rezipienten an der Nase herumführen.
Den Umschlag vorn ziert ein Zitat: „Die zeitgemäße Ausbildung des weiblichen Geschlechts“. Wer zu lesen beginnt, bemerkt rasch, dass das Buch nicht hält, was es verspricht; es handelt nicht von „Bildung“ oder (beruflicher) „Ausbildung“, von Weiblichkeitsbild, „Philosophie“ und Alltag einer höheren Mädchenschule. Den Umschlag hinten dominiert ein Text über Ziel und Zweck der „Frauenschule“, die ihre Zöglinge auf die Rolle der „Hausfrau, Mutter und Staatsbürgerin“ vorbereiten sollte; doch gab es am Siegener Lyzeum, von einer flüchtigen Episode 1920/23 abgesehen, einen solchen Frauenschulzweig gar nicht. Die Herausgeber ihrerseits akzentuieren die baugeschichtlichen Früchte des Buches (S. 7). Wer nun erwartet, er erfahre Neues über die Architektur preußischer (Straf-, Kasernen-, Kranken- und) Lehranstalten oder die Erziehungsideale verflossener Zeiten, die, in Stein gesetzt, am „Lӱz“ zu bewundern sind, sieht sich arg enttäuscht.
Die Herausgeber betonen (S. 7), sie hätten, als Tobias Gerhardus Kontakt mit ihnen aufnahm, „spontan“ entschieden, das Manuskript zu publizieren. Gewiss, auf Intuition und „Bauchgefühl“ zu vertrauen, erspart Zeit und Mühe (und ist modisch); bisweilen hilft aber, den Verstand und ein wenig Sorgfalt walten zu lassen. Die „bedeutsame Ausarbeitung“ (S. 7), welche die Editoren dem staunenden Publikum präsentieren, ist, bei Licht betrachtet, Blendwerk und Mogelpackung.